Susann Sitzler: "Freundinnen. Was Frauen einander bedeuten"

Wie Freundinnen das Leben bereichern – meistens

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Susann Sitzler: Freundinnen. Was Frauen einander bedeuten © Klett Cotta Verlag, Imago
Von Susanne Billig  · 08.09.2017
Persönliche Erzählung und wissenschaftliche Freundschaftsforschung finden sich im Buch "Freundinnen: Was Frauen einander bedeuten". Es ist ein vielschichtiges Werk jenseits gängiger Vorurteile, urteilt unsere Kritikerin. Gute Freundinnen machten das Leben reich, aber sie sorgten auch für einigen Kummer.
Ihre erste Freundin begegnete ihr bei der Einschulung – die wunderschöne Yvette. "Ich liebte sie wegen ihrer langen, dicken Haare und wegen ihres sonnengebräunten Gesichts mit den feinen, goldenen Härchen", erzählt Autorin Susanne Sitzler in ihrem neuen Buch "Freundinnen: Was Frauen einander bedeuten".
Für die Dauer eines Jahres konnte sie das beliebte Mädchen erobern, kletterte in der Rangordnung der Klasse weit nach oben und sonnte sich im Glanz der Schulfreundin. Das Ende kam schmerzhaft: Nach einem Umzug brach Yvette den Kontakt mit einer lapidaren Postkarte ab.

Bewährung im Alltag

Mit der Geschichte ihrer ersten Freundschaft führt Susann Sitzler anschaulich in die große Bandbreite der Gefühle ein, die in Freundschaften unter Frauen eine Rolle spielen können und die das Buch nach und nach erkundet. Am Anfang der "Girl Crush", der durchaus Ähnlichkeiten hat mit einer Verliebtheit – so interessant scheint die andere Frau, so begehrenswert ihre Zuneigung und Vertrautheit. Dann aber muss sich die Freundschaft im Alltag bewähren.
Fühlen sich die Gespräche tatsächlich erfüllend an? Ist die Freundin auch mal in schlechten Zeiten zur Stelle? Suchen beide den Kontakt oder werden Emails, SMS und Telefonate zunehmend einsilbig und einseitig? Gute Freundinnen machen das Leben einer Frau reich, betont die Autorin: Aber sie sorgen auch für eine Menge Kummer.

Abneigung gegenüber dem Körper

Unter knappen Kapitelüberschriften ("Macht", "Risiko", "Flucht", "Abenteuer", "Verwitterung") wandert Susanne Sitzler in größeren und kleineren Erzählbögen durch ihre persönlichen Freundschaftserfahrungen, durch Literatur, Filme und eine Menge Klischees, ergänzt um nachdenkliche Betrachtungen und immer wieder auch erhellende Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Freundschaftsforschung. Auch stilistisch schlägt sie viele Tonfälle an, schreibt mal melancholisch, mal kühl, mal leidenschaftlich. Nach und nach entsteht so ein vielschichtiges Buch jenseits gängiger Vorurteile. Ist es wirklich so – Stichwort "Zickenkrieg" –, dass Frauen übler miteinander konkurrieren, als es die geradlinigen Männer tun?
In Susann Sitzlers erfreulich differenzierter Position ist viel Platz für das wichtige Thema Abneigung gegenüber dem eigenen Körper. Denn "eine der schädlichsten Normen, die Freundinnen einander vermitteln, sind die Maßstäbe für Körperformen", betont die Autorin – und welche Frau wüsste nicht, wie häufig gute Freundinnen miteinander über Gewichtskurven, Bauchformen oder Faltenbildung sprechen? Doch dass die Mehrzahl ihrer Frauenfreundschaften von schäbiger Konkurrenz vergiftet gewesen sei, unterschreibt Susann Sitzler aus persönlicher Erfahrung eben nicht.

Vielzahl der Freundschaften

Einziger Kritikpunkt an diesem sonst sehr lesenswerten, abwechslungsreichen Buch: die Autorin berichtet von so unglaublich vielen Freundschaften zu Frauen im Laufe ihres nicht einmal fünfzigjährigen Lebens, dass man sich fragt, ob sie tatsächlich unterscheidet zwischen guter Bekannter und echter Freundin. Wenn ja, dann liegen ihr andere Frauen – zwischen einer Lust auf neue Begegnungen und der Bereitschaft zum herben Verlust – auch privat wirklich am Herzen.

Susann Sitzler, Freundinnen. Was Frauen einander bedeuten 
Klett-Cotta Verlag
Stuttgart 2017
256 Seiten
20,00 Euro

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