Täuschend echte Queen-Kopie

Von Louise Brown |
Elisabeth Richard hat ihr Aussehen zum Beruf gemacht. Die 71-jährige Londonerin mimt Elisabeth II., regierende Königin von Großbritannien. Seit 15 Jahren wirbt sie als adliges Double weltweit für Produkte, adelt Manager in Dubai oder eröffnet Einkaufzentren in Deutschland.
Es ist eigentlich keine Gegend für eine Königin, hier im Süd-Londoner Stadtteil Kennington. Am Horizont ragt eine Berglandschaft aus grau-schwarzen Apartmentblocks; junge Kapuzenträger driften, ihre Kampfhunde im Schlepptau, über unebene Gehwege.

Umso größer ist der Schock, wenn man Elisabeth Richard gegenüber steht: Vor einer Kulisse von bröckelnden, braun-schwarzen viktorianischen Häuserfassaden steht die 71-Jährige am Eingang ihrer schmalen Kellerwohnung. In ihren feuchten Haaren sind hellgrüne Lockenwickler sichtbar, das Gesicht ist ungeschminkt. Am liebsten möchte man fast wegschauen, so sehr ähnelt sie der regierenden britischen Königin.

Elisabeth Richard: "Wenn ich beim Einkaufen oder im Bus bin, werde ich ständig angestarrt. Immer wieder werde ich gefragt: ‚Wissen Sie eigentlich, wem sie ähnlich sehen?’ Und ich sage: ‚Wem?’ ‚Na, Sie sehen wie die Queen aus!’ Und ich sage: ‚Ach wirklich?’ und laufe dann mit einem Schmunzeln weiter."

Richard hat ihr Aussehen zum Beruf gemacht. Seit 15 Jahren arbeitet die einstige Buchhalterin als Queen-Double. Dabei sah sie erst in ihren Fünfzigern wirklich wie die Queen aus. In der Hoffnung, das schmale Gehalt aufzubessern, schickte sie ein paar selbst gemachte Fotos an einen Agenten. Wenige Wochen später hatte sie ihren ersten Auftritt im Fernsehen.

Üben musste sie eigentlich nicht, Queen zu sein, sagt sie. Haltung hat sie bereits von ihrer Mutter gelernt, die als Frau eines einfachen Arbeiters im ländlichen Nordengland stets darauf achtete, dass die kleine Richard ihren Tee - im Gegensatz zu den anderen Arbeiterkindern - mit Untertasse trank. Wie die Queen hat auch sie immer sehr viel Wert auf ein gepflegtes Äußeres, eine gute Aussprache und vorbildliche Manieren gelegt. Schon als junge Frau war die Queen für sie ein Vorbild.

Elisabeth Richard: "Nur aussehen wie jemand anders ist nicht genug. Im Falle der Queen ist der Job auch mit großen Kosten verbunden, hauptsächlich wegen der Kostüme, die wahnsinnig teuer sind."

Das Schlafzimmer gleicht einem Kostümverleih. Neben zahlreichen Pferderennen-Outfits in Aprikot und Hellrosa reihen sich in Richards deckenhohem Kleiderschrank Tweed-Röcke, Barbour-Jacken und feinste Seiden-Abendkleider. Vieles aus ihrer Kollektion stammt von den Firmen, die auch die Queen beliefern.

Queen-Double sein ist eine teure Aufgabe: Allein ein Diadem kostet 1200 Pfund, davon hat sie drei Stück anfertigen lassen. Auch so ist der Beruf mit viel Aufwand verbunden: Seit einigen Jahren muss sie ihr graues Haar weiß färben. Seitdem sie die Queen nachahmt, kann sie nie wieder eine Diät machen.

Das Telefon klingelt. Elisabeth Richard nimmt den Hörer ab:

"Hello, ... hello Charles! I've got a journalist with me …"

Mit Charles ist Richard besonders gut befreundet. Auch er ist von Hauptberuf royaler Double. Einen Prinz Philipp hat Richard nicht: Von ihrem Mann trennte sie sich schon vor vielen Jahren, den erwachsenen Sohn sieht sie selten. Viel hält er von ihrer Berufswahl nicht. Königlich zu sein, kann auch einsam sein: Wie die echte Queen muss auch die falsche sehr viel reisen und auch bei ihr ist jede Reise mit einem Auftritt verbunden.

Für Humus in Israel bis zu Fisch in Portugal hat Richard geworben; als die Queen hat sie Manager in Dubai "geadelt", Einkaufszentren in Deutschland eröffnet und Geschäfte in Kuala Lumpur eingeweiht. In der Londoner Royal Festival Hall tanzte sie bei einem ABBA-Gedenk-Konzert vor vollem Hause zu "Dancing Queen". Für ein Foto-Shooting neben der königlichen Yacht setzte eine britische Zeitung sie mitten auf der Themse in ein kleines Ruderboot – und vergaß sie prompt, anzubinden.

Wenn schon nicht mit der Queen, dann mit dem Ersatz scheint das Motto nicht weniger Reporter und Zeitungsmacher zu sein. "Freuen Sie sich, dass die Flure des Palastes endlich nicht mehr nach Urin riechen?" rief ihr ein Reporter etwa kurz nach dem Tod der Königinmutter zu. Nicht umsonst scheint da gerade das Kostüm im kämpferischen Knallrot Richards Lieblings-Auftrittskleidung zu sein:

Elisabeth Richard: "Auch ich bekomme keinen besseren Einblick in das Leben der Queen und das Königshaus. Man hört vielleicht das eine oder andere, sicher kann man sich dabei aber nie sein. Auch ich muss mir immer vorstellen, was die Queen denken oder sagen würde. Dennoch fragen mich einige Leute auf Auftritten ziemlich schlimme Dinge. Da sage ich nur: Auch wenn Sie kein Royalist sind oder das Königshaus nicht mögen, lässt Eure Wut nicht an mir aus - ich bin doch nur eine Schauspielerin!"
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Das Original Queen Elizabeth II., Königin von Großbritannien.© AP
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