Tatort Internet

Von Susanne Billig · 23.05.2012
Laut einer Forsa-Umfrage sind vor allem norddeutsche Jugendliche vom Cyber-Mobbing betroffen. Mehr als ein Drittel dort wurde schon einmal über das Internet oder das Handy bedroht oder beleidigt. Wie die Jugendlichen reagieren, hängt laut einer US-Studie stark von ihrem Selbstbild ab.
"Mein Name ist Monika Hirsch-Sprätz und ich leite die Mobbing-Beratung Berlin-Brandenburg. Ein Fall, den wir jetzt vor kurzem hier hatten - nennen wir ihn Manuel. Manuel ist 15 Jahre, ist Schüler eines Gymnasiums und saß abends am Internet und hat eine Hassseite über sich entdeckt. Und auf der Hassseite stand dann auch drauf, Manuel ist ein Bastard und ein Loser und mit seinen Pickeln ist er der Super-Schlampenschreck.

Cyber-Mobbing ist absichtliches Beleidigen, Schikanieren, Bedrohen, Bloßstellen beziehungsweise Verteilen von Unwahrheiten über moderne Kommunikationsmittel. Das können Chaträume sein, das können SMS sein, das kann Video-Bildbotschaft sein, oder es können E-Mails sein. Der Schaden, wenn man jemanden schädigen will, ist enorm groß."

Das Internet - unendliche Weiten. Schön sollte es werden, kommunikativ und sozial. Doch das Netz hat auch eine hässliche Seite, kriminell, übergriffig und verletzend. Vor allem Jugendliche werden zum Opfer anonymer Beschimpfungen. Ein Drittel hat es schon getroffen - Jüngere häufiger als Ältere, Mädchen häufiger als Jungen. Manche tragen ihre Demütigungen zurück ins Netz - in rührender Offenheit.

Die Kommentare unter solchen Videos zeigen, wie angreifbar sich Jugendliche damit machen. "Affe, Zicke, Fettsack" kann unter solchen Geständnissen schon mal stehen. Das tut weh. Die tiefsten Wunden aber reißen systematische Hassattacken.

"Die meisten Schüler leiden unwahrscheinlich unter dieser Situation. Man darf nicht unterschätzen die Schädigung des Selbstwertgefühles, das über Jahre anhält. Es gibt eine Studie von Hirnforschern in der USA, die belegt, dass der Stress des Mobbings dazu führt, dass eine Region im Gehirn - nämlich der Hippocampus, der zuständig ist für die Erneuerung der Gehirnzellen - komplett diese Erneuerung einstellt. Dann bedeutet das Leistungsabfall, Konzentrationsschwäche, Depressionen, Panikattacken, Angststörungen - und das ist genau das, was die Schüler erleben."

Die Täter stammen meist aus dem realen Leben - Schule, Sportverein, manchmal sogar die Eltern von Freunden. Bloß nicht selber zurück posten, sagt die Mobbing-Expertin. Wenn, schon, dann sollen die echten Freunde im Netz reagieren. Am besten aber ist:

"Erst mal Beweissicherung, Screenshot, Foto, Kopien machen. Das Ganze dann an die Eltern herantragen oder an einen Lehrer oder vertrauensvolle Erwachsene im Umfeld. Und dann gemeinsam besprechen: Was sind weitere Maßnahmen? Geht es in den Straftatbereich - Beleidigung, Bedrohung oder üble Nachrede?

Dann ist angezeigt, sowohl zur Polizei zu gehen, eine Strafanzeigen zu stellen und dann kann letzten Endes auch der Anwalt eingeschaltet werden, aber das ist das letzte Mittel. Wichtig ist erstmal, dass der Schüler reagiert und sich nicht zurückzieht, nicht leidet und denkt, er muss das alleine ausmachen."

Verleumdung steht unter Strafe. Kommt es zur Anzeige, kann die Polizei fast immer den Täter ermitteln. Mobbing-Beratungsstellen stehen den Betroffenen online wie offline beiseite. Dabei arbeiten sie zunehmend auch mit jugendlichen "Scouts" zusammen. Die treffen den Ton der Gleichaltrigen und verstehen ihre Gefühle.

So sehr das Internet zum modernen Leben gehört - manchmal hilft eine selbstbewusste Pause, auch das raten Experten. Nach dem Motto: Stell dir vor, jemand mobbt dich - und du guckst einfach nicht hin.