Tagebuch eines Widerstandskämpfers
Als eine der "Lichtgestalten des Widerstands" hat die Zeitung "Die Zeit" unlängst Helmuth James Graf von Moltke bezeichnet. Im Januar 1944 wurde er von der Gestapo verhaftet, ein Jahr später zum Tode verurteilt und gehängt. Nun sind sein Tagebuch und seine Briefe aus der Haft veröffentlicht worden.
"Ich bin nun den vierten Sonntag hier und habe noch keine Kirchenglocke gehört. Die Sonntagsgeräusche unterscheiden sich von den Alltagsgeräuschen dadurch, dass das Hundegebell noch anhaltender ist und die Marschlieder den ganzen Vormittag füllen. Man fühlt sich so durchaus im Land der Gottlosen. Ich habe nie gedacht, dass das so spürbar wäre."
Schreibt Helmuth James Graf von Moltke in sein Tagebuch. Am 28. Februar 1944, in einer Zelle des Konzentrationslagers Ravensbrück.
Vor ein paar Wochen saß Moltke noch im Gestapo-Gefängnis der Berliner Prinz-Albrecht-Straße. In einem Kelleraum mit Stuhl, Tisch, Feldbett samt "fürchterlich verdreckter Decke", einer Glühbirne von 100 Watt, die den ganzen Tag brennt und einer Länge von sieben Schritten.
"Ich bin gestern 5000 Schritte gegangen, also etwa 5 km, und habe 100 Kniebeugen gemacht. Den Tag habe ich mir so eingeteilt, dass ich abwechselnd lese, nachdenke, und mich bewege."
Moltkes selbst verordnetes Programm. Gegen den Stumpfsinn, die Ungewissheit, die Angst - im Land der Gottlosen
Wie ist ein Christ hierher geraten? Einer wie Moltke, Spross eines mecklenburgischen Adelsgeschlechts, Jurist, Anwalt für Völkerrecht und noch eben Mitarbeiter des geheimen Nachrichtendienstes der Wehrmacht unter Admiral Canaris? Die Gestapo hat ihn verhaftet. Man vermutet Moltkes Beteiligung an der Vorbereitung eines Staatsstreichs gegen Hitler.
Zunächst wird der Graf bevorzugt behandelt. Ein Schutzhäftling, dem die Londoner "Times" direkt in die Zelle geliefert wird.
Auch Bücher über Agrarwirtschaft studiert Moltke im Gefängnis, schließlich muss er sein Landgut im schlesischen Kreisau bewirtschaften, mit seiner Frau Freya berät er sich über die Anschaffung einer neuen Bienenkönigin. Und Moltke liest täglich die Bibel:
"Alle Paulus-Briefe, danach den 1. Petrusbrief und alle Apostelbriefe. Die Evangelien waren für ihn der Versuch, den Lebensweg des Jesus von Nazareth, seine Taten und Worte, seinen Leidensweg und seine Auferweckung zu verstehen und theologisch zu deuten."
Schreibt Günter Brakelmann im Vorwort dieses Buches.
"Ich habe mich viel mit dem ersten Korintherbrief beschäftigt, das 13. und 15. Kapitel immer wieder gelesen. Wie auch Konräd’chens Taufspruch."
"Wachet, steht im Glauben, seid mutig und seid stark!" Der Taufspruch von Moltkes Sohn Konrad, geboren im September 1941.
Im Konzentrationslager Ravensbrück ist Moltke kein bevorzugter Gefangener mehr, man drangsaliert ihn wie die anderen. Der Schornstein des Krematoriums gegenüber seinem Zellenfenster "raucht wie toll", und wenn wieder einer der Insassen "zum Spaziergang ums Lager " abgeholt wird, wissen alle Bescheid. Das ist Alltag – im Land der Gottlosen.
"Gestern ist bemerkt worden, dass ich meinem Unterbewohner immerzu Essen runter geworfen habe. Es hat einen kleinen Krach gegeben."
