Bauernbilder und gegenstandslose Formen
Kasimir Malewitsch ist im Westen vor allem als Begründer des Suprematismus bekannt. Die Bundeskunsthalle präsentiert mehr als 300 Werke von ihm und seinen Zeitgenossen. Angefangen bei frühen abstrakten Bildfindungen bis zu figürlichen Darstellungen.
"Großartig, diese Fülle an Weltkunst sieht man selten!"
Kulturstaatsministerin und Kunsthistorikerin Monika Grütters hat Grund zum Schwärmen. Allein die Menge der präsentierten Leihgaben aus Amsterdam, London und St. Petersburg beeindrucken und erlauben eine Korrektur des herkömmlichen Bildes vom Maler der schwarzen Quadrate. Kasimir Malewitsch beginnt mit symbolistischen Heiligenbildchen, wechselt rasch zu spätimpressionstischen Landschaftsbildern, geht über zu expressiven Bauernporträts und entwickelt Anfang des letzten Jahrhunderts den gegenstandslosen Suprematismus. Auf die Quadrate und geometrische Formen folgen Ende der Zwanziger Jahre wieder Bauernporträts. Intendant Rein Wolfs:
"Das Interessante von Malewitsch, was ich ganz spezial finde, ist, dass er Riesenbögen schlägt. Und, dass er imstande ist, in seinen Anfängen mit bestimmten Themen aufzuwarten, mit dem Bauernthema, was ganz stark in der russischen Kultur verankert ist, und am Ende seines Oeuvres wieder darauf zurückkommt."
Bei Malewitsch springt einfach ins Auge: Volkstümliches und Suprematistisches, Bauernbilder und gegenstandslose Formen gehören hier zusammen. Das rote Quadrat auf weißem Grund, ein Hauptwerk von 1915, hat den Titel "Malerischer Realismus einer Bäuerin in zwei Dimensionen". Unter dem roten Quadrat ist die Bäuerin gewissermaßen geistig verborgen. Ihre rote Schürze wurde abstrahiert. Kurz, der Suprematismus ist nicht völlig gegenstandslos. Und die Gegenstände neigen zur Abstraktion:
"Und ich meine, das ist für mich, das Interessante. Er fängt an zum Beispiel mit Figuren zu malen, mit Porträts zu malen, hört auch damit auf. Aber, wenn er damit aufhört, wieder realistisch geworden ist, dann hat er den ganzen suprematistischen Werdegang mit einfließen lassen."
Das Spätwerk ist besonders umfangreich vertreten. Für Ausstellungsleiterin Agnieszka Lulinska schließt sich in Kasimir Malewitschs Lebenswerk eine Art Kreis:
"Und ich glaube, das Besondere an Malewitsch, das fasziniert mich persönlich immer an ihm, dass er sich diese Erbe bewusst war, ging von ihm weg, kehrte zu ihm zurück. Er hatte keine Hemmungen, das plötzlich wieder aufzunehmen."
Unter dem Druck des sozialistischen Realismus findet er zurück zur Figuration. Er signiert jetzt mit einem kleinen schwarzen Quadrat. Ander Stelle der Namenssignatur ist ein Quadrat. Heute würden Marketing Experten wohl von einem Logo sprechen.
"Er stand für diese ganzen Brüche, für die Suche, für die Überhöhung des Künstlers als einer , der auf einem dieser wunderbaren Zeichnungen sehen sie, schreibt er selbstbewusst, "ich bin der Apostel der neuen Kunstrichtung, der Chirurg des Geistes". Ich meine, ich bitte Sie, ja?"
Diese Ausstellung zeigt, was selten so deutlich wurde. Wer von Suprematismus, wer von reduzierten Formen, von Abstraktion und Gegenstandslosigkeit spricht, darf von Spiritualismus nicht schweigen. Bundeskunsthallen-Intendant Rein Wolfs:
"Ist absolut der Fall. Es ist ein absolut spiritueller Maler. Wenn er von gegenstandslos spricht, dann ist das zum Teil auch eine Masche, wo hinter er sich versteckt, um nicht klarzumachen, worum es eigentlich auch geht. Es sind durchaus auch Themen, die er da aufnimmt. Er nimmt auch Themen der Schwerelosigkeit an. Er nimmt auch das Thema des Schwebens an. Also, ich würde fast sagen, es sind fast Weltraumvisionen, die da auch mitspielen."
Immer wieder sind Kreuze zu entdecken, mal tatsächliche, mal als Zeichen abstrahiert. So macht es Sinn, in Bonn auch einige Historische Ikonen neben Gemälden der russischen Avantgarde auszustellen. Sein schwarzes Quadrat auf weißem Grund wurde selbst zur Ikone der Moderne. Ein Automobil seines Begräbniskorsos trug es in Leningrad wie eine Monstranz am Kühler.
"Das war 1935, das war auch eine Demonstration. Sie dürfen nicht vergessen, was zu der Zeit, in der Sowjetunion, natürlich dann schon die abstrakte oder gegenstandslose Kunst absolut passé waren."
Für Kulturstaatsministerin Grütters ist diese Kunst-Ausstellung auch ein politisches Zeichen in konfliktreichen Tagen.
"Zumindest ist es zuversichtlich stimmend, dass es wieder einmal die Kunst ist, die Kultur, die die Brücken baut. Ich bin froh, dass der russische Botschafter hier ist. Ich selbst bin gekommen. Daran sieht man wie wichtig uns auch dieser Aspekt ist."