Südwestrundfunk lädt AfD aus

Politikwissenschaftler: Sender dürfen sich nicht verweigern

Ein Kameramann baut im Januar 2015 kurz vor Beginn des Bundesparteitages der Partei Alternative für Deutschland (AfD) in Bremen vor der Veranstaltungsbühne im Congress Centrum eine Kamera auf.
Der SWR hat entschieden: Die AfD soll lieber nicht vor die Studio-Kameras. Weil die anderen Parteien nicht öffentlich mit Vertretern der AfD diskutieren wollen. © picture alliance / dpa / Ingo Wagner
Ulrich von Alemann im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 21.01.2016
SPD und Grüne wollen nicht mit Vertretern der AfD reden – und der Südwestrundfunk lädt die rechtspopulistische Partei prompt wieder aus einer Wahlsendung aus. Der Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann kritisiert das: Es sei Pflicht des Senders, die politische Wirklichkeit abzubilden.
Der Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann kritisiert den Entschluss des Südwestrundfunks (SWR), die AfD von einer Wahlsendung auszuschließen. Diese Entscheidung hatten die Senderverantwortlichen auf Druck der anderen Parteien getroffen.
Im Deutschlandradio Kultur sagte der emeritierte Düsseldorfer Professor:
"Ich halte das nicht für legitim. Ich glaube, dass die Öffentlich-rechtlichen Sender einen Informationsauftrag haben, einen Senderauftrag. Und relevante politische Strömungen in der Bevölkerung, die mögen einem passen oder nicht, aber die müssen auch vorkommen in diesen Programmen."
Nicht der richtige Weg
Und bei einer so entscheidenden Sendung wie einer gemeinsamen Wahlsendung zu sagen: "Wir reden einfach nicht mit denen, das sind Schmuddelkinder", sei nicht der richtige Weg. Von Alemann betonte:
"Natürlich, die AfD ist unter den Parteien ein Schmuddelkind, sie beutet schamlos die Ausländerfeindlichkeit in der Bevölkerung aus, sie ist sozusagen am rechten Rand offen – aber sie ist zur Zeit keine offen verfassungsfeindliche Partei."
Politiker sind selbst schuld
Durch die Aufmerksamkeit, die die Entscheidung des SWR erregt habe, werde die AfD nur zusätzlich aufgewertet. Der Politikwissenschaftler sagte weiter, er hätte sich einen starken Intendanten ge-wünscht, der dem Quasi-Erpressungsversuch der anderen Parteien nicht nachgege-ben, sondern gesagt hätte: "Gut, dann kommt ihr eben nicht, dann machen wir es ohne euch." Es gehe nicht darum, die Wirklichkeit so abzubilden, wie sie einem gefallen, sondern den Realitäten Rechnung zu tragen: nämlich dass die AfD etwa in Sachsen-Anhalt einen Zuspruch von um die 15 Prozent habe.
Alemann sagte weiter: "Man könnte aber auch den Parteien in den Landtagen den Vorwurf machen: ‚Ihr hättet viel frühzeitiger, viel öffentlicher, viel intensiver euch auseinandersetzen müssen, damit dieser Zulauf eingedämmt wird."


Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Weil SPD und Grüne nicht mit ihr ins Fernsehen wollen, lädt der SWR die AfD aus. Das ist beschämend für den Journalismus und schadet der Demokratie. So stand es in der "Zeit", und man kann nur sagen, stimmt, ist so. In den großen SWR-Fernsehdiskussionen vor den Landtagswahlen wird die AfD also nicht teilnehmen.
Zähneknirschend habe der SWR-Intendant diese Entscheidung getroffen nach einer Quasi-Erpressung, muss man ja sagen, durch SPD und Grüne, die mit ihrem Fernbleiben gedroht hatten. Dürfen Politiker – und Journalisten, muss man hinzufügen – die öffentliche Auseinandersetzung mit der AfD verweigern? Das fragen wir jetzt den Düsseldorfer Politikwissenschaftler Professor Ulrich von Alemann. Schönen guten Morgen!
Ulrich von Alemann: Guten Morgen, Frau Billerbeck!
Billerbeck: Oh, sehr erkältet.
von Alemann: Ja, ein bisschen. Ich hoffe, ich halte durch.
Billerbeck: Malu Dreyer, Nils Schmidt von der SPD und auch Winfried Kretschmann von den Grünen wollen nicht mit der AfD reden, öffentlich. Ist das legitim, diese Auseinandersetzung zu verweigern?
von Alemann: Nein. Ich halte das nicht für legitim. Ich glaube, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einen Informationsauftrag haben, einen Sendeauftrag. Und relevante politische Strömungen in der Bevölkerung, die mögen einem passen oder nicht, die müssen auch vorkommen in diesen Programmen. Und eine so entscheidende Sendung wie eine gemeinsame Wahlsendung, da zu sagen, wir reden einfach nicht mit denen, das sind Schmuddelkinder – ja, ich sage das auch, ich würde auch sagen, natürlich, die AfD ist unter den Parteien ein Schmuddelkind. Sie beutet schamlos die Ausländerfeindlichkeit in der Bevölkerung aus.
Falsch und unklug
Sie ist sozusagen am rechten Rand offen. Aber sie ist zurzeit nicht eine offen verfassungsfeindliche Partei. Und deswegen halte ich es nicht für richtig, diese Partei auszuladen, und nicht nur nicht für richtig, ich halte es auch für falsch und für unklug, weil man sie dadurch unnötig aufwertet.
Billerbeck: Immerhin zählt die AfD ja Leute wie den Lehrer Björn Höcke zu ihren Mitgliedern, der seine Partei dazu berufen sieht, den "dritten Totalitarismus, die politische Korrektheit abzuräumen, die Geisterkrankheit Gender Mainstreaming aus den Schulen und Universitäten zu vertreiben". Müssen Politiker mit Vertretern dieser Partei tatsächlich debattieren?
von Alemann: Ja, sie müssen sich das antun. Ein Politiker hat einmal gesagt, auch wir Politiker müssen dahin gehen, wo es knallt und stinkt und wo es unangenehm ist. Und ich glaube, das ist ihre Verpflichtung. Sie können nicht sagen, wir bleiben in unseren warmen Staatskanzleien und reden nur mit den wohlerzogenen Bürgern, sondern, wenn man auch liest, was in den sozialen Medien los ist uns was in den Foren los ist – wenn ich lese, was ich auf Interviews für Antworten bekomme, dann ist das alles wirklich sehr unschön und unangenehm, aber wir alle, ob wir nun Journalisten sind, ob wir wissenschaftliche Beobachter sind, ob wir Politiker sind, wir müssen uns dem stellen.
Eine relevante Menge in der Bevölkerung, zehn Prozent, vielleicht 15 Prozent in Sachsen-Anhalt, könnten diese Partei wählen. Und dem müssen wir uns stellen, das können wir nicht ignorieren.
Öffentliche Auseinandersetzung ist wichtig
Billerbeck: Aber wahrscheinlich jeder von uns, der sich in der Öffentlichkeit bewegt, Sie, ich und Politiker auch, muss ja immer die Frage beantworten, was erreiche ich damit, dass ich mit so einer Partei in der Öffentlichkeit "duelliere", in Anführungsstrichen. Sorge ich dafür, dass deren Argumente ausgehebelt werden? Oder werte ich vielleicht ihre Argumente auf, dass ich mich da hinstelle? Wo sehen Sie da diese Gemengelage?
von Alemann: Sie haben ganz recht, Frau Billerbeck, das ist natürlich nicht so eine ganz einfache Schwarzweißfrage, denn ein Stück weit wertet man diese Partei auf, die damit in diese bedeutsamen Runden aufgenommen wird. Aber eine Partei, die eben nun mal acht Prozent, zehn Prozent bei Umfragen hat –
Billerbeck: 15 sogar in Sachsen-Anhalt.
von Alemann: So ist es. Und alle sind davon überzeugt, dass diese Partei in die nächsten drei Landtage einziehen wird. Die muss man eigentlich gar nicht mehr aufwerten, die ist aufgewertet durch den Zulauf, den sie aus der Bevölkerung hat, wie schlimm und wie unangenehm das ist. Man kann aber auch den Parteien in den Landtagen den Vorwurf machen, ihr hättet viel frühzeitiger, viel öffentlicher, viel intensiver euch auseinandersetzen müssen, damit dieser Zulauf eingedämmt wird.
Aufwertung der AfD in Kauf nehmen
Dieser Zulauf ist nun mal da, und deswegen ist das eine Pflicht der objektiven Berichterstattung und eine Pflicht, die Öffentlichkeit auch so abzubilden, wie sie ist, als Medium, der man nachkommen muss. Und das kann man nicht mit einem Wink aus der Staatskanzler – das ist ja schon geradezu eine Erpressung, so wird es auch überall dargestellt –, dass die Ministerpräsidenten sagen, nein, wir wollen nicht, wir kommen da nicht hin. Da hätte ein Intendant stark sein müssen und sagen müssen, dann kommt ihr eben nicht. Dann machen wir es ohne euch, dann schickt einen Vertreter. Ich glaube, das ist nicht die richtige Strategie.
Die Aufwertung ist in Kauf zu nehmen, das geht leider nicht anders, weil nun mal diese Parteien diesen Zulauf haben, und dann muss man sich öffentlich mit ihnen auseinandersetzen.
Billerbeck: Argumente des Düsseldorfer Politologen Ulrich von Alemann für öffentliche Debatten mit der AfD. Ich danke Ihnen! Und Professor Alemann wird übrigens demnächst an einer Diskussion mit der AfD im WDR teilnehmen. Für morgen haben wir hier die rheinland-pfälzische Ministerpräsident im Interview, um sie zu fragen, warum sie eben das nicht tut, öffentlich mit der AfD zu streiten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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