Tarifpolitik in der Rezession
So munter sind die Gewerkschaften schon lange nicht mehr in eine Rezession gezogen. Während in den Autofabriken die Bänder still stehen und Chemiekonzerne in großem Stil Kurzarbeit ausrufen, während selbst Vorzeigebranchen wie der Maschinenbau dramatische Auftragseinbrüche vermeldet und die Arbeitslosenzahlen sprunghaft in die Höhe schnellen; während also die Wirtschaft in die größte Krise seit Jahrzehnten taumelt, entrollen die Gewerkschaften die roten Fahnen und ziehen frohgemut in den Arbeitskampf.
Ob Flugbegleiter oder Bahnpersonal, ob Klinikärzte oder Landesbedienstete – allerorten rüsten die Gewerkschaften zum Großkonflikt. Denn die Arbeitgeber wollen partout nicht einsehen, dass die Rezession der richtige Zeitpunkt für saftige Lohn- und Gehaltserhöhungen ist.
Man muss die Forderungen nur kurz in Erinnerung rufen. Das Flugpersonal bei der Lufthansa fordert 15 Prozent, die Bahngewerkschaften zehn, die Klinikärzte neun. Bei der Telekom sind 8,5 Prozent aufgerufen, bei den Ländern 8. Mit 6,5 Prozent bleiben allein die Lokführer etwas unter den Erwartungen und lassen sich selbst von den Malern und Lackierern mit 7,2 Prozent noch überrunden. Ach ja, auf dem letzten Rang liegen derzeit leicht abgeschlagen die Textilarbeiter. Aber auch die zeigen mit 5,5 Prozent keine übertriebene Angst vor der Krise.
So unterschiedlich die Gemengelage in den einzelnen Tarifkonflikten ist – sie teilen die große Ungeduld, mit der die Gewerkschaften die Verhandlungen anheizen. So müssen sich Reisende, egal ob auf der Schiene oder in der Luft, in den nächsten Tagen auf verschärfte Warnstreiks einstellen. Auch bei den Ländern und den Kliniken sind die Verhandlungen festgefahren. Und auch dort verkünden Verdi und Co. frohgemut: Wenn wir nicht bald zu Potte kommen, dann ziehen wir andere Saiten auf.
Es scheint geradezu, dass sich der Frust über viele Jahre moderater Lohnanpassungen erst jetzt so richtig Bahn bricht. Dieses Gefühl, lange Zeit zu kurz gekommen zu sein, prägte schon die Tarifrunden der vergangenen beiden Jahre. Und es führte immerhin dazu, dass 2008 die höchsten Lohnzuwächse seit 12 Jahren durch gesetzt wurden. Inzwischen allerdings hat sich die wirtschaftliche Lage entscheidend verändert, was die kampferprobte IG Metall im vergangenen Herbst bereits in Rechnung stellte: Ihr Abschluss für die Metall- und Elektroindustrie fiel deutlich magerer aus.
Von solcher Einsicht sind die Gewerkschaften in der laufenden Tarifrunde aber noch weit entfernt. Von allen Seiten erscheint nun die Parole: Jetzt erst recht. Gerade in der Krise ist es doch besonders wichtig, die Kaufkraft zu stärken. Lehren uns das nicht die Ökonomen, die nun alle vom keynesianischen Geist erfüllt sind. Und geben nicht all die Krisenpakete den Gewerkschaften recht? Egal wo man hinschaut, ob in die USA, nach Europa oder Japan. Überall öffnet der Staat sein Füllhorn, spannt Rettungsschirme auf und schnürt dicke Investitionsprogramme, um die Kräfte des Abschwungs zu zügeln.
Warum also sollen da die Beschäftigten im Abseits stehen, fragen die Gewerkschafter. Wie kann es sein, dass der Staat Milliarden für notleidende Banken springen lässt, und die Beschäftigten im Regen stehen lässt, fragt mit unschuldiger Miene zum Beispiel Beamtenbund-Chef Peter Heesen. Und er suggeriert damit: Wenn der Staat den Bankrotteuren das Geld in den Rachen wirft, dann kann er es den hart arbeitenden Menschen schlecht verwehren.
