Sandra Köppen-Zuckschwerdt

Was die erfolgreichste deutsche Sumo-Ringerin auszeichnet

06:48 Minuten
Die japanische Sumo-Ringerin Satomi Ishigaya (rechts) schiebt ihre deutsche Gegnerin Nicole Hehemann am Mittwoch (20.07.2005) während der World Games 2005 in Duisburg aus dem Ring.
In Japan ist Sumo eine der wichtigsten Sportarten. © dpa / picture alliance / Federico Gambarini
Von Anja Röbekamp |
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In Japan gilt Sumo-Ringen als der „ästhetische“ Sport und ist Nationalsport. Aber auch in Deutschland gibt es eine Region, in der der Sport besonders beliebt ist - und aus der die erfolgreichste Sumo-Ringerin außerhalb Japans kommt.
Ein Sumo-Kampf in Brandenburg. Hier ist das Zentrum des Sumo in Deutschland. Die Turnhalle der PSG Dynamo Brandenburg ist mit Abbildungen von Sumo-Kämpfern geschmückt, und auf den Judomatten liegt eine weiße Plane mit einer runden Schaumstoffauflage: der Sumo-Ring.

Es dominieren ihn starke Frauen: Anika Schulze, erfolgreiche Sumo-Athletin, ist die Kampfrichterin.  
Trainerin Sandra Köppen-Zuckschwerdt weiß:  Das würde es in Japan so nicht geben. Sie hat „gerade wieder ein Turnier in Japan erlebt, was für Kinder und Jugendliche gemacht wurde. Trotzdem mussten die Frauen zum Beispiel auf einem Plastering trainieren und Sport machen. Und die Jungs haben bereits auf Lehmboden trainiert und in der Profihalle.“

Sieben WM- und sieben EM-Titel

Sandra Köppen-Zuckschwerdt hat im Sumo sieben WM- und sieben EM-Titel sowie Gold bei den World Games gewonnen. Als ehemalige Judoka der offenen Gewichtsklasse hat sie eine beeindruckende Statur.
Die deutsche Sumo-Ringerin Sandra Köppen (rechts) kämpft gegen Ekaterina Keyb (Russland) bei den World Games 2005.
Sandra Köppen-Zuckschwerdt(rechts) bei einem Kampf bei den World Games 2005© Imago / Thomas Zimmermann
Die Präsidentin und Bundestrainerin des Deutschen Sumo-Bundes ist eine von nur zwei Frauen im Vorstand der ISF, der Internationalen Sumo Föderation.
In Japan dürfen Frauen den traditionellen Sumo-Ring nicht betreten. Die Bewerbung als olympische Sportart ist für Sumo nicht zuletzt an der Frauenfrage gescheitert.

"Wir wollten Sumo olympisch machen"

"Wir wollten Sumo olympisch machen, und ich war bereits Weltmeister und wurde nach Japan eingeladen, durfte dann in so einem Heya trainieren. Oder sagen wir so, die haben mich erst mal eingeladen und haben dann vergessen, dass ich in dem Heya trainieren sollte.“
Heya bezeichnet im japanischen Sumo einen „Sportlerstall“. Dort leben und trainieren Sportler und Trainer in einer hierarchisch organisierten Gemeinschaft. Frauen sind dort nur als Ehefrauen anzutreffen.
Trotz Einladung stand Sandra im November 1999 in Japan zunächst draußen, unter einem Wellblechdach, in Kälte und Regen, und kämpfte mit studentischen Nachwuchsringern.
„Bis der Trainer dann irgendwann gesagt hat, das ist mir zu doof hier. Die haben dich eingeladen und die wollten, dass Frauen hier trainieren, dann müssen sie damit klarkommen, dass du jetzt das Heya betrittst. Er hat mich einfach reingeschubst, das war dann Gesichtsentgleisung, aber wir sind in diesen Ring gegangen - und haben da mitgehalten.“

Sie haben sich Respekt verschafft. Sandra Köppen-Zuckschwerdt sollte dann sogar als erste Frau in einem japanischen Sumo-Stall einsteigen.
Die Verantwortlichen des Heya, dessen Ring sie geentert hatte, boten ihr viel Geld. Doch Sandra ist ein Familienmensch. Sie wollte nicht allein im Fernen Osten bleiben.

