Tarifkonflikt

    Mehr als 100.000 Beschäftigte im Warnstreik

    Ein Junge hält während eines Warnstreiks ein Plakat mit der Aufschrift "Meine Mama ist es Wert"
    Ein Junge hält während eines Warnstreiks ein Plakat mit der Aufschrift "Meine Mama ist es Wert" © dpa / picture alliance / Maja Hitij
    Der Warnstreik im öffentlichen Dienst hat am Donnerstag seinen Höhepunkt erreicht. Mehr als 100.000 Beschäftigte traten in den Ausstand. Betroffen waren vor allem die großen deutschen Flughäfen und der Nahverkehr.
    "Jetzt reicht's", hieß es vielerorts bei Demonstrationen und Kundgebungen: An den Warnstreiks im öffentlichen Dienst haben sich am Donnerstag laut Angaben der Gewerkschaft Verdi bundesweit 104.000 Beschäftigte beteiligt. Damit erreichte die zweite Warnstreikwelle ihren Höhepunkt. Insgesamt hätten in dieser Woche über 200.000 Mitarbeiter zeitweise die Arbeit niedergelegt.
    Um Druck zu machen, hatte die Gewerkschaft die Warnstreiks im öffentlichen Nahverkehr auf die sieben großen deutschen Flughäfen ausgedehnt. Passagiere mussten sich auf Flugausfälle einrichten. Am Frankfurter Flughafen hatten Mitarbeiter der Betreibergesellschaft Fraport mit Beginn der Frühschicht um 3.30 Uhr ihre Arbeit niedergelegt - mehr als 90 Prozent der betroffenen Mitarbeiter befanden sich im Ausstand.
    Regulärer Flugbetrieb erst ab Freitag

    Seit Beginn des Flugbetriebs um 5.00 Uhr waren mehr als 500 Starts und Landungen annulliert worden, sagte eine Sprecherin des Flughafenbetreibers. Dennoch sei die Situation relativ entspannt gewesen, da man auf den Streik gut vorbereitet war, so ein Sprecher von Fraport. Der reguläre Flugbetrieb könne trotzdem wohl erst im Laufe des morgigen Tages wieder eingehalten werden.
    Tausende bei Kundgebungen
    Neben dem Flughafen in Frankfurt war vor allem auch der Standort München betroffen, an dem 130 Flüge annulliert wurden. Etwa 30 Prozent der zum Warnstreik aufgerufenen Mitarbeiter haben sich dort laut Gewerkschaft Verdi an der Arbeitsniederlegung beteiligt. Ebenfalls, aber in deutlich geringerem Umfang, waren die Flughäfen in Hamburg, Berlin, Köln-Bonn und Düsseldorf betroffen.
    Bei den Nahverkehrsbetrieben ging der Ausstand den zweiten Tag in Folge weiter. In einigen Teilen Niedersachsens, sowie in den sächsischen Städten Dresden, Chemnitz und Zwickau fuhren heute zeitweise Busse und Bahnen nicht. Die größten Auswirkungen auf den Nahverkehr gab es aber in Nordrhein-Westfalen. Auf den Autobahnen gab es nach Angaben des WDR längere Staus, aber kein Chaos. In Köln, Duisburg, Bielefeld und Dortmund trafen sich Tausende zu Kundgebungen.
    Auch in Kindertagesstätten, bei Stadtverwaltungen, Jobcentern, Sparkassen und der Müllabfuhr wurde heute über ganz Deutschland verteilt gestreikt.
    Kritik kommt sowohl von den Arbeitgebern als auch vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Der Tarifexperte des Instituts, Hagen Lesch, sagte im Deutschlandfunk, erfolgreiche Tarifverhandlungen seien auch ohne Streiks möglich.
    Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, kritisierte die bundesweiten Aktionen in der "Rheinischen Post". "Die Warnstreiks sind vor dem Hintergrund der Annäherung zwischen den Tarifparteien ein überflüssiges Ritual", sagte Landsberg. Die Kommunen wüssten, dass ihre Beschäftigten Anspruch auf eine angemessene Lohnerhöhung hätten. "Dies darf aber die Finanzkraft der Städte und Gemeinden nicht überfordern, sonst besteht die Gefahr, dass wir Arbeitsplätze abbauen oder in die Privatwirtschaft verlagern müssen."
    Bsirske: Abstand bei der Lohnentwicklung verringern

    Die Warnstreiks "sollen deutlich machen, wie die Stimmungslage in den Betrieben ist", sagte der Gewerkschaftsvorsitzende Frank Bsirske im Deutschlandfunk. Die Beschäftigten "wollen teilhaben am wirtschaftlichen Aufschwung", so Bsirske. Er hoffe auf Verständnis bei den Arbeitgebern. Verdi fordert eine Erhöhung der Löhne um 3,5 Prozent plus 100 Euro mehr monatlich für jeden Beschäftigten.
    Verdi-Chef Frank Bsirske bei einer Kundgebung in Potsdam am 13.03.2014
    Verdi-Chef Manfred Bsirske tourt zurzeit durch Deutschland, um für mehr Lohn für die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst zu werben.© picture alliance / dpa / Bernd Settnik
    Die Betroffenen hätten in den vergangenen 13 Jahren Einbußen hinnehmen müssen, so Bsirske. Verdi wolle erreichen, "diesen Abstand auf die durchschnittliche Tariflohnentwicklung in der Gesamtwirtschaft zu reduzieren und in absehbarer Zeit auch auszugleichen, nicht zuletzt auch im Interesse eines öffentlichen Dienstes, der attraktiv bleiben muss in der Konkurrenz um gute Arbeitskräfte".
    Rückenwind erhielten die Beschäftigten vom Abschluss eines neuen Tarifvertrags für die privaten Sicherheitsleute an Flughäfen in Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland am Mittwochabend. Auch wegen des Nachholbedarfs gegenüber anderen Tarifgebieten hat Verdi dort Lohnerhöhungen von bis zu 27 Prozent durchgesetzt.
    Häufige Streiks an Flughäfen Folge von Privatisierungen
    Die häufigen Streiks im Luftverkehr sind nach Meinung von Verdi eine direkte Folge der Privatisierungen in diesem Wirtschaftszweig. Als die Flughäfen noch komplett öffentlich betrieben wurden, seien für alle Beschäftigten Tarife ausgehandelt worden, sagte Verdi-Vorstandsmitglied Christine Behle. Nachdem unter anderem auf Druck der Airlines immer mehr Leistungen ausgegliedert und privatisiert worden seien, müssten viele Beschäftigte etwa im Sicherheitsgewerbe nun zu schlechteren Bedingungen arbeiten. "Dass die sich ein Stück ihrer Arbeits- und Einkommensbedingungen zurückholen wollen, ist klar."
    Behle kritisierte zudem Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) scharf. "Die größte Frechheit ist, dass de Maizière gesagt hat: "Im öffentlichen Dienst gibt es keinen Nachholbedarf." Das sehen wir komplett anders." Dass bei einem Streik auch Unbeteiligte betroffen seien, sei zwar nicht schön, aber auch nicht zu vermeiden.
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