Klingt einleuchtend, ist aber dennoch grundfalsch. Egal, was man von den Konjunkturpaketen der Regierung halten mag: Sie dienen kaum dazu, maroden Bankern ihre Villen auf den Kayman-Inseln zu finanzieren. Ganz im Gegenteil geht es ja gerade darum, jenen Menschen zu helfen, deren Jobs nun in Gefahr sind. Das Gerechtigkeitsargument also zieht nicht. Es ist ja vielmehr so: Der Staat kann das Geld schlecht zweimal ausgeben. Und weil in der Krise die Einnahmen nun mal schwächer sprudeln, sind die Ressourcen begrenzt. Deshalb müssen die Konjunkturpakete sorgsam geschnürt werden: Nicht alles, was zu höheren Ausgaben führt, ist schon ein geeignetes Krisenrezept.
Gerade die Lohnpolitik zählt nicht dazu. Sie sollte dazu dienen, den Beschäftigten einen fairen Anteil am wirtschaftlichen Erfolg zu sichern. Bleibt dieser Erfolg aus, so kann die Devise schlecht lauten: Jetzt muss die Lohntüte besonders üppig gefüllt werden. An dieser schlichten Logik kommen auch die Gewerkschaften nicht vorbei. Wenn weniger erwirtschaftet wird, kann nicht besonders viel verteilt werden.
Diese Krise hat eine Kraft, die noch schwer abzuschätzen ist. Die Gewerkschaften sollten nicht so tun, als könnten sie darüber hinweg gehen. Sie haben in den vergangenen Jahren eine sehr maßvollen Kurs verfolgt. Gerade deshalb ist es schwer verständlich, wenn sie jetzt den Bogen überspannen. Ein Blick auf die dramatisch steigenden Arbeitslosenzahlen sind ein deutliches Warnsignal. Wenn die Schlangen vor den Arbeitsagenturen länger werden, dann könnte sich der öffentliche Wind schnell drehen. Dann könnte die Sympathie für zweistellige Lohnforderungen schnell schrumpfen. Die Gewerkschaften sollten ihre Kräfte daher nicht überschätzen. Wer zuviel verspricht, kann am Ende nur als Verlierer da stehen.
Man muss die Forderungen nur kurz in Erinnerung rufen. Das Flugpersonal bei der Lufthansa fordert 15 Prozent, die Bahngewerkschaften zehn, die Klinikärzte neun. Bei der Telekom sind 8,5 Prozent aufgerufen, bei den Ländern 8. Mit 6,5 Prozent bleiben allein die Lokführer etwas unter den Erwartungen und lassen sich selbst von den Malern und Lackierern mit 7,2 Prozent noch überrunden. Ach ja, auf dem letzten Rang liegen derzeit leicht abgeschlagen die Textilarbeiter. Aber auch die zeigen mit 5,5 Prozent keine übertriebene Angst vor der Krise.
So unterschiedlich die Gemengelage in den einzelnen Tarifkonflikten ist – sie teilen die große Ungeduld, mit der die Gewerkschaften die Verhandlungen anheizen. So müssen sich Reisende, egal ob auf der Schiene oder in der Luft, in den nächsten Tagen auf verschärfte Warnstreiks einstellen. Auch bei den Ländern und den Kliniken sind die Verhandlungen festgefahren. Und auch dort verkünden Verdi und Co. frohgemut: Wenn wir nicht bald zu Potte kommen, dann ziehen wir andere Saiten auf.
