Tanzen unterm Scherbenhimmel
In leicht surrealer Atmosphäre hat David Mouchtar-Samorai den Klassiker „Die Glasmenagerie“ von Tennessee Williams bei den Ruhrfestspielen inszeniert. Passend zur Traumwelt der Hauptperson Laura. Die Aufführung überzeugt, die Schauspieler sind ausgezeichnet.
„Ein Spiel der Erinnerung“ heißt „Die Glasmenagerie“ von Tennessee Williams im Untertitel. So hat David Mouchtar-Samorai das Stück bei den Ruhrfestspielen auch inszeniert: als geisterhafte Beschwörung sehr lebendiger Vergangenheit.
In diesem Haus wohnt schon lange niemand mehr. Der Boden ist staubig, durchsichtige Netze hängen von der Decke, ein paar Stühle und Tische stehen herum. Tennessee Williams erzählt seine autobiografisch gefärbte Geschichte von Menschen, die ihr Leben verpassen, als Rückblende. Im Original tritt der gealterte Tom Wingfield vor das Publikum und nimmt die Zuschauer mit in die Zeit als junger Erwachsener.
Mouchtar-Samorai integriert diese Figur in die Handlung. Wie ein Geist sitzt der Schauspieler Ulrich Kuhlmann zwischen den Kollegen, nimmt manche Sätze voraus, spricht manche als Echo, schreitet mit böser Selbstironie durch sein Familientrauma.
Xenia Snagowski spielt die gehbehinderte Laura, die sich mit ihren Glastierchen in eine Traumwelt zurückgezogen hat, als starke junge Frau. Sie behauptet ihre eigene Realität gegen die dominante Mutter (Gabriele Köstler), die in Erinnerungen an ihre Südstaatenjugend schwelgt.
Als ein sympathischer junger Mann auftaucht, den sie von früher kennt, öffnet sich Laura. Vorsichtig tasten sich die beiden vor, ehrlich und mitfühlend, eine wundervolle Szene von Xenia Snagowski und Helge Tramsen. Schließlich tanzen sie, und am Bühnenhimmel werden Glasscherben sichtbar, die wie Wolken aussehen.
David Mouchtar-Samorai hat für die „Glasmenagerie“ eine passende Atmosphäre gefunden, leicht surreal, ohne die emotionale Intensität zu verlieren. Das ausgezeichnete Ensemble des koproduzierenden Theaters Bonn, in dem auch Arne Lenk als junger Tom, überzeugt, holt das Stück allein durch das Spiel in die Gegenwart. Es geht darum zu lernen, mit seinen Macken klarzukommen und nicht im Perfektionswahn zu versacken. So betrachtet könnte Tennessee Williams das Stück glatt für unsere Mediengesellschaft geschrieben haben.
Schön, bei den Ruhrfestspielen mal wieder gutes Stadttheater ohne Stars zu sehen. Es ist zwar attraktiv, Hollywoodschauspieler live zu erleben. Doch die Ruhrfestspiele boten in diesem Jahr zu viel Glamour und zu wenig Inhalt. Den als Schauspieler grandiosen aber als Sänger unsäglichen Peter Lohmeyer in ein Musical zu jagen, war einfach Unfug. Manche interessante kleinere Produktion fand durch den Rummel um einige Prominente kaum Zuschauer.
Die Zusammenstellung vieler Aufführung rund ums Thema „Amerika“ war reizvoll. Es fehlte allerdings die Gegenwartsdramatik, Autoren wie Neil LaBute, die über die USA von heute schreiben. Oder mal ein amerikanischer Standup-Comedian in der Kabarett-Reihe. Das Niveau der Produktionen schwankte sehr.
Die Bühnenadaption des Tolstoi-Romans „Anna Karenina“ überzeugte ebenso wie Cate Blanchetts Inszenierung eines knallharten Kammerspiels von David Harrower. Beides hatte allerdings nichts mit Amerika zu tun.
Dagegen standen Jerome Savarys bieder-banale Inszenierung des Musicals „Happy End“ von Kurt Weill und Peter Zadeks altersschwache Aufführung eines verstaubten Pirandello-Stückes. Ökonomisch war das Festival sicher wieder ein Erfolg, aber künstlerisch dürfen die Ruhrfestspiele nicht zu viele Kompromisse machen. Sonst leidet ihr Ruf.
