Tag der Einheit des Volkes in Russland

Der kaum bekannte Feiertag

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Moskauer Passanten betrachten einen Festakt der Feuerwehr zum "Tag der Einheit des Volkes" auf dem Ausstellungsgelände "Errungenschaften der Volkswirtschaft".
Überschaubare Veranstaltung: Passanten betrachten einen Festakt zum "Tag der Einheit des Volkes" in Moskau. © picture alliance / dpa / TASS / Sergei Bobylev /
Katja Ladynskaya im Gespräch mit Eckhard Roelcke · 04.11.2022
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Russland hat einen Feiertag der Nationalen Einheit begangen, während seine Armee einen Eroberungskrieg gegen einen anderen Staat führt. Der Feiertag sei wenig bekannt, werde aber propagandistisch benutzt, sagt die Theatermacherin Katja Ladynskaya.
Russland hat am Freitag den "Tag der Einheit des Volkes" begangen. Der Feiertag wurde erst 2005 im Zuge eines neuen russischen Selbstverständnisses eingeführt und soll an die Befreiung Moskaus 1612 von polnisch-litauischer Besatzung erinnern. Dafür wurde der Jahrestag der Oktoberrevolution gestrichen. Doch vielen Russen ist der neue Feiertag kaum bekannt, sagt die Theatermacherin Katja Ladynskaya.

Falsches Geschichtsverständnis

Sie glaubt, dass die "Propagandamaschine" sehr benutzt werde, um ihn bekannter zu machen. Sie selbst habe erst vor ein paar Tagen von seiner Existenz gehört und vielen Menschen in der russischen Oppositionsbewegung sei er ebenfalls unbekannt. Ladynskaya kritisiert das Geschichtsverständnis und die Namensgebung:
"Auf die Geschichte wird gar nicht richtig eingegangen. Der Tag heißt 'Tag der Einheit des Volkes', doch Russland ist schon immer ein multikultureller Staat mit vielen auch nicht-slawischen Völkern und Sprachen gewesen."
Außerdem gebe es einen unauflösbaren Widerspruch: Man feiere die Befreiung Moskaus von Fremdherrschaft, während man selbst einen souveränen Staat überfalle. Das versuche die Propaganda mit dem vermeintlich gerechten Kampf gegen den Nazismus in der Ukraine aufzulösen, so Ladynskaya.

Tragende Rolle der Orthodoxen Kirche

"Die Wurzeln des Problems liegen in der Sowjetunion. Auch dort gab es in vielen Teilen Zwangsrussifizierungen und auch damals hat man versucht, die ukrainische Sprache auszulöschen. Auch damals gab es den Propagandabegriff der 'Russischen Welt', der heute wieder so wichtig geworden ist."
Dabei spiele auch die religiöse Komponente eine wichtige Rolle. Der russische Patriarch habe schon mehrfach russische Soldaten gesegnet und den Angriff auf die Ukraine als "Heiligen Krieg" bezeichnet. Auch greife man auf Bilder und Symbolik des Zweiten Weltkriegs und den damaligen Kampf gegen den Nazismus zurück, "um bei den Leuten das Gefühl auszulösen, sie wären die Guten".
Die Menschen in Russland glaubten der Propaganda immer weniger, sagt Ladynskaya. Mittlerweile seien sie aber so daran gewöhnt, dass im Fernsehen gelogen werde, dass sie auch allen anderen Nachrichtenquellen nicht mehr glaubten.
(rja)

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