Es scheint geradezu, dass sich der Frust über viele Jahre moderater Lohnanpassungen erst jetzt so richtig Bahn bricht. Dieses Gefühl, lange Zeit zu kurz gekommen zu sein, prägte schon die Tarifrunden der vergangenen beiden Jahre. Und es führte immerhin dazu, dass 2008 die höchsten Lohnzuwächse seit 12 Jahren durch gesetzt wurden. Inzwischen allerdings hat sich die wirtschaftliche Lage entscheidend verändert, was die kampferprobte IG Metall im vergangenen Herbst bereits in Rechnung stellte: Ihr Abschluss für die Metall- und Elektroindustrie fiel deutlich magerer aus.
Von solcher Einsicht sind die Gewerkschaften in der laufenden Tarifrunde aber noch weit entfernt. Von allen Seiten erscheint nun die Parole: Jetzt erst recht. Gerade in der Krise ist es doch besonders wichtig, die Kaufkraft zu stärken. Lehren uns das nicht die Ökonomen, die nun alle vom keynesianischen Geist erfüllt sind. Und geben nicht all die Krisenpakete den Gewerkschaften recht? Egal wo man hinschaut, ob in die USA, nach Europa oder Japan. Überall öffnet der Staat sein Füllhorn, spannt Rettungsschirme auf und schnürt dicke Investitionsprogramme, um die Kräfte des Abschwungs zu zügeln.
Warum also sollen da die Beschäftigten im Abseits stehen, fragen die Gewerkschafter. Wie kann es sein, dass der Staat Milliarden für notleidende Banken springen lässt, und die Beschäftigten im Regen stehen lässt, fragt mit unschuldiger Miene zum Beispiel Beamtenbund-Chef Peter Heesen. Und er suggeriert damit: Wenn der Staat den Bankrotteuren das Geld in den Rachen wirft, dann kann er es den hart arbeitenden Menschen schlecht verwehren.
Klingt einleuchtend, ist aber dennoch grundfalsch. Egal, was man von den Konjunkturpaketen der Regierung halten mag: Sie dienen kaum dazu, maroden Bankern ihre Villen auf den Kayman-Inseln zu finanzieren. Ganz im Gegenteil geht es ja gerade darum, jenen Menschen zu helfen, deren Jobs nun in Gefahr sind. Das Gerechtigkeitsargument also zieht nicht. Es ist ja vielmehr so: Der Staat kann das Geld schlecht zweimal ausgeben. Und weil in der Krise die Einnahmen nun mal schwächer sprudeln, sind die Ressourcen begrenzt. Deshalb müssen die Konjunkturpakete sorgsam geschnürt werden: Nicht alles, was zu höheren Ausgaben führt, ist schon ein geeignetes Krisenrezept.
Gerade die Lohnpolitik zählt nicht dazu. Sie sollte dazu dienen, den Beschäftigten einen fairen Anteil am wirtschaftlichen Erfolg zu sichern. Bleibt dieser Erfolg aus, so kann die Devise schlecht lauten: Jetzt muss die Lohntüte besonders üppig gefüllt werden. An dieser schlichten Logik kommen auch die Gewerkschaften nicht vorbei. Wenn weniger erwirtschaftet wird, kann nicht besonders viel verteilt werden.
Diese Krise hat eine Kraft, die noch schwer abzuschätzen ist. Die Gewerkschaften sollten nicht so tun, als könnten sie darüber hinweg gehen. Sie haben in den vergangenen Jahren eine sehr maßvollen Kurs verfolgt. Gerade deshalb ist es schwer verständlich, wenn sie jetzt den Bogen überspannen. Ein Blick auf die dramatisch steigenden Arbeitslosenzahlen sind ein deutliches Warnsignal. Wenn die Schlangen vor den Arbeitsagenturen länger werden, dann könnte sich der öffentliche Wind schnell drehen. Dann könnte die Sympathie für zweistellige Lohnforderungen schnell schrumpfen. Die Gewerkschaften sollten ihre Kräfte daher nicht überschätzen. Wer zuviel verspricht, kann am Ende nur als Verlierer da stehen.