Surreale Albträume

Magische Bedrohungen und mystische Rätsel – das Buch "Wispernde Schatten" des Briten Daniel Blythe liefert alles, was das Mystery-Genre zu bieten hat. Die Protagonistin Miranda wird von Albträumen und angsteinflößenden Schatten verfolgt. Hat sie wirklich übersinnliche Fähigkeiten - oder bildet sie sich alles nur ein?
Seit Miranda mit ihrer Mutter nach Firecroft Bay gezogen ist, wird sie nachts von Albträumen geplagt und tagsüber von Furcht erregenden Schatten verfolgt. Als es im Schulbus auch noch schneit und in der Schule die PCs explodieren, ist die düstere Bedrohung komplett. Auch eine Gruppe von hochintelligenten Außenseitern ist diesem Rätsel auf der Spur und behauptet, Miranda habe eine ganz spezielle Fähigkeit, es aufzuspüren. Womit für das Mädchen ein spektakuläres Abenteuer beginnt, in dem es um nicht weniger geht als die Rettung der Welt. Spannung pur bis zur letzten Seite…
Albträume, magische Bedrohungen und mystische Rätsel – Daniel Blythes "Wispernde Schatten" liefert alles, was das Mystery-Genre zu bieten hat. Dazu kommen typische Thriller-Elemente, die den Konflikt um Gut und Böse und schließlich des Rätsels Lösung mitten in die Protagonistin und Ich-Erzählerin Miranda verlegen. Bildet sie sich die geheimnisvollen Ereignissen und Visionen nur ein oder gibt es die wirklich? Gehört die merkwürdige Schüler-Truppe um die beliebte Lehrerin Miss Bellini zu den Guten oder Bösen? Der Leser folgt Mirandas Spuren durch ein Dickicht aus wispernden Schatten, "paranormalen" Erscheinungen und wabernden Vermutungen mit angehaltenem Atem!
Doch nicht nur die Liebhaber des unheimlichen Genres, auch Science-Fiction-Fans kommen hier auf ihre Kosten. Daniel Blythe stattet die undurchschaubare Nerd-Clique mit einem riesigen unterirdischen Technik-Labor aus, in dem sie physikalische und chemische Experimente, Internet-Hacking und elektronische Überwachung betreiben. So überspannt die Romanhandlung mit mythischen Motiven aus dem Mittelalter, aktueller Schul-Story und Science-Fiction-Elementen einen Zeitraum von Vergangenheit über die Gegenwart bis in die Zukunft. Und bietet beiden, Mädchen und Jungen, spezifischen Lesestoff.
Dass wir es mit einem reinen Unterhaltungsroman zu tun haben, tut dem Lesespaß keinen Abbruch. "Wispernde Schatten" ist mit lockerer Hand gestrickt. Die Sprache wirkt rastlos, wie von der Action-Handlung vor sich her getrieben. Mirandas Nerven liegen blank. Sie hält das surreale Geschehen in paradoxen Bildern fest: Wie Heiß und Kalt, Feuer und Wasser, Licht und Schatten sie bedrängen, das schlägt sich unmittelbar im Erzählton und in der Atmosphäre des Romans nieder.
Dass da nicht viel Raum bleibt für Humor, ist klar – aber auch schade. Hätte man sich doch manchmal etwas mehr Distanz zur allmächtigen Bedrohung gewünscht oder zumindest ein Augenzwinkern. Wobei es an frechen Bemerkungen und flotten Sprüchen zwischen den Jugendlichen, an schlagfertigen Dialogen und ironischem Geplänkel nicht mangelt. Bierernst wabern die wispernden Schatten nicht über der südenglischen Landschaft. Und da der Roman am Meer spielt, ist er auch eine passende Lektüre für sommerliche Urlaubswochen. Abkühlung im frostig-verschneiten Bus eingeschlossen.
Besprochen von Sylvia Schwab

Daniel Blythe: Wispernde Schatten
aus dem Englischen von Michaela Kolodziejcok
Verlag Chicken House, Hamburg 2013
304 Seiten, 13,95 Euro
ab 12 Jahren


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