Wie dieser "kleine Krach" ausgesehen hat, darf sich der Leser ausmalen. Moltkes Witwe Freya hat diesem Buch ein Geleitwort voran geschickt. Daraus geht hervor, dass sämtliche Aufzeichnungen ihres Mannes in Ravensbrück durch die Hände eines Zensors gegangen sind. Moltke schrieb also mit dem Rotstift im Kopf.
Aber es gibt auch Texte in diesem Buch, die sind unzensiert und darum zweifellos die kostbarsten: Moltkes letzte Briefe aus der Todeszelle in Tegel. Der befreundete Gefängnispastor hat sie herausgeschmuggelt und seiner Frau übergeben.
In diesen Briefen berichtet Moltke auch über seine Verhandlung vor dem "Volksgerichtshof" unter Roland Freisler. Rechtsanwalt Moltke verteidigt sich selbst – und bringt Richter Freisler gelegentlich aus der Fassung:
"Er hieb auf den Tisch, lief an so rot wie seine Robe und tobte: "So etwas verbitte ich mir, so etwas höre ich mir gar nicht an !" - Da ich ohnehin wusste, was rauskam, war mir das alles ganz gleich. Ich sah ihm eisig in die Augen, was er offenbar nicht schätzte, und plötzlich konnte ich nicht umhin zu lächeln."
Dieses Buch kann man nicht hoch genug schätzen. – Es erlaubt den Blick in die Seele eines gläubigen Menschen, der täglich um Fassung ringt (und diese Fassung auch gewinnt!), umgeben von Gewalt, Leiden und Sterben. - Aber das hier ist kein Buch vom Tod, sondern ein Buch vom intensiven Leben, von Gott, von menschlicher Wärme, Solidarität, und (kaum zu glauben!) auch Humor im Angesicht des braunen Terrors. Bis zuletzt setzt sich Moltke für seine Mitgefangenen ein, für seine Freunde draußen und für seine Familie. Am 11. Januar 1945 schreibt er den letzten Brief an seine Frau:
"Mein Herz! Mein Leben ist vollendet, und ich kann von mir sagen: er starb alt und lebenssatt. Das ändert nichts daran, dass ich gerne noch etwas leben möchte, dass ich Dich gerne noch ein Stück auf dieser Erde begleitete. Aber dann bedürfte es eines neuen Auftrages Gottes. Der Auftrag, für den mich Gott gemacht hat, ist erfüllt."
Schreibt Helmuth James Graf von Moltke in sein Tagebuch. Am 28. Februar 1944, in einer Zelle des Konzentrationslagers Ravensbrück.
Vor ein paar Wochen saß Moltke noch im Gestapo-Gefängnis der Berliner Prinz-Albrecht-Straße. In einem Kelleraum mit Stuhl, Tisch, Feldbett samt "fürchterlich verdreckter Decke", einer Glühbirne von 100 Watt, die den ganzen Tag brennt und einer Länge von sieben Schritten.
"Ich bin gestern 5000 Schritte gegangen, also etwa 5 km, und habe 100 Kniebeugen gemacht. Den Tag habe ich mir so eingeteilt, dass ich abwechselnd lese, nachdenke, und mich bewege."
Moltkes selbst verordnetes Programm. Gegen den Stumpfsinn, die Ungewissheit, die Angst - im Land der Gottlosen
Wie ist ein Christ hierher geraten? Einer wie Moltke, Spross eines mecklenburgischen Adelsgeschlechts, Jurist, Anwalt für Völkerrecht und noch eben Mitarbeiter des geheimen Nachrichtendienstes der Wehrmacht unter Admiral Canaris? Die Gestapo hat ihn verhaftet. Man vermutet Moltkes Beteiligung an der Vorbereitung eines Staatsstreichs gegen Hitler.
Zunächst wird der Graf bevorzugt behandelt. Ein Schutzhäftling, dem die Londoner "Times" direkt in die Zelle geliefert wird.
