"Tarifpolitischer Eiertanz"

Moderation: Jörg Degenhardt |
Der Vorsitzende der Gewerkschaft GDBA, Klaus-Dieter Hommel, hat den Vorstand der Lokführergewerkschaft GDL erneut scharf kritisiert. Er führe einen "tarifpolitischen Eiertanz" auf und habe offensichtlich kein Konzept. Die GDL behindere durch ihren Tarifkonflikt die Verhandlungen der anderen Bahngewerkschaften mit der Deutschen Bahn, sagte Hommel.
Degenhardt: Keine Streiks bis nächsten Montag – im Tarifkonflikt mit der Bahn demonstrieren die Lokführer Verhandlungsbereitschaft. Gleichzeitig hat GDL-Chef Schell das neue Angebot der anderen Seite als "reine Mogelpackung" eingestuft. Wieder bietet die Bahn der GDL keinen eigenständigen Tarifvertrag, die zentrale Forderung der Lokführer. Auch die Entgelterhöhung von 13 Prozent sei eine Täuschung, monierte Schell. Dennoch wolle sich die GDL auf Verhandlungen einlassen, man wolle nicht als stur gelten. Neben der GDL gibt es noch die beiden anderen Arbeitnehmervertretungen, die Transnet und die Verkehrsgewerkschaft GDBA, alle unter dem Dach des Beamtenbundes organisiert, vertreten sie im aktuellen Tarifkonflikt aber gegensätzliche Positionen. Ich begrüße am Telefon den Vorsitzenden der GDBA Klaus-Dieter Hommel. Guten Morgen!

Klaus-Dieter Hommel: Ja, schönen guten Morgen!

Degenhardt: Stehen im aktuellen Tarifstreit die Zeichen schon auf Entwarnung oder ist es noch zu früh, die Friedenspfeifen auszupacken?

Hommel: Das Verhalten unserer Kollegen der GDL wird uns immer unübersichtlicher. Wir können nur feststellen, die Kollegen machen derzeit einen tarifpolitischen Eiertanz. Man weiß nicht mehr, was sie wollen. Offensichtlich haben sie kein Konzept, und der Vorstand kann die Basis nicht hinter sich bringen. Anders kann ich mir dieses Verhalten, was wir im Augenblick wiederum zur Kenntnis nehmen müssen, nicht erklären.

Degenhardt: Das heißt, Sie sind richtig sauer auf die Lokführer der GDL, die ihren Kurs konsequent durchziehen und ja gewissermaßen auf die Solidarität der Kollegen pfeifen?

Hommel: Ich bin nicht sauer, ich bin enttäuscht, weil wir hätten schon viel weiter sein können in dieser Auseinandersetzung, wenn die Kollegen hier früher an den Verhandlungstisch gekommen wären. Der Kurs des Vorstandes, und ich sag das ganz deutlich, nicht der Lokführer des Vorstandes der GDL, hat uns nur behindert zu einem vernünftigen Abschluss mit der Bahn zu kommen im Hinblick auf ein neues Entgeltsystem.

Degenhardt: Und damit komme ich noch mal zurück auf meine Eingangsfrage. Die Führungsspitze der GDL will ja offensichtlich Verhandlungsbereitschaft demonstrieren. Also noch mal die Frage: Ist das Schwerste schon geschafft, das heißt, stehen die Zeichen schon auf Entwarnung?

Hommel: Das Schwerste wäre dann geschafft, wenn die Kollegen akzeptieren, dass es ein Moderatorenergebnis gibt. Dieses Moderatorenergebnis legt ganz deutlich klar, dass die GDL einen eigenständigen Tarifvertrag bekommen kann, der sich allerdings in das Gesamttarifwerk der Bahn einfügen muss. Das haben wir alle gemeinsam vereinbart. Das steht im Augenblick in dem Angebot, und deshalb kann ich nicht verstehen, dass jetzt wiederum ein Zwischenstepp gemacht wird und versucht wird, den Konflikt in die Länge zu ziehen.

Degenhardt: Verhandelt wird ja erst nächsten Montag. Rechnen Sie denn bis dahin mit neuen, besseren Angeboten von Mehdorn, Suckale und Co?

