Syrische Künstler in den Münchner Kammerspielen

"Ein Perspektivwechsel ist extrem wichtig"

Mitglieder des Open Border Ensemble an den Münchner Kammerspielen in dem Stück "Miunikh - Damaskus".
Mitglieder des Open Border Ensemble an den Münchner Kammerspielen in dem Stück "Miunikh - Damaskus". © Gabriela Neeb/Münchner Kammerspiele
Jessica Glause im Gespräch mit Ute Welty · 29.12.2018
Damaskus: Das bedeutet nicht nur Bürgerkrieg und Flucht, sondern auch urbanes Leben und noch immer lebendige Kunstszene. Regisseurin Jessica Glause darüber, wie die Arbeit mit syrischen Kollegen an den Münchner Kammerspielen half, Klischees zu brechen.
Das deutsche Theater sucht nach Formen, mit dem Thema Flucht und Migration umzugehen. Projekte mit Geflüchteten umzusetzen – etwa am Berliner Maxim Gorki Theater – ist eine Möglichkeit. Die Münchner Kammerspiele wählten mit ihrem Projekt Open Border, für das sie drei syrische Schauspieler engagierten, einen anderen Weg: Es sind keine Geflüchteten, sondern junge Künstler – sogenannte Künstler in Isolation, die trotz des Krieges in ihrer Heimat ausharren -, die mit einem befristeten Arbeitsvisum nach München kamen.

Moderne Großstadtmenschen, die Sushi essen

Die Regisseurin Jessica Glause hat mit ihnen das Stück "Miunikh – Damaskus" in deutscher, englischer und arabischer Sprache realisiert, das vom Alltag in Damaskus erzählt und an verschiedenen Orten in München gezeigt wurde. Was ihr besonders wichtig an dem Projekt ist: einen anderen Blick auf Syrien und auf die jungen Schauspieler zu werfen – jenseits der Geflüchteten-Klischees:
"Der eine kam gerade von einem Casting, der andere hatte vorher als DJ aufgelegt. Und ich habe mich selbst dabei ertappt, wie groß meine Irritation war, weil ich natürlich dachte: ‚Häh? Wie könnt ihr denn zu Castings gehen und als DJ arbeiten – da ist doch gerade Bürgerkrieg!‘ Und ich habe gemerkt, dass ein Perspektivwechsel extrem wichtig ist."
Deutsche und syrische Mitglieder des Open Border Ensemble in dem Stück "Miunikh - Damaskus".
Deutsche und syrische Mitglieder des Open Border Ensemble in dem Stück "Miunikh - Damaskus".© Gabriela Neeb/Münchner Kammerspiele

Arbeit gegen die Klischees

Es gebe durchaus Überschneidungen des Lebens in München und in Damaskus – beides seien etwa urbane Städte. Auch in Damaskus würden die Menschen "nach wie vor Sushi und Steak essen." Menschen würden ihren städtischen Alltag leben, Künstler würden versuchen, ihrem Beruf auf der Bühne und im Fernsehen nachzugehen. "Mir war es wichtig, dass moderne Menschen aus einer urbanen Stadt hierher kommen" – es sei ihr darum gegangen die Klischees über Geflüchtete zu brechen, die meist mit Armut und geringer Bildung in Verbindung gebracht würden.
Die syrischen Kollegen seien in die Arbeit des Kammerspiele-Ensembles integriert. Wie es nach Abschluss des Projektes weitergehe – Intendant Matthias Lilienthal verlässt 2020 die Kammerspiele – stehe allerdings noch nicht fest, sagte Gause.
Mehr zum Thema