Tatkraft, List und Skrupellosigkeit
Wer sich für die Geschichte der Merowinger und für die Anfänge Europas interessiert, dem sei diese informative Darstellung empfohlen, die den Aufstieg der ersten fränkischen Königsdynastie und das Ende der Spätantike beleuchtet.
Ausgehend von einer gründlichen Analyse des aktuellen Forschungsstandes stellt Matthias Becher das Auftauchen der Franken aus dem Dunkel der Geschichte, das Überleben im Grenzgebiet des Römischen Reiches und schließlich den Aufstieg zur beherrschenden Macht Mitteleuropas unter König Chlodwig dar. Mit dem Merowinger Chlodwig I. beginnt sowohl das Mittelalter als auch Europa, weil er das erste europäische Großreich katholischen Glaubens begründet, aus dem später Frankreich und Deutschland hervorgehen werden. Das Zusammentreffen einer so großen historischen Bedeutung mit so wenig gesicherten Fakten ist natürlich der ideale Nährboden für Legenden und ideologische Vereinnahmungen.
Matthias Becher entgeht sowohl der Gefahr, dem anheimelnden Raunen der Mutmaßungen zu erliegen, als auch einer vermeintlichen Wissenschaftlichkeit zu folgen, die uns beständig erklärt, dass wir im Grunde nichts wissen können, weil sie jede Quelle als unglaubwürdig diffamiert. Becher nutzt archäologische Befunde und die Analyse von Quellen, die auf den ersten Blick etwas weit hergeholt wirken könnten, um den Wahrheitsgehalt der überlieferten Erzählungen und Chroniken zur Frankengeschichte einzuschätzen. Im Zentrum seiner Auseinandersetzung steht naturgemäß die wichtigste Quelle zur fränkischen Geschichte, die Chronik des frühmittelalterlichen Bischofs Gregor von Tours.
Bechers Buch beginnt nach einer Übersicht über die verfügbaren Quellen mit der Ankunft der Franken in der bewegten Geschichte Germaniens und Galliens in spätrömischer Zeit, als sich an den Grenzen des Imperium Romanum Herrschaftsstrukturen wie das Königtum und große Stammesverbände wie die Franken, die Burgunder, die Alemannen bei den Germanen herausbilden.
In einem der fränkischen Kleinkönigtümer kommen im 5. Jahrhundert die Merowinger an die Macht. Aber eine Dynastie aufzubauen, ist im frühen Mittelalter keine Selbstverständlichkeit. Der Übergang der Herrschaft vom verstorbenen Vater auf den Sohn stellt eine gefährliche Zeit dar, denn der junge König muss von den Großen des Reiches akzeptiert werden. Er kann Loyalität nicht einfach einfordern, sondern er ist darauf angewiesen, dass sie ihm freiwillig entgegengebracht wird.
Matthias Becher berichtet von klugen Schachzügen, von Tatkraft, List, Skrupellosigkeit, Instinkt und Wissen, die Chlodwig zum Begründer des Frankenreichs und dadurch Europas machen. Mit Sachkenntnis und Freude an der Darstellung schildert der Autor Chlodwigs legendäre Taufe, den Übertritt des gekrönten Heiden zum Katholizismus. Es gehört zu den Vorzügen des Buches, dass sich der Autor nicht von der enormen Symbolträchtigkeit dieses Ereignisses den Blick trüben lässt. Es gelingt ihm, aus der Analyse der Quellen die Erzählung der Geschichte hervorgehen zu lassen.
Wer sich für die Geschichte der Merowinger und für die Anfänge Europas interessiert, dem sei diese informative Darstellung empfohlen, die den Aufstieg der ersten fränkischen Königsdynastie und das Ende der Spätantike beleuchtet. Die Biografie Chlodwigs erzählt Matthias Becher indes nicht, denn die Hauptfigur betritt erst in der Mitte des Buches die Bühne.
Ein lesenwerter Beitrag zum Todestag Chlodwigs I., der sich am 27. September zum 1500. Mal jährt, ist das Buch von Matthias Becher dennoch.
Besprochen von Klaus-Rüdiger Mai
Matthias Becher: Chlodwig I. Der Aufstieg der Merowinger und das Ende der antiken Welt
C.H. Beck, München 2011
336 Seiten, 24,95 Euro
Matthias Becher entgeht sowohl der Gefahr, dem anheimelnden Raunen der Mutmaßungen zu erliegen, als auch einer vermeintlichen Wissenschaftlichkeit zu folgen, die uns beständig erklärt, dass wir im Grunde nichts wissen können, weil sie jede Quelle als unglaubwürdig diffamiert. Becher nutzt archäologische Befunde und die Analyse von Quellen, die auf den ersten Blick etwas weit hergeholt wirken könnten, um den Wahrheitsgehalt der überlieferten Erzählungen und Chroniken zur Frankengeschichte einzuschätzen. Im Zentrum seiner Auseinandersetzung steht naturgemäß die wichtigste Quelle zur fränkischen Geschichte, die Chronik des frühmittelalterlichen Bischofs Gregor von Tours.
Bechers Buch beginnt nach einer Übersicht über die verfügbaren Quellen mit der Ankunft der Franken in der bewegten Geschichte Germaniens und Galliens in spätrömischer Zeit, als sich an den Grenzen des Imperium Romanum Herrschaftsstrukturen wie das Königtum und große Stammesverbände wie die Franken, die Burgunder, die Alemannen bei den Germanen herausbilden.
In einem der fränkischen Kleinkönigtümer kommen im 5. Jahrhundert die Merowinger an die Macht. Aber eine Dynastie aufzubauen, ist im frühen Mittelalter keine Selbstverständlichkeit. Der Übergang der Herrschaft vom verstorbenen Vater auf den Sohn stellt eine gefährliche Zeit dar, denn der junge König muss von den Großen des Reiches akzeptiert werden. Er kann Loyalität nicht einfach einfordern, sondern er ist darauf angewiesen, dass sie ihm freiwillig entgegengebracht wird.
Matthias Becher berichtet von klugen Schachzügen, von Tatkraft, List, Skrupellosigkeit, Instinkt und Wissen, die Chlodwig zum Begründer des Frankenreichs und dadurch Europas machen. Mit Sachkenntnis und Freude an der Darstellung schildert der Autor Chlodwigs legendäre Taufe, den Übertritt des gekrönten Heiden zum Katholizismus. Es gehört zu den Vorzügen des Buches, dass sich der Autor nicht von der enormen Symbolträchtigkeit dieses Ereignisses den Blick trüben lässt. Es gelingt ihm, aus der Analyse der Quellen die Erzählung der Geschichte hervorgehen zu lassen.
Wer sich für die Geschichte der Merowinger und für die Anfänge Europas interessiert, dem sei diese informative Darstellung empfohlen, die den Aufstieg der ersten fränkischen Königsdynastie und das Ende der Spätantike beleuchtet. Die Biografie Chlodwigs erzählt Matthias Becher indes nicht, denn die Hauptfigur betritt erst in der Mitte des Buches die Bühne.
Ein lesenwerter Beitrag zum Todestag Chlodwigs I., der sich am 27. September zum 1500. Mal jährt, ist das Buch von Matthias Becher dennoch.
Besprochen von Klaus-Rüdiger Mai
Matthias Becher: Chlodwig I. Der Aufstieg der Merowinger und das Ende der antiken Welt
C.H. Beck, München 2011
336 Seiten, 24,95 Euro