Talent zur Dampfplauderei
Nach seinen international erfolgreichen Büchern über Flaubert, die Kunst des Reisens, den Trost der Philosophie, und den Flughafen Heathrow hat sich der fleißige Universalschreiber Alain de Botton nun dem Thema Arbeit zugewandt. Doch sein notorischer Mangel an Bescheidenheit ist auch der große Mangel dieses Buchs - bei aller Anschaulichkeit und Unterhaltsamkeit.
Vorangestellt hat er seiner Sammlung von Reportagen aus so unterschiedlichen Branchen wie der Logistik, der Kleingebäckherstellung und der Wirtschaftsberatung eine Passage aus Walt Whitmans Hymnus "Ein Gesang für Berufe". Doch in den Berufen zeigt sich schon der erste sehr große Unterschied zwischen der Arbeitswelt von heute und der zu Whitmans Zeiten. Beim derzeitigen Stand der Industrialisierung und der Globalisierung sind die Tätigkeiten in Produktion und Forschung, bei Technologie und Wirtschaftswesen so sehr spezialisiert, dass jede Betrachtung von "Arbeit" schnell vom Hundertsten ins Tausendste führt.
Ein Reporter - noch dazu einer mit essayistischem Anspruch - muss sich also sehr hüten vor Aufzählungen und Verallgemeinerungen. Aber das tut de Botton nicht - jedenfalls nicht genug. Wenn man die Herstellung von Keksen in Augenschein nehmen will, reicht es eben nicht, mit dem Design-Direktor zu sprechen, der die Plätzchensorte Moments erfunden hat. Da gibt es auch Verpackungstechnologen, Branding Manager und Gutachter für strategische Projektentwicklung - bis hin zu den Frauen, die in der Fabrik stehen und einen ganzen Arbeitstag lang fehlerhafte Kekse von riesigen Blechen aussortieren.
Die Bandbreite dieses Buchs reicht vom Thunfischangler auf den Malediven bis zum Hersteller von Zuleitungsschläuchen für Flüssigkeiten in Flugzeugen aus Wyoming. Und vom Energieübertragungstechniker mit einer Vorliebe für Strommasten bis zum Spezialisten für Mehrwertsteuerabrechnung in einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen. Und da ist es nun wirklich schwer, allen gerecht zu werden.
Über die Wirtschaftsprüfer im Allgemeinen schreibt de Botton: "Sie sind wie die Nephrologen, für die man zuallererst eine Niere ist und bleibt." Für solche Bonmots ist de Botton immer gut, dafür wird er geschätzt. Auch für sein Talent zur Dampfplauderei und seinen Sinn für das Schräge. Doch sein notorischer Mangel an Bescheidenheit ist auch der große Mangel dieses Buchs - bei aller Anschaulichkeit und Unterhaltsamkeit.
Die Fragen, die sein großes Thema zwangsläufig aufwirft - Ist Arbeit die Last oder die Krönung eines Lebens? Was schafft sie? Was bedeutet sie uns, und was ist ihr Ergebnis? - erwähnt de Botton, beantwortet sie aber nur höchst partiell und mit einer flapsigen Lockerheit, die ökonomische und soziale Gegebenheit völlig außen vor lässt. Er bringt keine brennenden Fragen mit, nur eine verspielte Neugier. Überhaupt ist sein ganzes Vorgehen in diesem Buch streng phänomenologisch.
Am besten ist de Botton dann, wenn er sich vom Reiz bildhafter Exotik und den bizarren Einzelheiten des Geschehens mittragen lässt - etwa bei einem Raketenabschuss mitten im Dschungel von Französisch-Guayana oder in einem billigen Autobahnhotel während einer Luftfahrtmesse. Den hymnischen Ton Walt Whitmans erreicht er nur einmal: bei einer Wanderung von Strommast zu Strommast von einem Kernkraftwerk nach London.
