Swing-Legende Norma Miller

Die Königin des Lindy Hop

07:14 Minuten
Die 95-jaehrige "Queen of Swing" Norma Miller im Ballhaus in Berlin.
Norma Miller ertanzte sich den Beinamen "Queen of Swing". © picture alliance / Eventpress Hoensch
Swantje Harmsen im Gespräch mit Mathias Mauersberger · 02.12.2019
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Norma Millers Leben, das waren knapp einhundert Jahre gelebte Tanzgeschichte. Von den New Yorker Tanzsälen aus verbreitete sie den Lindy Hop in der ganzen Welt. Ihre Virtuosität inspiriert Swing-Tänzer bis heute.
Die begnadete Swing-Tänzerin Norma Miller hätte Ihren 100. Geburtstag fast noch erlebt. Doch Norma Miller starb ein halbes Jahr vorher, am 5. Mai 2019, im Alter von 99 Jahren.
Ihre Karriere begann in Harlem, unter anderem im legendären Apollo-Theater. In den 1920er-Jahren tanzte sie an den Straßenecken und auf Partys, ab Mitte der 1930er-Jahre trat sie mit den großen Jazz-Orchestern der damaligen Zeit auf.

Swantje Harmsen, auch bekannt als DJ Swingin′ Swanee, lernte Norma Miller Ende der 90er-Jahre in den Broadway Studios in San Francisco kennen.

Der einzige Saal, in dem Schwarze und Weiße tanzten

"Sie erzählte viel vom afro-amerikanischen Stadtteil Harlem – in den 1930er-Jahre das Zentrum des New Yorker Nachtlebens. Die besten Swingbands und Tänzer des Landes fanden sich hier allnächtlich im Savoy Swinging Ballroom ein. Das war der einzige Ballsaal landesweit, wo Schwarze und Weiße gemeinsam feiern und tanzen konnten."
So sei im Savoy ein enormes kreatives Potential freigesetzt worden, was zur Geburt des wohl innovativsten und spektakulärsten Swingtanzes geführt habe: dem Lindy Hop. Norma Miller sei das jüngste Mitglied einer Gruppe der zehn besten Lindy-Hop-Tänzer gewesen.
"Jede Nacht haben sie hier zu den Klängen der besten Bands des Landes wie Chick Webbs Band mit Ella Fitzgerald oder dem Orchester von Count Basie geübt. Direkt vor der Bandbühne hatte sie ihre eigene Ecke, damit sie sich ausleben konnten", so Swantje Harmsen.

Ein Pavillon auf der Weltausstellung

Die Lindy Hopper im Savoy seien zur Attraktion geworden. Filmstars und Touristen, sie alle seien ins Savoy gekommen, um diesen Tanz zu lernen. "Später gab es dann Tanzwettbewerbe außerhalb Harlems, die stets von den afro-amerikanischen Savoy Lindy Hoppern gewonnen wurden." 1939 auf der Weltausstellung in New York hätten die Tänzer sogar einen eigenen Savoy-Pavillon gehabt.
Schnell habe sich die Gruppe zu einer Profi-Tanztruppe entwickelt, die mit Bands auch außerhalb der USA tourte. Was laut Swantje Harmsen "ein weltweites Swingfieber" ausgelöst habe.

Dem Humor sind keine Grenzen gesetzt

Auch heute tanzt man in Deutschland Lindy Hop. "Es ist ein sehr energiegeladener, mitreißender Partnertanz, viel Improvisation gehört dazu, Rollenwechsel, der Fantasie und vor allem auch dem Humor sind keine Grenzen gesetzt", sagt Swantje Harmsen. Man könne sich jederzeit neue Schritte ausdenken, es müsse nur zur Musik passen. Das sei ansteckend.
"Profis wie Norma Miller konnten zu unfassbaren Tempi tanzen, akrobatisch warfen sie sich durch die Luft, kamen im Beat wieder auf den Boden auf, und sie swingten einfach spektakulär und unerreicht."
Norma Miller habe die Bewegungsabläufe aus dem Savoy auch den europäischen Tänzern nahegebracht, bis zu ihrem Tod. Ganze Generationen hätten so wieder angefangen, Lindy Hop zu tanzen. "Sie haben uns inspiriert als Tanzlehrer, Zeitzeugen, aber auch mit ihrer wunderbaren strahlenden Persönlichkeit."

Norma Miller hat sich fast alle Träume erfüllt

Den Tanz und sein afro-amerikanisches Erbe verbreiten zu können, habe für Norma Miller große Bedeutung gehabt, sagt Swantje Harmsen. Auch noch im hohen Alter sei sie von Swingfestival zu -festival gereist, habe Interviews gegeben, Vorträge gehalten und sogar Bücher geschrieben – darunter ihre Autobiografie "Swingin’ at the Savoy".
Swantje Harmsen ist sich sicher: "Norma Miller hat sich fast alle Träume erfüllt. Sie starb zu Hause in Florida an Herzversagen umgeben von Freunden, lächelnd zu den Klängen ihrer Lieblingsband Count Basie, 'Jumpin’ at the Woodside" von 1938.'"
(rod)
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