Tech-Industrie in Griechenland

Der Traum vom Silicon Valley Europas

21:36 Minuten
Eine idyllische, hügelige Landschaft mit Städtchen rund um einen See.
Sieht so ein mögliches europäisches Silicon Valley aus? Der Tech-Standort Ioannina, Hauptstadt der Region Epirus, im Norden Griechenlands. © imago/agefotostock/Fotosearch/LBRF/Electrofear
Von Verena Schälter · 12.10.2021
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Die Corona-Krise hat deutlich gemacht: Die griechische Wirtschaft ist zu einseitig auf Tourismus ausgerichtet. Die Regierung will deshalb verstärkt auf die Tech-Industrie setzen. US-Giganten wie Amazon und Microsoft haben schon angeklopft.
Von außen sieht das Gebäude, etwas außerhalb des Städtchens Ioannina, recht unscheinbar aus. Eher wie ein zweistöckiges Wohnhaus mit spiegelverglaster Ladenzeile im Erdgeschoss. Doch am Straßenrand hängt ein großes Schild mit der Aufschrift: Terracom, Business-Computing. Drinnen sind viele Schreibtische verwaist.
Wegen der Corona-Pandemie arbeiten die meisten Mitarbeiter nach wie vor hauptsächlich von zu Hause aus. Doch Konstantinos Kalabokis wartet bereits. Auch er war schon länger nicht mehr hier. An diesem Tag ist er extra für das Interview ins Büro gefahren. Mittlerweile arbeitet er seit fünf Jahren für Terracom. Manchmal kann er es noch gar nicht richtig glauben.
"Ich hätte nie gedacht, dass ich nach Ioannina zurückkehren würde. Aber sobald ich von dieser Firma gehört und nachgesehen habe, was sie machen, dachte ich, ich sollte das Risiko eingehen. Und am Ende hat es sich ausgezahlt."
Ein Mann mit dunklem Haar und Vollbart im runden Gesicht sitzt vor seinem PC im Büro.
"Ich hätte nie gedacht, dass ich zurückkehren würde." Konstantinos Kalabokis ist wegen des guten Jobs aus den Niederlanden wieder in seine Heimat gekommen.© Verena Schälter, ARD-Studio Athen
Frühsommer 2011: Seit über einem Jahr befindet sich Griechenland im Krisenmodus. Die Staatsverschuldung hat einen neuen Rekordstand erreicht, genauso wie die Arbeitslosenzahlen.

Griechenland verlassen, um einen guten Job zu finden

Vor allem in den großen Städten Athen und Thessaloniki demonstrieren regelmäßig Zehntausende gegen die Sparpolitik der Regierung. Kalabokis ist gerade mit dem Wehrdienst fertig. Zuvor hat er seinen Bachelor in Informatik beendet.
"Damals habe ich mich nach einer Stelle umgesehen für junge Wissenschaftler hier im Land, aber es war sehr hart."
Ziemlich bald wird klar, dass er eine harte Entscheidung treffen muss. Wenn er einen guten Job finden will, wird Kalabokis Griechenland verlassen müssen – und das tut er auch.
"Das ist ein heftiges Gefühl. Wenn Du gehst, weil Du es willst, dann kannst Du zurückkommen. Aber wenn Du gehst, weil Du es musst, ist es schwieriger. Als ich ins Ausland gegangen bin, war ich sehr traurig."

Er zieht in die Niederlande, macht dort zunächst seinen Masterabschluss und findet im Anschluss daran sofort einen Job.
"Das Gute war, dass ich nicht allein war. Es gab viele Leute mit einem ähnlichen Hintergrund, und das hat mir geholfen, mich besser anzupassen. Ich würde daher sagen, dass ich mich relativ schnell angepasst habe. Das lag aber auch daran, dass ich wusste, warum ich das alles getan habe."

