Tag der Verfassung

"Alles gut geregelt"

Ein Buch zum Deutschen Grundgesetz.
Am 23.Mai 1949 wurde das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland verkündet © imago / Florian Schuh
Von Claudia van Laak und Vanja Budde · 23.05.2015
Das Grundgesetz wird 66. Eine demokratische Verfassung für Deutschland - nach der Erfahrung der Hitler-Diktatur war das für die Älteren lange Zeit etwas Besonderes. Doch was bedeutet das Grundgesetz den Jungen?
Die Humboldt-Universität im Herzen Berlins. Auf dem Hegel-Platz thront eine Büste des Philosophen, Studierende liegen auf dem Rasen in der Sonne, blättern in ihren Unterlagen oder trinken Cappuccino im Café Weltgeist.
Judith Günther und ihre Freundin haben die Aktenordner zur Seite gelegt, widmen sich einer sportlichen Pause.
Freiheit, Menschenrechte und Selbstbestimmung - alles gut geregelt
Das Grundgesetz? Na klar hat die Studentin der Betriebswirtschaft eine Haltung dazu.
"Mir ist mal aufgefallen, dass immer, wenn ich etwas lese, dass irgendwo Sachen passieren, die nicht konform sind mit dem deutschen Verfassungsrecht, dass mir dann auffällt, wie gut wir das haben im Sinne von, dass bei uns ja alles sehr gut festgelegt ist. Gerade was Freiheit, Menschenrechte und Selbstbestimmung angeht, dass mir positiv auffällt, wie gut das in Deutschland geregelt ist."
Der 24-jährige David Scherer hat an der Humboldt-Uni Jura studiert, arbeitet jetzt an seiner Promotion. Thema: Die Wirkmacht des Bundesverfassungsgerichts. Im 1.Semester konnte er mit der Verfassung noch nicht so viel anfangen.
"Das war am Anfang die Schwierigkeit im Studium. Als man Grundrechte hatte und man hatte nur einen Satz: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Und man sagte sich: Okay, was fange ich jetzt damit an?"
Verpasste Chance nach 1990
Mittlerweile kann David Scherer sehr viel mehr damit anfangen. Juristisch und persönlich:
"Wenn es um den Schutz meiner Privatsphäre geht. Und ich merke immer, wenn ich in den Medien Themen wie die NSA mitkriege, dass ich den Link zur Verfassung herstelle, mich dann frage, wie kann sie mich schützen im Zeitalter von Globalisierung, Digitalisierung. Und deswegen hat sie für mich, vielleicht auch wegen der juristischen Perspektive, eine relativ große Bedeutung."
David Scherer bedauert es ein wenig, dass das Grundgesetz nicht per Volksentscheid legitimiert ist. Im Zuge der deutsch-deutschen Vereinigung hätte man das gut machen können, meint der Jurist.
"Grundsätzlich fand ich die Idee immer spannend, sich noch mal an den Verfassungstext zu setzen und zu sagen, wir nehmen jetzt alle mit und nutzen die Dynamik. Man weiß jetzt nicht, durch die neuen Herausforderungen, Europäisierung, ob das nicht eine gute Idee wäre, wenn man die Verfassung mit dem Willen des Volkes zurückbindet."
Nehmen die jungen Leute die Verfassung zu selbstverständlich?
"Ich denke schon, dass wir eine großartige Chance verpasst haben, auch die Verfassung noch mal zu modernisieren. Natürlich hat sie in ihren Grundfesten eine Berechtigung, aber man hätte sie trotzdem auf jeden Fall auch noch mal überarbeiten können."
Onno Steenweg sieht dies ähnlich – der 18-Jährige macht gerade ein Freiwilliges Soziales Jahr beim Brandenburger Schülerrat, will danach Politikwissenschaften studieren. Im Fach Politik in der Schule habe er immer ein Grundgesetz zur Hand haben müssen, erinnert sich Steenweg. Es sei die Grundlage für den Unterricht gewesen.
"Und wenn man sagt: 'Die Würde des Menschen ist unantastbar', das sind natürlich Sätze, die wahnsinnig prägnant sind, die auch im Kopf dann noch vorhanden sind. Aber eine wirklich detaillierte Auseinandersetzung mit dem Grundgesetz haben wir in der Schule nicht gemacht."
Der ebenfalls 18 Jahre alte Abiturient David Salewski glaubt, dass seine Generation die Verfassung unseres Landes als allzu selbstverständlich hinnimmt:
"Vom Grundgesetz her oder von der generellen Verfassung ist es zwar einerseits sicherlich im Hinterkopf immer präsent, dass man sagt: 'Ja, es ist schon eine schöne Sache, dass man jetzt Pressefreiheit hat, dass man Versammlungs- und Streikfreiheit hat.' Aber es ist letzten Endes doch was, womit man aufgewachsen ist, worum man nicht kämpfen musste oder was irgendwie letzten Endes immer da war. Von daher lernt man es nicht so zu schätzen, wie man es eigentlich wahrscheinlich sollte."
Wahlverdrossene Jugend
Vor allem das Wahlrecht würden seine Altersgenossen nicht ausreichend würdigen, kritisiert David Salewski.
"Wenn man dann mit Politikverdrossenheit anfängt und man auch oft hört im eigenen Jahrgang oder so: 'Na ja, wählen gehen. Na ja, ach, bringt ja sowieso alles gar nichts' und so. Also es ist schon so, dass man ziemlich verwöhnt ist."
Alles in allem sind die beiden 18-jährigen Potsdamer also zufrieden mit dem Grundgesetz. Bis auf eine Ausnahme, sagt Onno Steenweg:
"Mir persönlich wäre wichtig, dass auch die Kinderrechte in die Verfassung mit aufgenommen werden. Das wäre auf jeden Fall ein wahnsinnig großer Schritt dahin, auch zu sagen: Jugendliche werden in der Bundesrepublik Deutschland mehr beteiligt und vor allem auch wahrgenommen. Und das könnte man gerade dadurch erreichen, dass also diese UN-Kinderrechte auch in die Verfassung mit aufgenommen werden."
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