Technischer Fortschritt Schlag auf Schlag

Von Stephanie Kowalewski · 11.03.2009
Angeblich war es die Frau von Arne Larsson, die den entscheidenden Druck ausübte, doch nun endlich ein Gerät zu entwickeln, das ihrem herzkranken Mann ein lebenswertes Leben ermöglichte. Aus einer Schuhcremedose und elektronischen Bauteilen entstand vor 50 Jahren der erste Herzschrittmacher. Bis heute hat sich die Technik rasant weiterentwickelt.
"Innendrin sind zwei Transistoren, ein Widerstand, ein Kondensator und eine Batterie, die aufladbar ist."

Hans von Lehndorff, Kardiologe am Klinikum Krefeld, wiegt eine Nachbildung des weltweit ersten implantierten Herzschrittmachers in den Händen.

"Das ganze Ding hat zwei Kabel, die rausgucken. Und dann hat man das unter die Haut implantiert und noch eine Sonde auf das Herz außen drauf operiert. Und damit hat dieser Patient drei Stunden lang glücklich gelebt und dann hat es nicht mehr funktioniert."

Dennoch war das der Startschuss für eine rasante medizin-technische Entwicklung. Der erste Herzschrittmacherpatient, der Schwede Arne Larsson, überlebte zunächst dank einem externen Schrittmacher und starb im Alter von 86 Jahren - mit seinem 22. Schrittmacher in der Brust.

Auf ein langes Leben hofft auch Christian Trompeter. Der 41-Jährige leidet an Herzrhythmusstörungen, Vorhofflimmern und einer Herzschwäche. Er war dem Tod schon mehrmals sehr nahe, doch sein hochmoderner Herzschrittmacher hat ihm das Leben gerettet.

"Das Gerät habe ich vor einem guten halben, dreiviertel Jahr rein bekommen. Ich konnte keine vier, fünf Meter mehr gehen. Und es hat sich infofern wieder gebessert, dass ich Treppen steigen kann, ich kann meinen alltäglichen Einkäufen nachgehen, was das Leben eigentlich wieder lebenswert macht."

Christian Trompeter hat einen Schrittmacher, der nicht nur sein Herz im Rhythmus hält und beide Herzkammern synchron schlagen lässt. Der Schrittmacher hat zusätzlich einen integrierten Defibrilator, der dem Herz einen Stromstoß versetzt, wenn es aufhört zu schlagen.

"Wenn der nicht gezündet hätte, dann säße ich heute hier nicht mehr. Ganz klar."

CRT-Geräte nennen sich diese kleinen Multitalente. Sie sind das modernste was die Produzenten momentan zu bieten haben, sagt Andreas Bohne vom Medizintechnikhersteller medtronic. Mit den Schrittmachern, die vor 50 Jahren in Stockholm erstmals implantiert wurden, haben sie nicht mehr viel gemein.

"Die ersten Herzschrittmacher, die eingepflanzt wurden, wogen etwa einviertel Pfund. Heute wiegt ein Herzschrittmacher der telemetrisch aktiv ist, der zehn Jahre hält und der sich selbst misst und regelt, also vollautomatisch funktioniert, etwa 40 Gramm und ist so groß wie ein früheres Fünf-Mark-Stück."

Dabei sind diese Leichtgewichte technisch gesehen mit einem Minicomputer vergleichbar.

"Diese Geräte enthalten eine sehr lang laufende Lithiumionenbatterie, da steckt ein Mess- und Regelkreislauf drin, da steckt eine Verbindungseinheit mit einer Antenne drin, die in der Lage ist, Daten nach draußen zu funken, und natürlich auch ein Speicherchip."

Die Lithiumbatterien haben eine Laufzeit von rund zehn Jahren. Dann muss der Herzschrittmacher in einer kleinen ambulanten Operation ausgetauscht werden, sagt der Kardiologe Hans von Lehndorff. Üblicherweise bekommt der Patient dann auch gleich die technisch neueste Version eingesetzt.