Keine Perspektive mehr wegen der Finanzkrise

Mehr als eine halbe Million Griechinnen und Griechen haben im Zuge der Finanzkrise mangels Perspektiven das Land verlassen – die meisten von ihnen waren sehr gut ausgebildet. Ein Großteil hat in anderen europäischen Staaten wie Deutschland, Schweden oder – so wie Konstantinos – in den Niederlanden einen Job gefunden.
"Ich habe viel aus meinen Auslandserfahrungen mitgenommen. Ich habe gearbeitet, bin mit anderen Kulturen in Kontakt gekommen, mit anderen Mentalitäten. Ich habe mich ausgetauscht. Aber nach einiger Zeit hatte ich das Gefühl, dass ich zurückkehren möchte, wenn es möglich ist."
Eine Stadt im Grünen, im Vordergrund eine Moschee mit Minarett.
Das griechische Städtchen Joannina - bislang bekannt für unberührte Natur und Feta-Käse, aber mit Potenzial für mehr.© Giorgos Papaioannou, ARD-Studio Athen
Nach fünf Jahren in den Niederlanden fängt er an, sich erneut nach einer Stelle in Griechenland umzusehen. Vielleicht hat sich die Situation ja mittlerweile gebessert und er würde in Athen oder Thessaloniki etwas finden? Am liebsten aber würde er zurück nach Ioannina. Wo er aufgewachsen ist und wo seine Eltern leben.
Kalabokis beginnt sich auch dort nach interessanten Unternehmen umzusehen und – wird tatsächlich fündig.
"Ich hatte Glück, dass mein Elternhaus nur 100 Meter von der Firma entfernt ist. Also habe ich meinen Lebenslauf hingeschickt und sie haben mich eingestellt."

Terracom – IT-Pionierfirma in Griechenland

Terracom heißt das Unternehmen, für das Kalabokis heute die Marktentwicklung beobachtet, neue Geschäftsideen entwickelt und umsetzt und sich um die strategische Entwicklung der Firma kümmert – Business Development Manager lautet das im Unternehmenssprech.
Terracom ist eine der IT-Pionierfirmen in Griechenland, seit 1999 ist sie im Geschäft. Das Unternehmen entwickelt unter anderem Softwarelösungen für die Arbeitszeiterfassung und für die Personalplanung von Unternehmen. Mittlerweile hat Terracom 54 Mitarbeiter und Kunden auf der ganzen Welt.
Darunter Ikea, der US-amerikanische Telekommunikationskonzern Verizon, der Londoner Flughafen Heathrow und Vodafone. Doch bislang sind Unternehmen wie Terracom die absolute Ausnahme in Griechenland. Geschäftsführer Dimitris Zaharakis wünscht sich mehr Kreativität, mehr Austausch und auch mehr Konkurrenz im Land.
"Wettbewerb ist nichts, wovor man Angst haben sollte. Hast Du Angst vor Konkurrenz, machst Du etwas falsch und bringst es besser schnell in Ordnung."
Ein älterer Mann im dunkelblauem T-Shirt und angegrautem Haar steht in einem Büroraum.
Dimitris Zaharakis, Geschäftsführer der IT-Firma „Terracom“, musste lange bis zum Erfolg seiner Firma kämpfen.© Verena Schälter, ARD-Studio Athen
Seit Langem setzt er sich dafür ein, die Bedingungen für Start-ups gerade auch im Tech-Bereich in Griechenland voranzubringen.
"Wir sind Gründungsmitglied von Innovation Greece, einem Zusammenschluss innovativer Unternehmen in Griechenland. Dieser Zusammenschluss wurde mit dem Ziel gegründet, Innovation und Unternehmertum zu fördern. Das sind Dinge, für die Griechenland nicht unbedingt bekannt ist."
Über viele Jahre hinweg glich sein Engagement einem Kampf gegen Windmühlen. Doch seit einigen Monaten scheint sich die Situation zu verändern.