Auch Bücher über Agrarwirtschaft studiert Moltke im Gefängnis, schließlich muss er sein Landgut im schlesischen Kreisau bewirtschaften, mit seiner Frau Freya berät er sich über die Anschaffung einer neuen Bienenkönigin. Und Moltke liest täglich die Bibel:
"Alle Paulus-Briefe, danach den 1. Petrusbrief und alle Apostelbriefe. Die Evangelien waren für ihn der Versuch, den Lebensweg des Jesus von Nazareth, seine Taten und Worte, seinen Leidensweg und seine Auferweckung zu verstehen und theologisch zu deuten."
Schreibt Günter Brakelmann im Vorwort dieses Buches.
"Ich habe mich viel mit dem ersten Korintherbrief beschäftigt, das 13. und 15. Kapitel immer wieder gelesen. Wie auch Konräd’chens Taufspruch."
"Wachet, steht im Glauben, seid mutig und seid stark!" Der Taufspruch von Moltkes Sohn Konrad, geboren im September 1941.
Im Konzentrationslager Ravensbrück ist Moltke kein bevorzugter Gefangener mehr, man drangsaliert ihn wie die anderen. Der Schornstein des Krematoriums gegenüber seinem Zellenfenster "raucht wie toll", und wenn wieder einer der Insassen "zum Spaziergang ums Lager " abgeholt wird, wissen alle Bescheid. Das ist Alltag – im Land der Gottlosen.
"Gestern ist bemerkt worden, dass ich meinem Unterbewohner immerzu Essen runter geworfen habe. Es hat einen kleinen Krach gegeben."
Wie dieser "kleine Krach" ausgesehen hat, darf sich der Leser ausmalen. Moltkes Witwe Freya hat diesem Buch ein Geleitwort voran geschickt. Daraus geht hervor, dass sämtliche Aufzeichnungen ihres Mannes in Ravensbrück durch die Hände eines Zensors gegangen sind. Moltke schrieb also mit dem Rotstift im Kopf.
Aber es gibt auch Texte in diesem Buch, die sind unzensiert und darum zweifellos die kostbarsten: Moltkes letzte Briefe aus der Todeszelle in Tegel. Der befreundete Gefängnispastor hat sie herausgeschmuggelt und seiner Frau übergeben.
In diesen Briefen berichtet Moltke auch über seine Verhandlung vor dem "Volksgerichtshof" unter Roland Freisler. Rechtsanwalt Moltke verteidigt sich selbst – und bringt Richter Freisler gelegentlich aus der Fassung:
"Er hieb auf den Tisch, lief an so rot wie seine Robe und tobte: "So etwas verbitte ich mir, so etwas höre ich mir gar nicht an !" - Da ich ohnehin wusste, was rauskam, war mir das alles ganz gleich. Ich sah ihm eisig in die Augen, was er offenbar nicht schätzte, und plötzlich konnte ich nicht umhin zu lächeln."
Dieses Buch kann man nicht hoch genug schätzen. – Es erlaubt den Blick in die Seele eines gläubigen Menschen, der täglich um Fassung ringt (und diese Fassung auch gewinnt!), umgeben von Gewalt, Leiden und Sterben. - Aber das hier ist kein Buch vom Tod, sondern ein Buch vom intensiven Leben, von Gott, von menschlicher Wärme, Solidarität, und (kaum zu glauben!) auch Humor im Angesicht des braunen Terrors. Bis zuletzt setzt sich Moltke für seine Mitgefangenen ein, für seine Freunde draußen und für seine Familie. Am 11. Januar 1945 schreibt er den letzten Brief an seine Frau:
"Mein Herz! Mein Leben ist vollendet, und ich kann von mir sagen: er starb alt und lebenssatt. Das ändert nichts daran, dass ich gerne noch etwas leben möchte, dass ich Dich gerne noch ein Stück auf dieser Erde begleitete. Aber dann bedürfte es eines neuen Auftrages Gottes. Der Auftrag, für den mich Gott gemacht hat, ist erfüllt."