"Tat Ort Museum"

Von Ulrike Gondorf |
Das Wallraf-Richartz-Museum feiert 150 Geburtstag feiert mit einer Sonderausstellung unter dem etwas rätselhaften, aber vermutlich werbewirksamen Titel "Tat Ort Museum". Die Ausstellung will einen Blick hinter die Kulissen gewähren.
Der Tatort Museum scheint Schauplatz eines Überfalls zu sein. Oder nur einer allzu leidenschaftlichen Spurensuche? Auf dem Bild, das das Publikum empfängt und als Plakatmotiv überall für die Jubiläumsausstellung des Wallraf-Richartz-Museums wirbt, sieht man einen Mann, der mit dem Kopf durch eine aufgespannte Malerleinwand gebrochen ist. Hat man ihm die Kunst über den Schädel gehauen oder hat er sich so sehr ins Bild vertieft, dass er sich hindurchgeschaut hat und nun unversehens auf der leeren Rückseite auftaucht – Auge in Auge mit dem Betrachter?

Wer das Bild als eine Einladung zum Hinterfragen versteht und zu einem Blick auf die sonst verborgenen Seiten des Kunstbetriebs, der dürfte am ehesten richtig liegen. Denn die Jubiläumsschau ist eine didaktische Ausstellung, eine Art Gebrauchsanweisung für das Museum.

"Die Ausstellung zeigt die Täter des Museums am Ort, und zwar alle. Die Dinge, die sich hinter den Kulissen befinden, probieren wir mal nach außen zu krempeln."

"Tat Ort Museum" thematisiert die ganz unterschiedlichen Arbeitsschritte und Tätigkeiten, die nötig sind, um den Besuchern Dauerpräsentation und Sonderausstellungen vorzuführen: von der Hängung bis zur Beleuchtung und zur Klimaanlage, von der Inventarisierung über die Restaurierung bis zum Leihverkehr. Anschauungsmaterial sind ausgewählte Bilder der Sammlung vom Mittelalter bis zum frühen 20. Jahrhundert; Dokumente, Arbeitsmaterialien, Fotografien und Videos, die in die Ausstellung hinein holen, was in Labors und auf Transporten passiert oder in der Projektarbeit der Schülergruppe, die einen Raum der Schau mitgestaltet hat.

Direktor Dr. Andreas Blühm hat in den bislang fünf Jahren seiner Amtszeit einen besonderen Akzent auf die didaktische Arbeit gelegt: Eine wunderkammerartige Ausstellung zum Thema Mond mit Gemälden, alten Büchern und astronomischen Instrumenten, eine speziell auf Kinder zugeschnittene Tierschau, eine Impressionismus-Ausstellung, die Maltechniken und Materialien in den Vordergrund stellte gab es in Köln. Beim breiten Publikum findet das Anklang, bei den Kritikern oder den tatsächlichen oder selbst ernannten Kunstexperten unter den Besuchern nicht immer. Blühm hält unbeirrt an diesem markanten roten Faden fest. Dass gerade die Jubiläumsschau einen museumspädagogischen Schwerpunkt hat, scheint da nur folgerichtig.

"Wir schreiben Vermittlung groß, was bedeutet, dass man auf dem Gebiet der Vermittlung noch einen Nachholbedarf hat. Daran arbeiten wir, und deshalb fällt das doppelt auf. Das sollte überall so sein."

Gerade die 150-jährige Geschichte des Wallraf-Richartz-Museums liefert ihm gute Argumente. Es ist eines der traditionsreichen Bürgermuseen, von Stiftern ausgestattet und eingerichtet, deren Anliegen es war, die Kunst sichtbar und für jedermann zugänglich zu machen. Der kostbare Grundstock des Hauses ist die Sammlung des Universitätsrektors Ferdinand Franz Wallraf, für die 1861 der Kölner Kaufmann Johann Heinrich Richartz das erste Museumsgebäude errichten ließ. Mit den Impressionisten der Fondation Corboud kam 2001 eine besonders umfangreiche Stiftung hinzu, aber auch Einzelvermächtnisse, Dauerleihgaben oder Geschenke bereichern das Museum bis heute kontinuierlich.

"Das ist nicht einfach, grad bei den alten Meistern, die werden immer knapper und immer teurer. Aber es gibt Dinge zu entdecken, die galeriewürdig sind. Wir haben dank Förderern, der Stadt und der privaten, noch einiges anschaffen können, das wird so weiter gehen."

Im ersten Saal der Ausstellung sind die Neuerwerbungen des letzten Jahrzehnts zusammengestellt, eine beeindruckende Reihe mit großen Namen von Fragonard über Monet bis Max Beckmann. Daran schließen sich spannende Einblicke in die Konservierung und Restaurierung an: ein Bild von Murillo mit einer alten Frau und einem Jungen ist gerade in Arbeit und macht die unterschiedlichen Schritte anschaulich, eine Dokumentation von Röntgen- und Infrarotaufnahmen, die zeigen, was manchmal noch alles unter der fertigen Oberfläche eines Gemäldes liegt, gibt eine Einblick in die spannende Spurensuche der Restauratoren. Der Besucher erfährt viel und unterhält sich dabei glänzend. Der Jubiläumsausstellung dürfte gelingen, was Andreas Blühm als Hauptziel der Arbeit im Wallraf-Richartz-Museum formuliert: die Entdeckung des Sehens.

"Wichtiger als die Zahl ist mir die Verweildauer. Rauschen die Leute durch eine Ausstellung, weil der Name attraktiv ist, haben die etwas mitbekommen, gehen die in die ständige Sammlung, setzen sich hin, kommen sie öfter? Öfter und länger ist mir wichtiger als die Zahl."

Trotz der knappen finanziellen Situation, trotz des dringend benötigten, aber immer noch nicht konkret geplanten Erweiterungsbaus sieht der Direktor über die Wegmarke des 150jährigen Bestehens hinaus optimistisch in die Zukunft.

"Ich glaub, dass ein Museum sich in seiner Funktionsweise wandeln muss, in seiner Stärke immer gleich bleibt. Bei all den vielen Angeboten sind wir nur eines, aber immer unverwechselbar, dieses Bild gibt es nur hier zu sehen. Bei aller Virtualität führt der Weg letztlich immer zum Original zurück."