Softwarelösungen aus Göppingen

Etwa fünf Kilometer entfernt herrscht in einem anderen Firmengebäude aufgeregtes Treiben: Pressesprecher nehmen Journalisten in Empfang, verteilen Infobroschüren. Ein Caterer baut mitten im Großraumbüro ein Buffet auf. Polizisten gehen den Raum mit Sprengstoffhunden ab. Dazwischen sitzen vereinzelt ein paar Mitarbeiter vor ihren Rechnern und versuchen, den Trubel, so gut es geht, zu ignorieren.
Dieses Großraumbüro ist das Herzstück der griechischen Niederlassung der Firma Teamviewer. Das Unternehmen aus dem baden-württembergischen Göppingen ist bekannt geworden mit Softwarelösungen, die es möglich machen, aus der Ferne auf Computer oder andere Geräte zuzugreifen, sodass man ortsunabhängig arbeiten kann. Erst vor knapp zwei Jahren hat Teamviewer hier, in der griechischen Stadt Ioannina, diesen Standort eröffnet.

Hoher Besuch vom Ministerpräsidenten

Der heutige Trubel hat einen besonderen Grund: Denn keine drei Tage zuvor hat sich ziemlich spontan Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis angekündigt.
In Windeseile wurde alles vorbereitet. Ein Teil des Vorstandes von Teamviewer ist extra aus Deutschland angereist. Sie alle stehen jetzt vor dem Firmengebäude und warten auf die Ankunft des Ministerpräsidenten:
Mitsotakis lässt sich herumführen. Spricht mit den Vorständen, aber auch mit den Mitarbeitern. Und er will eine Botschaft loswerden:
"Griechenland verändert sich. Das ist nicht länger das Griechenland der Krise. Das ist ein Griechenland, das schnell wächst und mehr Möglichkeiten für ausländische Direktinvestitionen bietet."
Drei Männer in Hemd, Shirt und Jacket - alle mit Mundschutz - unterhalten sich.
"Das ist nicht länger das Griechenland der Krise“, sagt der griechische Ministerpräsident Mitsotakis (m.). Hier beim Besuch der Firma Teamviewer in Joannina.© Teamviewer
Laut dem griechischen Industrieverband SEV haben sich die ausländischen Investitionen in den vergangenen Jahren verdoppelt. Allerdings machen sie immer noch nur zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus.

Weniger abhängig vom Tourismus

Und: Die meisten Investitionen erfolgen im Dienstleistungsbereich, wie dem Tourismus und im Immobiliensektor. Das soll sich nun ändern: Die griechische Wirtschaft soll weniger abhängig vom Tourismus sein. Deshalb will die Regierung vermehrt auf die Tech-Industrie setzen und gleichzeitig ausländische Firmen nach Griechenland locken – so wie Teamviewer.
"Wir wollen es für Unternehmen leichter machen, in Griechenland zu investieren. Was bedeutet das? Weniger Regulierung, niedrigere Steuern – damit haben wir bereits begonnen –, aber auch die Möglichkeit, sehr eng mit der Gemeinde, dem Bürgermeister, dem Regionalgouverneur zusammenzuarbeiten, um alle bestehenden Probleme zu lösen."
Und tatsächlich: Nachdem ausländische Investoren in den Jahren der Krise Griechenland gemieden haben, zieht es mittlerweile sogar die ganz Großen in den Mittelmeerstaat. Der Pharma-Multi Pfizer plant ein Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz und Big-Data-Analysen und der Netzwerkausrüster Cisco hat ein Zentrum für digitale Transformation eröffnet.

Microsoft investiert in Griechenland

Doch das bislang mit Abstand größte Projekt will der US-Gigant Microsoft in Griechenland umsetzen. GRowth – nennt der Konzern dieses Projekt: Wachstum. Das G und das R sind dabei großgeschrieben – wie die Abkürzung für Griechenland.
Vergangenen Oktober reiste Brad Smith, Präsident von Microsoft nach Athen und präsentierte im Beisein von Ministerpräsident Mitsotakis, was damit gemeint ist:
"Wir geben heute die mit Abstand größte Investition von Microsoft in unserer 28-jährigen Tätigkeit hier in Griechenland bekannt."

