"Superrabbis"

Von Matthias Bertsch · 14.05.2010
Was haben Superman, Batman und Art Spiegelman gemeinsam? Sie sind Teil der jüdischen Comicgeschichte. Mit eben dieser beschäftigt sich die Ausstellung "Helden, Freaks und Superrabbis. Die jüdische Farbe des Comics", die seit heute im Jüdischen Museum in Berlin zu sehen ist.
Gibt es eine "jüdische Farbe des Comics", wie es der Ausstellungstitel andeutet? "Ja", sagt die Programmdirektorin des Jüdischen Museums, Cilly Kugelmann, ohne langes Zögern: "es sind die Themen, die zwischen den Zeilen aufscheinen."

"Wenn wir 'Superman' nehmen, das ist ja eigentlich ein Comic, der sich eher an Jüngere wendet, an Teenager, das sind Unterhaltungsgeschichten, Weltrettungsgeschichten, die nach der großen Wirtschaftskrise mit Heilungsideen verbunden waren, Kampf gegen die Kriminalität in der Metropole, und dieser Superman bekämpft schon 1936, 37 die deutschen Nazis, also Adolf Hitler und Göring, und daran kann man vielleicht sehen, dass das jüdische Autoren und Zeichner waren, die diese Figur kreiert haben, weil in den USA zu dem Zeitpunkt noch gar kein Interesse für die deutsche Politik bestand."

Im Vordergrund der Geschichten allerdings standen weder Politik noch explizit jüdische Themen. Die meisten jüdischen Comiczeichner waren säkular geprägte Emigranten aus Ost- und Mitteleuropa, die versuchten, sich in der Neuen Welt – oder konkreter: in New York – zu behaupten.

Margret Kampmeyer: "Das waren einfach junge Leute, die Erfolg haben wollten und ein großes Publikum suchten und deshalb Figuren erfunden haben wie auch Superman, Batman, und so weiter, mit denen sich sehr viele Jugendliche und ein großes Lesepublikum identifizieren konnte, und viele haben auch ihren Namen amerikanisiert, weil er hinderlich war, weil sie sofort zu erkennen waren, und in einer Gesellschaft, die noch antisemitisch ist, ist das eine Bremse für Erfolg."

Die Vorbehalte gegenüber ihren Namen waren nicht die einzige "Erfolgsbremse", der sich die Juden ausgesetzt sahen, erklärt die Projektleiterin der Ausstellung, Margret Kampmeyer:

"Juden waren vor allem, da sie ohnehin zu den großen Universitäten nicht zugelassen waren als Künstler, zunächst mal diese Ausbildung nicht erfahren konnten, konzentrierten sich dann auf die kleineren Gewerbe und auf den Comic, der natürlich ein Ausweg ist als Berufsfeld für jemanden, der an und für sich Kunst machen will. Wir haben auch einige der Künstler, die an und für sich in das große Kunstfach wechseln wollten, aber dort gelandet sind und hervorragende Comics gemacht haben."

Sieht man einmal von Super- und Batman ab, sind die meisten dieser Comics hierzulande kaum bekannt – mit einer Ausnahme: Das Satiremagazin "MAD", das in den USA Anfang der 50er-Jahre als Parodie auf die klassischen Superheldencomics auf den Markt kam, fand seit Ende der 60er-Jahre auch in Deutschland reißenden Absatz. Der auf jeder "MAD"-Titelseite leicht debil grinsende Alfred E. Neumann und seine charakteristische Zahnlücke haben noch heute in der Bundesrepublik Kultstatus.

Kampmeyer: "Diese Erfindung von Alfred Neumann, finde ich, kann man durchaus jüdisch lesen, weit er doch zunächst mal einen jüdisch klingenden Namen hat. Und er ist sehr frech, er nimmt sich viel raus, ist aber nie zu greifen, weil er ohne Biografie bleibt. Er kann sich alles erlauben und schlüpft auch in jedwede Form und Gestaltung, und dann, wenn man sich einzelne Geschichten anguckt, sind sie schon sehr doppelbödig, haben so eine Art von Humor, den man oftmals als jüdischen Humor bezeichnet, dieser schwarze Humor."

Auch Art Spiegelman ist durch "MAD" zum Comic gekommen – allerdings haben seine Geschichten kaum noch etwas mit dem Humor des Satiremagazins zu tun. Spiegelman und sein preisgekröntes Buch "Maus. Die Geschichte eines Überlebenden" markieren eine neue Form des jüdischen Comics: die Graphic Novel, der illustrierte oder Comic-Roman. Die Auseinandersetzung mit der Schoah ist dabei nur ein Beispiel dafür, dass viele Comics heute längst etwas anderes sind als lustige Bildgeschichten.

Kugelmann: "Wir sind ja jetzt sozusagen in einer neuen Phase, wo sehr, sehr ernsthafte und sehr wichtige Themen als Zeichentrickfilm Karriere machen und zwar Filme, die keine Unterhaltung sind wie "Waltz with Bashir", ein Film über den Libanonfeldzug der Israelis, oder "Persepolis" von einer iranischen Künstlerin, die die Rolle der Frau im Khomenei-Iran beschreibt. Und das entwickelt sich immer mehr weiter zu einer sehr ernsthaften Auseinandersetzung mit der Realität in diesem Medium Zeichnung und Text."

So groß der Schritt vom unterhaltsamen Comicstrip zur anspruchsvollen Graphic Novel auch ist, eines haben die jüdischen Comic-Künstler, die in der Ausstellung "Helden, Freaks und Superrabbis" gezeigt werden, gemeinsam.

Kugelmann: "Also die Comickünstler sind durchweg säkular. Die haben mit der Religion nichts am Hut und der Superrabbi im Titel greift das ja auch auf: Das ist eine Ironisierung, es gibt ja keine Superrabbis, sondern es gibt Rabbiner und das ist ein seriöser Beruf, und ein Superrabbi ist eine selbstironische Reflexion auf etwas, was niemand unter den Comic-Künstlern ernsthaft teilt. Es gibt in ganz frühen jiddischen Zeitungen in Osteuropa für ein Publikum, das jiddisch gelesen hat, gibt es die Figur eines Rabbiners, der aber ein kleiner Trottel ist und nichts versteht, und dann ist das keine sehr häufige Figur. Wir haben die nur rein genommen, um zu zeigen, dass wir hier aus der Perspektive eines jüdischen Museums auf die Comic-Kunst gucken."