Wer den Ring mit etwas anderem als den Fußsohlen berührt oder ihn verlässt, hat verloren. 
In Brandenburg trainiert heute eine kleine Gruppe von fünf Kindern. Die Jungen und Mädchen sind unterschiedlich groß - und unterschiedlich schwer.
Aber Gewicht allein reicht nicht aus, um im Sumo zu gewinnen. Der größte der Jungen wird von einem deutlich leichteren, aber erfahreneren Mitschüler gekonnt durch den Raum geschoben.

Beweglichkeit ist wichtig für Judo, für Sumo - wird auch immer trainiert, weil die Wendigkeit ganz wichtig ist. Du kannst auch als Schwergewichtler zum Beispiel in einer offenen Kategorie in jeder Gewichtsklasse kämpfen.

Sandra Köppen-Zuckschwerdt

Im Sport-Sumo gibt es wie im Judo Gewichtsklassen für die Wettkämpfe. Hier im Training kämpft aber jeder gegen jeden und jede.  
Sandra Köppen-Zuckschwerdt (links) und Anika Schulze (rechts) binden Kindern den Mawashi, den Sumo-Gurt, um.
Sandra Köppen-Zuckschwerdt (links) bindet einem Mädchen den Sumo-Gurt um. © Anja Röbekamp

Respektvolles Miteinander ist wichtig

Das funktioniert nur über ein respektvolles Miteinander, wo der Stärkere auch mal Rücksicht nimmt auf einen Schwächeren: 

„Wir verbeugen uns, ob wir gewonnen haben, ob wir verloren haben, weil wir Respekt zollen, danke, dass du mit mir trainiert hast. Danke, dass du mit mir Sport gemacht hast und dass wir uns beide messen konnten, fair messen konnten.“
Sandra Köppen-Zuckschwerdt kommt aus dem Leistungssport. Sie zahlte für den Erfolg einen hohen Preis: Beide Knie und eine Schulter mussten durch künstliche Gelenke ersetzt werden, zwischenzeitlich saß sie im Rollstuhl. Aber sie hat nicht aufgegeben und steht heute wieder auf der Matte.

„Es war schon immer so, ob Judo-Halle oder Sumo-Ring, ich brauchte mich einfach nur auf die Matte setzen - und ich habe so ein Gefühl gehabt, zu Hause zu sein: gesund zu werden, ja, geliebt zu fühlen.“
Und das versucht sie weiterzugeben. Der Ton ist rau in der Halle, aber der Umgang ist familiär. Sie bietet bewusst kein Leistungstraining an und arbeitet mit kleinen Gruppen.

Das ist für mich das Wichtige, dass ich wirklich die Geschichte hinter dem Kind kenne, hinter dem Jugendlichen, die Eltern kenne, die Schule kenne. Was gibt es für Probleme, wird da gehänselt, gibt es Mobbing, gibt es andere Probleme?

Sandra Köppen-Zuckschwerdt

Sie will das Beste aus jeder und jedem herausholen. Dazu gehört auch, mentale Stärke einzuüben.

Brandenburg als Zentrum des deutschen Sumo

Einen wichtigen Kampf hat sie mal verloren, weil sie nicht auf ihre halb so schwere Gegnerin fallen wollte, die sie dadurch sicher verletzt hätte, mit ihren damals 130 Kilo Kampfgewicht. Stattdessen lernte sie, sich anders zu fokussieren, und den Kampf schon im Vorfeld zu entscheiden. 
„Man sieht bei den Kämpfen, dann sitzen sie sich gegenüber und gucken sich in tief in die Augen. In diesem Blick kann man schon so viel klar machen. Da sieht man auch schon, ob jemand Angst hat oder sich Gedanken macht. Du musst deine Ausstrahlung, die du in diesem Moment von dir gibst, musst du alles vorher trainieren.“

Viele wollen das von ihr lernen: Sie hat täglich Anfragen aus ganz Deutschland. Aber die ehrenamtlich arbeitende Sumotori kann nicht überall sein. Und so wird Brandenburg erst mal das Zentrum des deutschen Sumo bleiben.

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