Eine Milliarde Dollar will der US-Konzern in den Aufbau von drei Datenzentren seiner Cloud-Plattform "Azure" investieren. Außerdem will das Unternehmen in den kommenden fünf Jahren 100.000 Griechinnen und Griechen in digitalen Technologien schulen. Darunter Studierende, Auszubildende sowie Beschäftigte in der öffentlichen Verwaltung sowie der Privatwirtschaft.
Eine Familie mit kleinen Kindern schlendert über Messestände.
Internationale Firmen wie Microsoft und Pfizer haben Griechenland als Standort entdeckt. Hier eine Messe im September 2018 in Thessaloniki.© imago-images / Giannis Papanikos
"Es ist eine Investition, die unser Vertrauen in die griechische Wirtschaft, unser Vertrauen in das griechische Volk und unser Vertrauen in die griechische Regierung widerspiegelt."
Damit bekomme Griechenland ein neues Ökosystem für Softwareentwickler, so Smith.

Eine deutsche Firma bietet neue Jobs

Zurück nach Ioannnina zu Teamviewer: Ministerpräsident Mitsotakis lässt sich durch das dortige Großraumbüro führen und bleibt am Arbeitsplatz von Athanasios Musiulis stehen. Der junge Mann deutet auf seinen Bildschirm und erklärt, an was er gerade arbeitet.
Auch Musiulis gehört zu denen, die nach Jahren im Ausland nach Griechenland zurückgekommen sind. 2015 ist er nach Großbritannien gegangen, um seinen Master zu machen. Anschließend hat er dort als Softwareentwickler gearbeitet. Doch dann hat Teamviewer seinen Standort in Griechenland aufgemacht.
"Als ich gehört habe, dass Teamviewer nach Ioannina kommt, dachte ich: 'Wirklich?' Das war eine wirklich schöne Überraschung!"

Wer das Land verlassen hat, soll wiederkommen

Musiulis hat sich beworben und direkt einen Job bekommen. Genau das ist es, was sich die griechische Regierung von den ausländischen Firmen erhofft:
"Ich erwarte von den Unternehmen, dass sie Arbeitsplätze schaffen. Wir haben immer noch eine hohe Arbeitslosigkeit in Griechenland.
Viele Griechen haben leider während der Krise das Land verlassen. Ich will, dass sie zurückkommen. Aber damit sie das tun, brauchen wir Jobs."
Dass sich Teamviewer nun aber ausgerechnet in Ioannina niedergelassen hat, hat nicht nur Softwareentwickler Musiulis überrascht. Denn die Investitionsstandorte der großen Konzerne wie Microsoft und Pfizer konzentrieren sich vor allem auf die großen Metropolen Athen und Thessaloniki.

Hightech statt Feta-Käse

Ioannina, die Hauptstadt der Region Epirus, liegt im Nordwesten Griechenlands. Mitten in den Bergen etwa drei Autostunden von Thessaloniki entfernt und ist bislang vor allem bekannt für ihre unberührte Natur und ihre Milchprodukte, wie beispielsweise Feta-Käse.
Auch für Philipp Deutscher, Leiter der griechischen Niederlassung von Teamviewer, lag Ioannina jedenfalls als Tech-Standort zunächst nicht unbedingt auf der Hand.
"Wir haben uns mehrere Locations im europäischen Ausland angeschaut und dann irgendwann war natürlich die Frage Ioannina, wo ist das? Macht das Sinn? Also Flughafen ja, aber Thessaloniki, Athen weit weg.
Und je mehr wir hier mit den Leuten gesprochen haben, umso mehr haben wir gemerkt, das macht Sinn, da ist Potenzial da."

"Hier sind motivierte, innovative Leute"

