SWR-Chefreporter: Wikileaks-Dokumente bedeuten Zäsur

Nach der Enthüllung zehntausender Geheimdokumente müssten die Kriegsteilnehmer in Afghanistan ihr Handeln künftig stichhaltiger begründen, sagt der Vorsitzende des "netzwerks recherche", Thomas Leif.
Leif sieht die Befürworter des Krieges in Afghanistan durch die jüngsten Veröffentlichungen bei WikiLeaks massiv unter Druck gesetzt.

Die "kriegstreibenden Staaten" stünden durch die im Internet veröffentlichten Dokumente unter einem enormen Legitimationsdruck, sagte der Chefreporter des SWR: "Sie müssen jetzt auf jeden Fall begründen, was sie tun und warum ihr Kriegseinsatz so wenig erfolgreich ist." Zudem könnten sie die Öffentlichkeit in Zukunft nicht mehr so leicht belügen und in die Irre führen.

Die Fülle an Dokumenten werde nicht nur von den Medien ausgewertet, sondern auch von der Wissenschaft; jede falsche Fährte werde sofort entlarvt. "Die Rolle Pakistans steht in einem ganz anderen Licht, die Effizienz des Kriegsgeräts, (…) die so genannten Killing Kommandos, die einzelne Taliban ermorden sollen – all das ist öffentlich jetzt, und deshalb ist der Legitimationsdruck bei diesem Krieg größer", betonte Leif.

Es sei eine "Zäsur", dass erstmals ein so großes Materialkonvolut verfügbar sei, das einen anderen Blick auf den Krieg in Afghanistan erlaube. Allerdings habe sich auch gezeigt, dass WikiLeaks wertlos sei, wenn die Dokumente nur ins Netz gestellt würden. Die Nachanalyse sei entscheidend. "Der Mehrwert für die Öffentlichkeit ist die solide, seriöse, abgeklärte Einordnung dieses Materials und die Schlüsse, die daraus gezogen werden müssen", sagte Leif. Dies bedeute eine Renaissance der klassischen journalistischen Tugenden.

Sie können das vollständige Gespräch mindestens bis zum 27.12.2010 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.
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