Höhere Gagen an deutschen Theatern

"Es bräuchte einen Krisengipfel"

10:19 Minuten
Auf einer ansonsten leeren Bühne stehen einige Requisiten chaotisch umher, darunter einige Stühle.
Mehr Darsteller und Techniker täten dem Bühnenbild wohl gut. Wegen höherer Tarife könnten an manchen Theatern die Kassen klamm werden, glaubt der Kulturmanager Dieter Ripberger. © Unsplash / Wilhelm Gunkel
Dieter Ripberger im Gespräch mit André Mumot · 23.07.2022
Audio herunterladen
Ab September steigen an den Theatern die Gagen für Solobeschäftigte und Bühnentechniker. Das ist einerseits gut, sagt der Kulturmanager Dieter Ripberger. Andererseits stellt es die Bühnen vor gewaltige Herausforderungen.
Höhere Gagen für die Solobeschäftigten und Bühnentechnikerinnen und -techniker an deutschen Theatern: Das war Ende Juni das Ergebnis der vierten Runde in den Tarifhandlungen zwischen dem Deutschen Bühnenverein und der Künstlergewerkschaften, also der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA), der Vereinigung Deutscher Opern- und Tanzensembles (VdO) und des Bundesverbands Schauspiel (BFFS).
Die Mindestgage steigt nun ab September in zwei Stufen: zunächst von bisher 2000 Euro auf 2550, später dann auf 2715 Euro. Auch sollen die Mindestgagen künftig dynamisch angepasst werden, so wie es bei den übrigen Gagen und Gehältern an der Bühne auch der Fall ist.

Die wirtschaftliche Lage ist angespannt

Dieter Ripberger begrüßt den neuen Tarifabschluss ausdrücklich: "Fakt ist: Die Gagen steigen jetzt erheblich. Und Fakt ist auch: Das ist sehr gut, weil es der Komplexität und auch der Anforderung an die Tätigkeit angemessen ist." Ripberger ist Kulturmanager, Dramaturg, stellvertretendes Mitglied im Verwaltungsrat des Deutschen Bühnenvereins und Co-Intendant des Instituts für theatrale Zukunftsforschung am Zimmertheater Tübingen.
Manche befürchten, diese erheblichen Mehrausgaben könnten von vielen Theatern gar nicht aufgebracht werden. Dazu erklärt Ripberger: "Die grundsätzliche Frage besteht jetzt darin, wie es gelingt, diese Personalkostenerhöhung abzufedern, ohne in das Dilemma zu geraten, Stellen zu streichen oder andere Kostenpositionen an den Theatern zu reduzieren, denn das ist weitgehend bekannt – es gibt da nicht viel, wo man noch kürzen könnte."

Abonnieren Sie unseren Weekender-Newsletter!

Die wichtigsten Kulturdebatten und Empfehlungen der Woche, jeden Freitag direkt in Ihr E-Mail-Postfach.

Vielen Dank für Ihre Anmeldung!

Wir haben Ihnen eine E-Mail mit einem Bestätigungslink zugeschickt.

Falls Sie keine Bestätigungs-Mail für Ihre Registrierung in Ihrem Posteingang sehen, prüfen Sie bitte Ihren Spam-Ordner.

Willkommen zurück!

Sie sind bereits zu diesem Newsletter angemeldet.

Bitte überprüfen Sie Ihre E-Mail Adresse.
Bitte akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung.
Hinzukommt: Die Coronakrise hat viele Rücklagen aufgebraucht, auch findet das Publikum nur zögerlich zurück in die Spielhäuser. Ripberger sieht daher akuten Handlungsbedarf noch vor September, wenn die Gagen steigen: "Es bräuchte jetzt einen schnellen Krisengipfel, meinetwegen zwischen dem Deutschen Städtetag und der Kulturministerkonferenz, um sich darüber abzustimmen, wie man in den Herbst geht."

Es droht Zahlungsunfähigkeit

Die Auswirkungen könnten schon bald dramatisch ausfallen, wie Ripberger erklärt: "Laut meiner Prognose drohen spätestens Ende September, Ende Oktober erste Zahlungsunfähigkeiten. Das kann keiner wollen. Wir brauchen das Theater als gesellschaftliches Lagerfeuer im Anblick eines kalt werdenden Winters mehr denn je."
Aber auch die Theater selbst müssten in die Pflicht genommen werden, ihre Bedeutung für die Gesellschaft zu betonen und auf ihr Publikum zuzugehen. Ripberger "möchte alle ermutigen, über die Relevanz dessen, was wir tun, immer neu nachzudenken".
Dies gehe "nur vor Ort, immer nur lokal und mit den ganz konkreten Menschen. Das Publikum ist kein Abstraktum. Es sind die Menschen vor Ort, die diese Institution aufsuchen und wollen. Deswegen gibt es kein Patentrezept dafür, wie ein Theater relevant bleibt."
Mehr Theater ums Theater