"Ausgewechselt wird nur das so genannte Aggregat, es hat an einer Seite praktisch eine Steckdose, und da drin stecken eben die Kabel. Und man kann die Kabel einfach wieder rausziehen und dann wird das Gerät ersetzt und das neue passt wieder an diese Kabel dran."

Die Kabel mit den Elektroden, die das Herz mit kleinen Stromstößen stimulieren, bleiben also unverändert an ihrer ursprünglichen Position liegen. Früher mussten Chirurgen die Elektroden auf den Herzmuskel nähen, erinnert sich der Chirurg Heinz-Jochen Sykosch. Er hat 1961 als erster Arzt in Deutschland einem 18-Jährigen einen Schrittmacher implantiert.

"Diese Technik war bisher nicht bekannt - in Deutschland zumindest - und auch in Europa nicht sehr weit verbreitet. Und es war das erste mal, dass ich das aufgegriffen hab. Ja, damals war das noch ein Eingriff mit Brustkorberöffnung. Und heute geht das in 20 Minuten."

Heinz-Jochen Sykosch entwickelte den Schrittmacher so weiter, dass er nur dann aktiv wird, wenn das Herz tatsächlich aus dem Takt gerät. Zuvor bekam es einfach 60 Mal in der Minute einen Stromstoß versetzt, ganz gleich, ob es ihn brauchte oder nicht.

Der technische Fortschritt erleichtert den Ärzten außerdem die Arbeit. Einfache Schrittmacher können sogar unter örtlicher Betäubung und ambulant eingesetzt werden. Bei Schrittmachern, die das Herz mit zwei oder drei Elektroden im Takt halten, ist aber nach wie vor eine Operation notwendig. Allerdings reicht heute ein kleiner Hautschnitt unterhalb des Schlüsselbeins. Die dünnen und sehr beweglichen Kabel, an deren Ende eine Elektrode sitzt, werden dann durch die Venen zum Herzen geführt, erklärt der Kardiologe Hans von Lehndorff.

"Wenn man rechnet, dass ein Herz ungefähr 100.000 Mal pro Tag sich zusammenzieht, dann müssen diese Kabel unwahrscheinlich viel aushalten und deswegen sind die so weich. Sie müssen aber trotzdem fest sitzen, dürfen nicht rutschen. Deswegen brauchen sie Verankerungen. Der Herzinnenraum ist wie so ein Gestrüpp, darin kann man solche Elektroden verankern."

Diese Elektroden geben aber nicht nur Strom ans Herz ab. Sie nehmen auch elektrische Impulse des Herzens auf und leiten sie an den Schrittmacher weiter, wo sie analysiert und gespeichert werden. Dank Telemedizintechniken können die Daten schließlich ausgelesen werden, sagt Andreas Bohne von medtronic. Ein für den Patienten völlig schmerzfreies Verfahren.

"Die Schrittmacher sind durchaus in der Lage, per Funk durch die Haut in eine Art Kopfstation, die beispielweise auf dem Nachttisch des Patienten steht, diese Daten weiterzuleiten. Von dort aus gehen sie über die Telefonleitung ins Internet und stehen dem Arzt dann auf einer gesicherten Website zur Verfügung."

In Deutschland werden derzeit einige Tausend Patienten mit diesem System betreut. Doch die Zahl wird rasch steigen, ist Andreas Bohne überzeugt, denn künftige Schrittmacher werden immer mehr Diagnosedaten liefern, die die Sicherheit des Patienten erhöhen. Schon heute messen einige Schrittmacher permanent den Wassergehalt in der Lunge, um lebensbedrohliche Lungenödeme möglichst zu vermeiden.

"Wenn wirklich etwas ist, weiß der Arzt praktisch sofort bescheid, und zwar egal wo er und der Arzt gerade sind auf der Welt."