Tante Emma im Cyberspace

Von Mathias Mainholz |
Shoppen im Internet heißt für viele: billig, schnell und bequem an die begehrte Ware oder Dienstleistung zu kommen. Suchmaschinen ermöglichen Preisvergleiche, führen einen zum Anbieter und im Nu ist das Geschäft abgewickelt. Doch zu dieser Art Massenabfertigung im E-Commerce hat sich eine Gegenbewegung im Internet entwickelt: der "Social Commerce". Eine Handelsplattform für Individualisten, die zunehmend floriert.
Ein kleines Geschäft mitten im Trubel der Einkaufsmeile. Im Schaufenster ist die Ware liebevoll drapiert. Innen ist es persönlich, jedes Verkaufsstück hat seinen eigenen Platz.
"Hallo Frau Steffens, wie geht’s ihnen?"

Man kennt sich, man unterhält sich, man freut sich über einander.

Natürlich gibt es das nicht mehr – zumindest nicht mehr in den üblichen Einkaufszonen der Städte. Dafür sind die kleinen Läden mit der persönlichen Note in der virtuellen Verkaufswelt wieder auferstanden. Modedesigner, Kunsthandwerker, Strickomas halten Einzug ins Internet und versammeln sich mit ihrer Ware auf digitalen Marktplätzen wie "dawanda.com". Die Schneiderin Elisa Stoll gehört zu ihnen.

"Ich stelle nichts her, was mir nicht selber gefällt, gar nichts. Ich benutze auch keine Farben, die ich selber nicht mag, keine Stoffe die ich selber nicht mag. Alles was ich herstelle, würde ich auch selber tragen. Ich denke schon, dass es das zu etwas Besonderem macht und dass die Menschen das merken."

Im Schnitt betreten rund 200 Leute täglich ihre virtuelle Boutique "Elisa" und stöbern dort herum. Sie schauen sich auch das Profil der 33-jährigen Hamburgerin an. Sie erfahren, was der Mutter von zwei Kindern am Herzen liegt, und sie kaufen ein, um kurz darauf wieder vorbeizuschauen und einen Kommentar zu schreiben.

Elisa Stoll hat ihren Laptop gleich neben der Nähmaschine stehen und freut sich über jeden Eintrag:

"Dass man eine Nachricht bekommt, eine persönliche. Und es gibt auch die Möglichkeit bei 'Dawanda' Fotos einzustellen, wo die Leute sich selber mit den Sachen fotografieren. Dann wird man ja auch bewertet, und es ist schön zu sehen, dass die Sachen dann auch ankommen und für die Leute was Besonderes sind."

Vor etwa zwei Jahren kamen Internet-Portale für Kleinhändler in Deutschland auf. Der "Social Commerce" ist ein Phänomen, das nach Meinung von Fachleuten zunehmend an Bedeutung finden wird. Nils Müller ist Geschäftsführer von "Trend One", einem Hamburger Kommunikationsunternehmen. Er beobachtet Trends und Märkte und stellt eine Virtualisierung des Handels fest, die das Menschliche, Persönliche nicht mehr ausschließt. Denn der Konsument sehne sich in der digitalen Welt nach archaischen Komponenten, so Nils Müller

"Also Anfassen, Natur, direkter Kontakt, direkte Kommunikation, wissen wer dahinter steckt, also Authentizität, Transparenz. Der Megatrend Virtualisierung wird weiter gehen. Der Mensch wird sich irgendwann uploaden. Aber je größer die Virtualisierung wird, desto relevanter wird auch der Gegentrend."

Im Internet hat die Stunde der Nische geschlagen. Immer mehr Anbieter wie die Hamburger Schneiderin drängen auf den Markt. Sie machen aus ihrem Hobby einen Beruf und bieten den Konsumenten eine ungeahnte Vielfalt, sagt "Trend One"-Mitarbeiter Torsten Rehder.

"'"Einer der Schlüsselfaktoren vom 'Social Commerce' ist einfach auch auf technologischer Seite zu sehen, dass es vorher gar nicht möglich war, so was wie einen kleinen Webshop kostengünstig selber aufzubauen, eine Gemeinschaft drum zu bilden, eine community. Und vor allem auch die Kraft der community zu nutzen, dass sich eine Idee oder ein Produkt von alleine weiter bewirbt, ohne dass man groß einen Marketing-Etat selber aufstellen muss.""

Elisa Stoll hat ihren Webshop bei "dawanda.com" gerade erst ein dreiviertel Jahr. Über 200 Stammkunden hat sie, die nicht nur kaufen, sondern sie auch weiterempfehlen.

"Und bin jetzt ganz erstaunt, dass es doch ziemlich gut läuft und dass es spürbar, dass man sogar was dran verdient."

Und zwar so gut, dass sie bereits überlegt, eine Filiale außerhalb der digitalen Welt in einer echten Einkaufsstraße zu eröffnen.