Die Glasmenagerie
Von Tennessee Williams
Inszenierung: David Mouchtar-Samorai
Ruhrfestspiele Recklinghausen
In diesem Haus wohnt schon lange niemand mehr. Der Boden ist staubig, durchsichtige Netze hängen von der Decke, ein paar Stühle und Tische stehen herum. Tennessee Williams erzählt seine autobiografisch gefärbte Geschichte von Menschen, die ihr Leben verpassen, als Rückblende. Im Original tritt der gealterte Tom Wingfield vor das Publikum und nimmt die Zuschauer mit in die Zeit als junger Erwachsener.
Mouchtar-Samorai integriert diese Figur in die Handlung. Wie ein Geist sitzt der Schauspieler Ulrich Kuhlmann zwischen den Kollegen, nimmt manche Sätze voraus, spricht manche als Echo, schreitet mit böser Selbstironie durch sein Familientrauma.
Xenia Snagowski spielt die gehbehinderte Laura, die sich mit ihren Glastierchen in eine Traumwelt zurückgezogen hat, als starke junge Frau. Sie behauptet ihre eigene Realität gegen die dominante Mutter (Gabriele Köstler), die in Erinnerungen an ihre Südstaatenjugend schwelgt.
Als ein sympathischer junger Mann auftaucht, den sie von früher kennt, öffnet sich Laura. Vorsichtig tasten sich die beiden vor, ehrlich und mitfühlend, eine wundervolle Szene von Xenia Snagowski und Helge Tramsen. Schließlich tanzen sie, und am Bühnenhimmel werden Glasscherben sichtbar, die wie Wolken aussehen.
David Mouchtar-Samorai hat für die „Glasmenagerie“ eine passende Atmosphäre gefunden, leicht surreal, ohne die emotionale Intensität zu verlieren. Das ausgezeichnete Ensemble des koproduzierenden Theaters Bonn, in dem auch Arne Lenk als junger Tom, überzeugt, holt das Stück allein durch das Spiel in die Gegenwart. Es geht darum zu lernen, mit seinen Macken klarzukommen und nicht im Perfektionswahn zu versacken. So betrachtet könnte Tennessee Williams das Stück glatt für unsere Mediengesellschaft geschrieben haben.
Schön, bei den Ruhrfestspielen mal wieder gutes Stadttheater ohne Stars zu sehen. Es ist zwar attraktiv, Hollywoodschauspieler live zu erleben. Doch die Ruhrfestspiele boten in diesem Jahr zu viel Glamour und zu wenig Inhalt. Den als Schauspieler grandiosen aber als Sänger unsäglichen Peter Lohmeyer in ein Musical zu jagen, war einfach Unfug. Manche interessante kleinere Produktion fand durch den Rummel um einige Prominente kaum Zuschauer.
Die Zusammenstellung vieler Aufführung rund ums Thema „Amerika“ war reizvoll. Es fehlte allerdings die Gegenwartsdramatik, Autoren wie Neil LaBute, die über die USA von heute schreiben. Oder mal ein amerikanischer Standup-Comedian in der Kabarett-Reihe. Das Niveau der Produktionen schwankte sehr.
Die Bühnenadaption des Tolstoi-Romans „Anna Karenina“ überzeugte ebenso wie Cate Blanchetts Inszenierung eines knallharten Kammerspiels von David Harrower. Beides hatte allerdings nichts mit Amerika zu tun.
Dagegen standen Jerome Savarys bieder-banale Inszenierung des Musicals „Happy End“ von Kurt Weill und Peter Zadeks altersschwache Aufführung eines verstaubten Pirandello-Stückes. Ökonomisch war das Festival sicher wieder ein Erfolg, aber künstlerisch dürfen die Ruhrfestspiele nicht zu viele Kompromisse machen. Sonst leidet ihr Ruf.
Die Glasmenagerie
Von Tennessee Williams
Inszenierung: David Mouchtar-Samorai
Ruhrfestspiele Recklinghausen