Tanzeinlage von Theresa May auf Tory-Parteitag

"Sich selbst auf den Arm nehmen können"

05:21 Minuten
Die britische Premierministerin Theresa May betritt die Bühne des Parteitages der Konservativen tanzend nach dem Titel "Dancing Queen" von ABBA. Birmingham, West Midlands, UK, 3.10.2018.
Ein Auftritt, mit dem niemand gerechnet hat, sagt unser London-Korrespondent Friedbert Meurer. © picture alliance / dpa / Joel Goodman
London-Korrespondent Friedbert Meurer im Gespräch mit Timo Grampes · 04.10.2018
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Ein Auftritt der besonderen Art: Zum Abba-Hit "Dancing Queen" tanzte sich die britische Premierministerin roboterhaft zum Rednerpult. Unser London-Korrespondent fand das peinlich. Die britische Öffentlichkeit jubelt und hat einen Spitznamen für May.
Mit roboterhaft anmutender Ungelenkigkeit, der Oberkörper statisch wie vom Unterkörper abgetrennt und mit ruckelnden Arm- und Drehbewegungen - so bewegte sich die britische Premierministerin Theresa May zu ihrem Rednerpult, musikalisch begleitet vom Abba-Song "Dancing Queen". Es sei ein Auftritt gewesen, mit dem niemand gerechnet habe, meint unser London-Korrespondent Friedbert Meurer.
"Jeder im Saal wusste, was jetzt hier genau passiert, dass sie sich selbst auf den Arm nehmen will. Sie war vor ein paar Wochen in Kenia zu Besuch. Da hat sie zur Musik einer Militärkapelle schon einmal so roboterhaft getanzt", erklärt Meurer. In den sozialen Medien und in den Zeitungen sei sie dafür verspottet worden.
Meurer selbst habe den Auftritt peinlich gefunden. Er betont aber, dass dies nur seine persönliche, und auch seine deutsche Einstellung dazu sei. Die Zeitungen seien begeistert. Alle hätten das Foto auf der Titelseite gebracht. Und in den aktuellen Google-Trends belegen Suchworte wie "Dancing Queen", "Dancing Queen Lyrics" und "Mym Conference Speech" die ersten Plätze. Meurers Fazit: "Das war ein totaler Erfolg. Das ist angekommen."

"Sie ist eine Soziopathin"

Ihr Spitzname "Maybot" ist laut Meurer zwar populär, Theresa May als Person aber eher nicht:"Sie wird nicht geliebt. Sie ist einfach zu hölzern. Deswegen hat sie ja diesen Spitznamen verpasst bekommen", so Meurer. Boris Johnson dagegen sei bei der Partei beliebt:"Ihm fliegen die Herzen zu. Er liebt das Bad in der Menge, er liebt den Kontakt. Während Theresa May nicht nur meiner Meinung nach eine Soziopathin ist. Sie ist fleißig, wird respektiert. Sie hat zurzeit den schwierigsten Job, den man überhaupt haben kann. Aber von ihrem Typus her ist sie nun einmal verkrampft und sie ist ganz anders als Boris Johnson."

Typisch britisch?

Der ganze Auftritt sei einfach "typisch britisch" gewesen."In Deutschland würde man sich mit so einem Auftritt bis auf die Knochen blamieren, aber hier in Großbritannien ist das ein bisschen anders. Wenn man hier eine Rede hält, tut man wirklich gut daran, sich selbst auf den Arm zu nehmen. Wer sich erniedrigt, wird erhöht. Das ist so das Kalkül dabei", meint Meurer.
Auch das Stottern von Boris Johnson und sein Durch-die-Haare-fahren hält Meurer für eine Masche. Johnson wolle sich dumm stellen. Genauso Theresa May: Mit ihrer Einlage habe sie sich nur nach deutschem Verständnis der Peinlichkeit preisgegeben, für die Briten habe sie sich als souverän, cool und britisch gezeigt.
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