Ein entscheidender Faktor den Standort hierherzulegen, sei die Nähe zu den vier Universitäten im Einzugsgebiet der Stadt, sagt Oliver Steil, Vorstandsvorsitzender des Unternehmens. Denn in Deutschland sei es schwer, Programmiererinnen und Programmierer zu finden.
"Da ist sehr viel Wettbewerb für Talente, für insbesondere natürlich auch Softwareingenieure. Also haben wir gesagt, irgendwo sollten wir mal schauen, dass wir andere Standorte finden, wo wir nah an Universitäten sind.
So haben wir ein bisschen unterschiedliche Länder angeschaut, da war dann Griechenland mit auf der Liste und haben dann allerdings gesehen, dass man hier ganz gut landen kann. Hier sind viele Leute, hier sind motivierte Leute, die Leute sind innovativ."
Zwei Männer mit Mundschutz stehen nebeneinander vor einer Werbewand der Firma "Teamviewer".
Der griechische Ministerpräsident Mitsotakis (l.) und Oliver Steil, Vorstandsvorsitzender von "Teamviewer", verfolgen gemeinsame Ziele. © Teamviewer
Für Unternehmen aus Ländern wie Deutschland, in denen in einigen Bereichen chronischer Fachkräftemangel herrscht, hat Ioannina damit einen klaren Standortvorteil. Dazu kommt, die Löhne sind hier deutlich niedriger als in der Bundesrepublik.

Ioannina ist eine junge Stadt

Nicht nur Teamviewer, sondern auch P&I ein Software-Unternehmen aus Wiesbaden hat sich mittlerweile in Ioannina angesiedelt. Außerdem hätten sich bereits weitere Unternehmen bei den beiden Firmen nach den Bedingungen und bisherigen Erfahrungen in Griechenland erkundigt.
Dass Ioannina eine Universitätsstadt ist, spürt man deutlich, wenn man abends durch die Innenstadt schlendert. Die diversen Bars und Restaurants sind voll mit jungen Leuten. Gut 110.000 Einwohner leben hier, davon über 20.000 Studierende.
Stavros Nikolopoulos ist Professor am Lehrstuhl für Informatik an der Universität von Ioannina. Einige seiner ehemaligen Studenten sind mittlerweile auch bei den deutschen Unternehmen Teamviewer und P&I untergekommen. Beide Firmen stehen zudem in engem Austausch mit der Universität.
"Das hat in den letzten Jahren zur Gestaltung der Lehrpläne beigetragen. Nicht zu hundert Prozent, aber inzwischen berücksichtigen die Fachbereiche bei der Gestatung der Lehrpläne und bei der Planung die Ansprüche des Arbeitsmarktes. Und das Ziel ist, dass unsere Absolventen eingestellt werden. Das haben wir geschafft."

Weniger Uniabsolventen wandern ab

Es gehe darum, einen Kompromiss zu finden zwischen den Ansprüchen der Privatwirtschaft und denen der rein wissenschaftlichen Lehre an der Universität.
Und bislang würden alle in der Region von diesem Kompromiss profitieren. Das zeige sich auch daran, dass mittlerweile deutlich weniger Absolventen in die großen Städte oder gar ins Ausland abwanderten.
"In den letzten Jahren bleiben viele gute Wissenschaftler lieber im Raum Ioannina. Es ist sehr wichtig und von starker Symbolik, dass diese beiden deutschen Unternehmen P&I und TeamViewer in unserer Region tätig sind und die besten Studierenden auswählen."
Sowohl P&I als auch Teamviewer wollen in naher Zukunft noch deutlich mehr Leute anstellen: Teamviewer beispielsweise hatte mit 18 Beschäftigten in Ioannina begonnen. Mittlerweile sind es 50. Langfristig sollen hier aber 150 bis 200 Mitarbeitende ansässig werden.

Ein neues Hightech-Zentrum soll entstehen

Doch es gibt ein Problem. In der Stadt fehlen geeignete Büroräume. Deswegen sollen schon bald in unmittelbarer Nähe der Universität ein neuer Tech-Hub entstehen. Ein Gelände, das ganz nach den Bedürfnissen von Unternehmen insbesondere aus dem IT-Bereich konzipiert ist.
"Er wird all die Möglichkeiten bieten, wie schnelles Internet, die ganze technische Infrastruktur, die nötig ist, damit es funktionieren kann", verspricht Moses Elisaf, Bürgermeister von Ioannina. Er hofft, so weitere Tech-Unternehmen hierher locken zu können und damit mehr Jobs zu schaffen. Denn die Arbeitslosenquote in der Region liege bei 25 Prozent.
"Unsere Stadt ist kein Industriestandort und kann auch nicht den Ehrgeiz haben, einer zu werden. Aber sie hat alle Voraussetzungen, um wirklich zu einem Hochtechnologiezentrum zu werden."