Wirklich ärgerlich an diesem Buch aber ist die mangelnde Sorgfalt, die der Verlag hat walten lassen: schon auf der Umschlagklappe fehlt ein Wort, die Übersetzung hätte sorgfältiges Lektorat durchaus gut vertragen, die Schrift einer typografisch ausgekoppelten Reportage ist lächerlich klein, und die Qualität der Abbildungen ein fauler Kompromiss. Die Rationalisierung von Arbeitsprozessen kann üble Folgen für das Produkt haben. Auch das hat de Botton vergessen zu erwähnen.
Besprochen von Katharina Döbler
Alain de Botton: Freuden und Mühen der Arbeit
Aus dem Englischen von Bernhard Robben
S. Fischer Verlag, Frankfurt 2012
352 Seiten
Ein Reporter - noch dazu einer mit essayistischem Anspruch - muss sich also sehr hüten vor Aufzählungen und Verallgemeinerungen. Aber das tut de Botton nicht - jedenfalls nicht genug. Wenn man die Herstellung von Keksen in Augenschein nehmen will, reicht es eben nicht, mit dem Design-Direktor zu sprechen, der die Plätzchensorte Moments erfunden hat. Da gibt es auch Verpackungstechnologen, Branding Manager und Gutachter für strategische Projektentwicklung - bis hin zu den Frauen, die in der Fabrik stehen und einen ganzen Arbeitstag lang fehlerhafte Kekse von riesigen Blechen aussortieren.
Die Bandbreite dieses Buchs reicht vom Thunfischangler auf den Malediven bis zum Hersteller von Zuleitungsschläuchen für Flüssigkeiten in Flugzeugen aus Wyoming. Und vom Energieübertragungstechniker mit einer Vorliebe für Strommasten bis zum Spezialisten für Mehrwertsteuerabrechnung in einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen. Und da ist es nun wirklich schwer, allen gerecht zu werden.
Über die Wirtschaftsprüfer im Allgemeinen schreibt de Botton: "Sie sind wie die Nephrologen, für die man zuallererst eine Niere ist und bleibt." Für solche Bonmots ist de Botton immer gut, dafür wird er geschätzt. Auch für sein Talent zur Dampfplauderei und seinen Sinn für das Schräge. Doch sein notorischer Mangel an Bescheidenheit ist auch der große Mangel dieses Buchs - bei aller Anschaulichkeit und Unterhaltsamkeit.
Die Fragen, die sein großes Thema zwangsläufig aufwirft - Ist Arbeit die Last oder die Krönung eines Lebens? Was schafft sie? Was bedeutet sie uns, und was ist ihr Ergebnis? - erwähnt de Botton, beantwortet sie aber nur höchst partiell und mit einer flapsigen Lockerheit, die ökonomische und soziale Gegebenheit völlig außen vor lässt. Er bringt keine brennenden Fragen mit, nur eine verspielte Neugier. Überhaupt ist sein ganzes Vorgehen in diesem Buch streng phänomenologisch.
Am besten ist de Botton dann, wenn er sich vom Reiz bildhafter Exotik und den bizarren Einzelheiten des Geschehens mittragen lässt - etwa bei einem Raketenabschuss mitten im Dschungel von Französisch-Guayana oder in einem billigen Autobahnhotel während einer Luftfahrtmesse. Den hymnischen Ton Walt Whitmans erreicht er nur einmal: bei einer Wanderung von Strommast zu Strommast von einem Kernkraftwerk nach London.
Wirklich ärgerlich an diesem Buch aber ist die mangelnde Sorgfalt, die der Verlag hat walten lassen: schon auf der Umschlagklappe fehlt ein Wort, die Übersetzung hätte sorgfältiges Lektorat durchaus gut vertragen, die Schrift einer typografisch ausgekoppelten Reportage ist lächerlich klein, und die Qualität der Abbildungen ein fauler Kompromiss. Die Rationalisierung von Arbeitsprozessen kann üble Folgen für das Produkt haben. Auch das hat de Botton vergessen zu erwähnen.
Besprochen von Katharina Döbler
Alain de Botton: Freuden und Mühen der Arbeit
Aus dem Englischen von Bernhard Robben
S. Fischer Verlag, Frankfurt 2012
352 Seiten