Hommel: Ja, verhandelt wird nicht nächsten Montag, verhandelt wird heute mit der Tarifgemeinschaft aus GDBA und Transnet. Wir haben Druck auf den Bahnvorstand gemacht. Wir werden heute Vormittag die Verhandlungen weiterführen und hoffen, dass die Bahn uns deutliche Signale gibt, wie wir ein neues Entgeltsystem gestalten können, und zwar nicht nur für die Lokomotivführer, sondern für 125.000 Eisenbahner. Und genau diese Verhandlungen wären für die GDL auch der Schlüssel, den Tarifkonflikt zu lösen, wenn man bereit ist zu akzeptieren, dass auf der einen Seite ein eigenständiger Tarifvertrag existieren kann, auf der anderen Seite eine Lösung für eine Berufsgruppe nicht gegen alle anderen Berufsgruppen durchsetzbar ist.

Degenhardt: Herr Hommel, was ist eigentlich, wenn die GDL-Lokführer höhere Entgelte erreichen? 13 Prozent sind ja jetzt im Gespräch. Also wenn diese Entgelte erreicht und durchgesetzt werden, wollen Sie dann für Ihre Kollege auch nachverhandeln?

Hommel: Wir müssen überhaupt nicht nachverhandeln. Das wird immer etwas unklar in der Öffentlichkeit. Wir haben auf der einen Seite einen Entgeltabschluss, den Sie kennen, 4,5 Prozent. Und wir befinden uns seit mehr als einem Jahr in Verhandlungen mit der Bahn über eine neue Struktur. Wir haben bereits vor der Entgeltrente deutlich gemacht, dass wir in dieser neuen Struktur mit deutlichen Einkommensverbesserungen rechnen, dass wir sie fordern. Deshalb hat die Bahn versucht, uns auszutricksen, die Einkommensrunde mit den Strukturverhandlungen zu verbinden. Dies haben wir abgelehnt, haben die Einkommensrunde abgeschlossen und verhandeln jetzt in der Struktur weiter, und dort erwarte ich für die Beschäftigten, natürlich nicht auf einen Schritt, sondern sicherlich in einem Stufenplan, Einkommenssteigerungen, die zwischen 10 und 20 Prozent am Ende liegen.

Degenhardt: Das heißt, wenn der eine Streik verhindert wird bei den GDLern, dann könnte sich bei Ihnen eine neue Front im Arbeitskampf auftun, wenn Ihre Forderungen nicht von der anderen Seite akzeptiert werden?

Hommel: Ich bin da etwas gelassener als die Kollegen der GDL. Ich rede erst dann von Streik, wenn es soweit ist. Im Augenblick verhandeln wir. Wir sind nach der letzten Verhandlungsrunde bereits ein Stück weiter. Die Bahn hatte ihre starre Haltung aufgegeben, ein kostenneutrales Entgeltsystem mit uns zu vereinbaren. Darüber sind wir hinweg, und wir erwarten heute und in den nächsten Tagen, dass es weitergeht. Die Kolleginnen und Kollegen der GDBA sind in der Tat stinksauer, weil die Verhandlungen gestockt oder ins Stoppen gekommen sind, insbesondere dadurch, dass die GDL hier alles blockiert hat. Wir wollen weiterkommen, wir wollen bereits erste Ergebnisse für die Kollegen im nächsten Jahr.

Degenhardt: Herr Hommel, lassen Sie mich noch ganz kurz eine andere Frage ansprechen. Ver.di-Chef Bsirske will als Konsequenz aus dem aktuellen Tarifstreit die Anliegen einzelner Berufsgruppen künftig stärker berücksichtigen. Ist das nicht das Eingeständnis, dass man hier in der Vergangenheit Fehler gemacht hat?

Hommel: Mit Sicherheit muss man darüber nachdenken, und das ist auch für uns ein Thema, inwieweit bestimmte Berufsgruppen in einem Bezahlungssystem richtig eingruppiert sind. Wir haben allerdings bei der Bahn die Situation, dass knapp 100 verschiedene Tätigkeitsgruppen an einem Gesamtgebilde arbeiten. Dort zu differenzieren, ist nicht leicht. Wir haben das bereits schon vor zwei Jahren erkannt. Wir haben ein Entgeltsystem, das jetzt mehr als zehn Jahre alt ist. Dieses zu renovieren, bedeutet für uns, genau auf die spezifischen Interessen der einzelnen Kolleginnen und Kollegen einzugehen, ohne dabei sicherzustellen, dass die Solidarität es möglich macht, auch Forderungen in Tarifverhandlungen am Ende gemeinsam durchzusetzen.

Degenhardt: Sagt Klaus-Dieter Hommel, der Vorsitzende der Verkehrsgewerkschaft GDBA, hier im Programm von Deutschlandradio Kultur. Vielen Dank, Herr Hommel, für das Gespräch!

Hommel: Bitte schön!