Götze und Joeres: "Klima außer Kontrolle"

Klimakatastrophen von heute

Auf dem Cover ist eine Illustration zu sehen, auf der sich eine Schienenstrecke und eine Straße kreuzen. Darüber die Namen der Autorinnen und der Buchtitel.
© Piper Verlag

Susanne Götze, Annika Joeres

Klima außer Kontrolle. Fluten, Stürme, Hitze - Wie sich Deutschland schützen muss.Piper, München 2022

235 Seiten

20,00 Euro

Von Volkart Wildermuth |
Die Flutwelle im Ahrtal, das Baumsterben im Harz und die Hitzewelle zeigen: Der Klimawandel kommt nicht, er ist schon da. Und Deutschland ist nicht vorbereitet. Die Journalistinnen Susanne Götzke und Annika Joeres halten das für fahrlässig.
Susanne Götze und Annika Joeres sind durch ganz Deutschland gereist, haben sich mit den Folgen von Starkregen beschäftigt, mit dem steigenden Meeresspiegel, vertrocknenden Äckern und überhitzen Städten. Und überall lautet ihre Diagnose im Grunde gleich: So wie es ist, kann es nicht weitergehen.
Das ist den meisten theoretisch klar, aber praktisch passiert fast nichts: „Pläne gibt es viele, konkrete Schutzvorkehrungen für Klimagefahren wenige.“

Hochwasser-Demenz im Ahrtal

Beispiel Ahrtal: Dort gab es 1804 und 1910 verheerende Hochwasser, aber die wurden von den Behörden und auch den Bewohnern verdrängt. Auf Überflutungsflächen entstanden Häuser, die dann weggespült wurden. Jetzt werden sie am selben Ort wieder aufgebaut.
„Hochwasser-Demenz“ nennen das die Autorinnen und beklagen: „Es wird in Deutschland wenig Geld in Prävention, aber sehr viel Geld in Schadensbeseitigung gesteckt.“
Nötig wäre, die Macht der sich verändernden Natur anzuerkennen. Aber selbst dort, wo es zum Beispiel Überflutungskarten gibt, sind sie oft nicht öffentlich: „Dahinter steht die Sorge, dass die Preise von Immobilien in Starkregengebieten fallen könnten“. Dieses Wegsehen wird aber schon in naher Zukunft nicht mehr möglich sein.

Rückzug und Verzicht sind nötig

In ihrem Buch sprechen Götze und Joeres die unangenehme Wahrheit aus: „Anpassung bedeutet oftmals, sich zurückzuziehen und mit weniger auszukommen“. Weniger Häuser an der Küste oder in Flusstälern, weniger versiegelte Fläche und damit weniger Parkplätze in den Städten, weniger Gewinn in der Waldwirtschaft, weniger Fleisch auf dem Teller und auch weniger Kartoffeln, denn die brauchen besonders viel Wasser. Schon heute ein Problem bei heißen Sommern.
Die Analyse der Autorinnen ist klar, mit vielen Beispiel belegt. Was aber die Handlungsempfehlungen für die Zukunft betrifft, bleiben sie leider allzu vage. Zwar schließt jedes Kapitel mit einem Abschnitt „Was können wir tun?“ Aber der ist meist nur eine halbe Seite lang, formuliert weniger eine Strategie als Einzelprojekte aufzuzählen.

Handeln ist nötig – aber wie?

Es ist sicher toll, wenn Langzeitarbeitslose mit Eseln städtische Felder bestellen. Aber das ist keine effektive Klimaanpassung. Statt hier harte Zahlen, konkrete Vorschläge zu präsentieren, bleiben Susanna Götze und Annika Joeres wohlfühl-wolkig:
„Es geht um einen Schutz, der unseren Alltag in den meisten Fällen nicht nur sicherer, sondern auch schöner und gesünder machen kann. Wir können uns also auf die Anpassung freuen.“
Liest man ihr Buch genau, scheint das höchst unwahrscheinlich. Es wird viele Verlierer geben und entsprechend harte Konflikte. Die anzugehen, ist bitter nötig – je früher, desto besser. Daran kann man nach der Lektüre dieses Buches kaum noch zweifeln.
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