Tanzkritikerin zum Abgang von Öhman und Waltz

"Ein Super-GAU für die ganze Ballettbranche"

06:23 Minuten
Johannes Öhman und Sasha Waltz, Intendanten des Berliner Staatsballetts, stehen nebeneinander an einer Ballettstange.
Wollen dem Berliner Staatsballett den Rücken kehren: Johannes Öhman und Sasha Waltz. © picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini
Dorion Weickmann im Gespräch mit Vladimir Balzer · 22.01.2020
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Sasha Waltz und Johannes Öhman beenden nach nur fünf Monaten ihre gemeinsame Intendanz des Berliner Staatsballetts. Das sei "ein schlimmes" Ereignis für die Ballettszene, sagt Tanzkritikerin Dorion Weickmann.
Die beiden Intendanten des Berliner Staatsballetts, Sasha Waltz und Johannes Öhman, legen zum Ende des Jahres ihre Ämter nieder. Das teilte die Berliner Kulturverwaltung am 22. Januar mit. Der ehemalige Tänzer Johannes Öhman hatte die Intendanz des Staatsballetts seit August 2018 inne. Die Choreografin Sasha Waltz stieß im Sommer 2019 als Co-Intendantin dazu. Der Schwede Öhman will 2021 zurück nach Stockholm gehen.
Es ist noch nicht lange her, da wurde das Berliner Staatsballett vom Fachmagazin "tanz" zur "Tanzkompanie des Jahres" gekürt. Doch habe es schon seit einiger Zeit "im Inneren des Staatsballetts geknirscht", sagt die Tanzkritikerin Dorion Weickmann. Die Kompanie sei ganz offensichtlich in die zwei Lager "zeitgenössische Tänzer und klassische Tänzer" gespalten. "Und das hat dann offenbar dazu geführt, dass es auch an der Spitze zu Reibereien kam." Ohne den Zusammenhalt an der Spitze aber könne ein Ballett nicht erfolgreich arbeiten. "Insofern ist das tatsächlich ein Super-GAU – nicht nur für Berlin, sondern für die ganze Branche".

Das kollektive Führungsmodell hat nicht funktioniert

Von Anfang an habe ein sehr hoher Erwartungsdruck auf dem Führungsduo gelastet, so Weickmann. Im Staatsballett habe es zunächst eine "irre Protestwelle" gegen die Installierung von Sasha Waltz als zweite Intendantin gegeben, weil deren moderne Auffassung von Ballett vielen nicht gefiel. Deshalb hätten Waltz und Öhman unter dem Zwang gestanden zu beweisen, dass die Doppelspitze funktioniere. Doch dieses Modell – obwohl von der Grundkonstellation und der Aufgabenteilung her eigentlich ideal - sei offenkundig gescheitert. "Und das ist wirklich schlimm." Eine Folge davon: "In großen Kompanien wird dieses kollektive Führungsmodell nun sehr argwöhnisch beäugt werden", bedauert die Tanzexpertin.
Als "lame ducks" müssten Öhman und Waltz nun eigentlich so schnell wie möglich durch neue Intendanten ersetzt werden. Die Frage sei allerdings: Woher sollen so rasch Nachfolger oder Nachfolgerinnen kommen? Es gebe "zwei Damen, über die man nachdenken kann": Bettina Wagner-Bergelt, die sehr erfahrende amtierende Chefin des Wuppertaler Tanztheaters, und Adolphe Binder, die vorherige Chefin in Wuppertal. Sicherlich werde man aber europaweit auf Kandidatenschau gehen.
(mkn)

Hören Sie zum Thema auch das Gespräch mit Arnd Wesemann, Redakteur der Zeitschrift "tanz":
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