Viel Geld für die Digitalisierung

Läuft alles, wie geplant, können sie nächstes Jahr im Juni mit dem Bau beginnen. Finanziert werden soll der neue Tech-Hub über Mittel aus dem Corona-Aufbaufonds der EU. Insgesamt 30,5 Milliarden Euro bekommt Griechenland an Zuschüssen und Krediten.
Knapp ein Viertel davon will die Regierung in die Digitalisierung investieren. So soll zum Beispiel die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung sowie der Ausbau von Glasfasernetzen und 5G-Technologie vorangetrieben werden. Alles Investitionen, die auch Ioannina dringend braucht, sofern die Stadt zu dem werden soll, was sich Bürgermeister Elisaf und viele andere in der Region wünschen:
"Wir haben es das Silicon Valley der Region genannt – natürlich in der entsprechenden Größenordnung und ohne anmaßend sein zu wollen."

Bis zum Silicon Valley ist es noch ein weiter Weg

Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Immerhin findet das Projekt grundsätzlich parteiübergreifend und auch in weiten Teilen der Bevölkerung große Zustimmung.
Allerdings sollte der Schwerpunkt dabei nicht ausschließlich darauf liegen, ausländische Firmen nach Griechenland zu locken, findet Meropi Tzoufi. Die ehemalige stellvertretende Bildungsministerin stammt aus Ioannina und sitzt nun für die Oppositionspartei Syriza im Parlament.
"Wir wünschten uns, dass größeres Gewicht auf neue Unternehmen von jungen Menschen gelegt wird. Wir bestehen darauf, dass mit den Mitteln aus dem EU-Aufbaufonds, junge Menschen und Start-ups gefördert werden müssen."
Auch Dimitris Zaharakis hofft, dass der neue Tech-Hub mehr wird, als nur einfach ein großes Bürogebäude. Der Chef des griechischen IT-Unternehmens Terracom sitzt an seinem Schreibtisch und muss ein wenig schmunzeln, als der Begriff "Silicon Valley" in Verbindung mit Ioannina fällt.
"Um ein 'Silicon Valley' zu schaffen, reicht der Wunsch alleine nicht aus. Man muss bestimmte Dinge tun – selbst für ein kleines Silicon Valley. Was bedeutet das? Man darf nicht nur Immobilien für Unternehmen bereitstellen, sondern muss ein Umfeld für Innovationen schaffen, um hier beim Aufbau von Unternehmen zu helfen."

Griechenland hat eine echte Chance

Dazu gehörten Mentoring-Programme, vielleicht auch eine Rechtsberatung und vor allem Finanzierungsmodelle. Denn um eine Unternehmensidee wirklich umzusetzen zu können, bräuchten Gründer Startkapital.
Für etablierte Firmen wie seine eigene oder Teamviewer, seien diese Dinge zunächst zweitrangig. Am Ende würden aber auch sie von den innovativen Ideen der neuen Unternehmen profitieren. Allerdings ist Zaharakis noch ein wenig skeptisch, ob den großen Ankündigungen der Behörden dieses Mal tatsächlich Taten folgen werden.
"Ich bin schon sehr lange im Geschäft und habe mich schon oft in Gesprächsrunden mit lokalen Behörden und Institutionen wiedergefunden, Initiativen des Bürgermeisters oder des Gouverneurs, aber meistens ist es bei Gesprächen geblieben.
Die Dinge gehen nicht schnell genug und ich denke, dass wir diese Prozesse beschleunigen müssen."
Er würde sich schon freuen, wenn die Unternehmen überall eine schnelle und stabile Internetverbindung hätten. Glasfaser sei hier immer noch die Ausnahme.
Doch von einem ist er überzeugt: Nach vielen Jahren der Krise hat Griechenland nun eine echte Chance auf einen wirtschaftlichen Wandel. Jetzt müssen nur alle Beteiligten diese auch wirklich ergreifen.
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