Tarnkappe für Zwerge

Von Arndt Reuning |
Tarnkappen sind nicht nur etwas für Sagen und Märchen, sondern auch ein Thema für gestandene Physiker. Schließlich hätte nicht nur das Militär Verwendung für Mechanismen, die Objekte unsichtbar machen. In den USA hat jetzt eine Physikergruppe an der Universität von Maryland eine Oberfläche entwickelt, die Objekte im sichtbaren, grünen Licht verschwinden lässt.
Christopher Davis von der Universität von Maryland in College Park hat sich auch schon einmal gewünscht, unsichtbar zu werden.

"Aber natürlich! Ich denke, jeder hat schon einmal den Wunsch verspürt, unsichtbar werden zu können – oder auch fliegen zu können. Wissenschaftler reden von Zeitreisen, von Unsichtbarkeit, von Schwerelosigkeit. Und einige dieser Ideen werden irgendwann verwirklicht."

Ganz so weit ist es aber noch nicht. Christopher Davis hat zwar eine Tarnkappe erfunden, aber sie funktioniert nur in einer zweidimensionalen Welt und sie ist gerade einmal nur ein hundertstel Millimeter groß. Natürlich macht es nicht viel Sinn, einen Gegenstand verbergen zu wollen, der mit bloßem Auge kaum zu erkennen ist. Aber den Wissenschaftlern aus Maryland ging es zunächst darum, prinzipiell zu beweisen, dass ihr Konzept funktioniert. Und dieses Konzept haben sie sich bei David Copperfield und anderen Illusionskünstlern abgeschaut. Davis:

"Das ist fast wie der alte Zaubertrick. Eine Bühne mit der entsprechenden Beleuchtung und einer Reihe von Spiegeln - die so platziert sind, dass sie das Licht vom hinteren Teil der Bühne um einen Menschen herum leiten. Die Zuschauer sehen also, was sich hinter der Person verbirgt. Und damit wird die Person quasi unsichtbar."

Auch Christopher Davis lässt Objekte scheinbar verschwinden, indem er das Licht von hinten um einen Gegenstand herum fließen lässt. So wie Wasser einen Stein umspült. Allerdings benutzt er dazu keine Spiegel, sondern winzig kleine Plastikringe aus Acrylglas, die zueinander konzentrisch angeordnet auf einer hauchdünnen Schicht aus Gold liegen. Von oben durch ein Mikroskop betrachtet ähnelt das Gebilde einem mehrspurigen Kreisverkehr. Ein Objekt im Innern, auf der Verkehrsinsel sozusagen, machen die Acrylringe unsichtbar. Denn wenn nun ein Lichtstrahl von der Seite her unter einem bestimmten Winkel auf das Gold fällt, wird er vom dem Metall förmlich geschluckt. Er ist dann in der Goldschicht, in dieser zweidimensionalen Welt, gefangen. Davis:

"”Das Licht wandert dann in der Goldschicht weiter. Wenn es auf die Kunststoffringe trifft, wird es von ihnen um das Zentrum herum geleitet. Das Zentrum ist ja jener Ort, den wir unsichtbar machen wollen. Jenseits davon, auf der anderen Seite, kommt das Licht dann wieder zum Vorschein und läuft in der Goldschicht weiter. Für einen Beobachter scheint es so, als habe es sich geradewegs durch das Zentrum hindurch bewegt. Aber in Wirklichkeit sieht der Beobachter bloß, was sich hinter dem Objekt in der Mitte verbirgt.""

Neben den Physikern aus Maryland gibt es noch weitere Forschergruppen, die sich mit solchen Tarnkappen beschäftigen. Deren Modelle konnten bisher aber nur Objekte für Mikrowellen zum Verschwinden bringen, nicht für sichtbares Licht. Die Tarnkappe von Christopher Davis hingegen funktioniert mit grünem Laserlicht. Und basiert auf einem etwas anderen Prinzip als herkömmliche Versionen: Wenn das Licht auf die dünne Goldschicht trifft, dann ist das etwa so, als würde ein Stein in ein Wasserbecken fallen: es entstehen Wellen, Oberflächenwellen aus geladenen Teilchen, auch Plasmonen genannt. Mit ihnen zusammen wandert dann das Licht auf der Goldschicht entlang und kann von den Kunststoffringen abgelenkt werden. Davis:

"”Diese Plasmonen kennt man schon seit Jahrzehnten. Aber niemand hat sich um sie gekümmert. Seit ungefähr zehn Jahren jedoch sind wir durch neue technologische Entwicklungen in der Lage, sie zu beobachten und sie zu manipulieren. Viele Anwendungen sind bereits auf dem Weg - nicht nur Tarnkappen. Bereits heute kann man schon chemische und biologische Sensoren kaufen, die diese Plasmonen ausnutzen. Wir selbst haben ein neuartiges Mikroskop entwickelt, das mit Plasmonen funktioniert. Damit kann man sehr kleine Objekte sichtbar machen.""

Oder eben auch unsichtbar. Womit sich der Kreis dann irgendwie wieder schließt.