Tango und Sauna bis zur Rente

Von Elke Pressler · 01.11.2013
Oben erklingen Lieder, im Keller dampft die Sauna. Die Finnische Seemannskirche in Hamburg ist Anlaufstelle für alle, die sich der finnischen Kultur verbunden fühlen. Ebenso einladend ist der zugehörige Chor. Mitsingen darf jeder.
Es ist keine gewöhnliche Kirche, die Finnische Seemannskirche in Hamburg. Es ist auch kein gewöhnliches Kirchenschiff, eher eine überraschend kleine, gemütliche Kapelle. Die sakrale Bestimmung tritt schnell in den Hintergrund. Und es ist kein gewöhnlicher Gemeindekirchenchor, der sich hier zur Chorprobe versammelt.

Eva-Christina: "Bei uns muss man nicht vorsingen. Jeder, der mitmachen möchte, darf mitmachen. Weil, wir sind ja eine von den vielen Aktivitäten an der Seemannskirche. Und dazu gehört dann auch, dass jeder, der mitmachen möchte, ist willkommen. Keiner wird ausgeschlossen."

Anna: "Es ist einfach schön."

Helena: "Das ist ein Geschenk für uns."

Die 32-jährige gebürtige Finnin aus Turku, Eva-Christina, ist musikalisch eher überqualifiziert als Chorleiterin dieser munteren Schar. Die ausgebildete Pianistin und Gesangsdiplom-Absolventin unterrichtet an Musikschulen und gibt als Solistin Konzerte mit ihrem eigenen Barockensemble. Doch dass die Teilnehmer hier kaum Notenkenntnisse oder ausgebildete Stimmen vorweisen können, schmälert ihr Engagement und ihre Freude keineswegs

Eva-Christina: "Zum Teil muss man da gewisse Kompromisse eingehen, aber es geht hier nicht nur darum, dass man musikalisch eine Höchstleistung bringt, sondern es geht darum, dass man die Leute zum Singen bringt, dass sie etwas mit der finnischen Kultur zu tun haben."

Anna: "Das Schöne hier ist auch, dass es jedes Mal ist wie so 'n kleiner Ausflug nach Finnland."

Eva-Christina: "Und vor allem hat der Chor der Seemannskirche eine sehr wichtige soziale Funktion."

Anna: "Es ist ja nicht nur eine Kirche, da gibt's ja dies kleine Café mit finnischen Sachen, so 'n kleinen Supermarkt mit diesen total finnischen Sachen und im Keller gibt's sogar 'ne Sauna, 'ne typisch finnische Sauna. Ist einfach 'ne schöne Mischung so."

Eva-Christina: "Als ich angefangen habe, war ich die Jüngste im Chor."

Da war Eva-Christina gerade 26 Jahre und frisch aus Finnland eingetroffen.

"Aber jetzt mittlerweile haben wir auch junge Sänger dabei. So die Altersspanne ist ziemlich breit. Von 25 bis 75 auf jeden Fall. Unser ältester Sänger, das war der Rauno, er ist über 80, und jetzt hat er im Herbst gesagt: 'Jetzt muss ich in die Rente gehen.' Ich würde ihn noch gerne nehmen, er ist ein toller Sänger und ein netter Kerl und er hat auch immer was zu bieten, nicht nur im Sängerischen, sondern hat auch Ideen und ist wunderbar, aber dann sagt er: 'Nee, ist mal Zeit. Jetzt gehe ich in die Rente.' Er meinte Chor-Rente. Das ist dann auch die Ausdrucksart von diesen Leuten also."

Singen als Arbeit, als Pflicht im Leben? Eher im Gegenteil. Es wird viel gelacht. Sehr entspannt und locker geht es zu im Hamburger "Wohnzimmer der Finnen".

"Ich liebe singen!", strahlt die 64-jährige Helena, seit 40 Jahren mit einem Deutschen verheiratet und seit 30 Jahren im Chor dabei.

"Dieser Chor ist eigentlich - ja, wie soll ich sagen? Wir kommen hier zusammen, wir haben Finnland gern, wir haben Chormitglieder aus verschiedenen Ländern, viele deutsche Finnland-Freunde. Wir kommen sehr gern zusammen, dann ist das so ein Stückchen Heimat. Das ist unser Finnland hier in Hamburg. Und das ist großartig, dass wir das machen dürfen."

Anna: "Mein Vater ist Finne; ich hab' Finnisch immer schon im Urlaub gehört. Ja, ist echt schön!",

schwärmt und schwärmt die 28-jährige Anna.

Anna:"Den Chor habe ich gefunden und habe mich gefreut, weil ich jetzt halt die Möglichkeit habe, Finnisch zu singen und auch teilweise zu sprechen."

Anna:""Das kommt ja nebenbei, dass man die Stimme dabei schult.""Dabei", das ist die Pflege der finnischen Standard-Chorliteratur. Das sind z. B. Jenka, d. h. Tanz-Lieder, Tango-Lieder, durchaus auch moderne Stücke, Kirchenmusik und Volkslieder, die auch mal, je nach Anlass, einen anderen Inhalt bekommen.

Anna: ""Ja, das waren Volksmusikmelodien mit Kirchentexten, weil wir da jetzt für den Gottesdienst proben. Aber sonst singen wir die Volksmusiklieder mit normalen Texten oder einfach so Lieder, die jetzt noch im Radio laufen in Finnland. Schon Schlager, aber nicht so doofe Schlager, die kennt dann auch jeder Finne und da freuen sich alle, wenn sie die hören. Und das ist eigentlich ganz schön, weil viele von den Liedern kenne ich auch schon von meiner Mummo."

"Mummo", das ist Annes finnische Großmutter.

Anna: "Weil die auch immer so viel gesungen hat. Ist einfach schön. Ja, das ist dann wirklich so ein Gefühl von Finnland. Und wenn wir dann Auftritte haben, ja, die Leute freuen sich dann auch total, die Musik zu hören. Manchmal singen die dann auch mit."

Eva-Christina: "Wir singen Lieder, die sie schon in der Kindheit gehört haben und die die sonst nirgendwo hören."

Website der Finnischen Seemannskirche Hamburg

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