Die Wiederkehr der Rudeboys
Pork Pie-Hut, schmale Krawatte und ein Tonic Anzug - so kleideten sich die "Rudeboys" in den 1960er-Jahren in England. Die unangepassten Jungs kamen ursprünglich aus Jamaika, wo Konflikte auch brutal ausgetragen wurden. Das Rüpelhafte haben die Rudeboys abgelegt, der Stil ist geblieben.
Sie sitzen auf einem Retro Sofa in ihrem Studio im Londoner Stadtteil Soho und wirken mühelos cool. Harris Elliott, Modestilist, trägt einen schmalkrempigen Pork-Pie-Hut, dazu einen Baseballblazer aus New York, kurze Jeans, und Schnürstiefel. Der Fotograf Dean Chalkey hat einen schwarzen Rolli an, schwarze Hochwasserhosen, schwarze Hornbrille, und dick besohlte Oxford Schnürschuhe. Die beiden haben auf der englischen Insel ein Phänomen ausgemacht, das sie als Wiederkehr des Rudeboys, als Return of the Rudeboys beschreiben.
Attitude und Widerstand
Harris Elliott: "Ein Rudeboy hat Attitude. Er ist renitent. Leistet Widerstand. Im Sinne von: Ich ziehe mein eigenes Ding durch. In meinem Denken, meinem Auftreten. Ich lege Wert auf mein Äußeres. Ich trotze allen Widrigkeiten des Lebens. Und lasse mir von niemandem etwas vorschreiben…"
Harris Elliott. Seine Familie kommt aus der ärmsten, der verrufensten Ecke von Spanishtown, Jamaika. Aus genau solchen Ecken kamen einst auch die Rudeboys. Pork Pie Hat, schmale Krawatte, und ein tonic suit – ein eng sitzender Anzug aus changierendem Stoff, das hat ein Rudeboy im Jamaika der 50er-Jahre getragen. Oft hat sich sein Milieu mit der Gangsterszene überschnitten. Der Herzschlag seines Lebens:
Elliott: "Jeder DJ stellte am Samstagabend sein eigenes Sound System auf. Im Freien, damals gabs ja noch keine Nachtclubs. Jeder DJ wollte natürlich der lauteste sein, jeder wollte die größte Menge anlocken. Das führte zu harten Fehden. Es war gang und gebe, dass ein DJ seine Rudeboys los schickte, um die Leute, die sich beim Rivalen versammelt hatten, aufzumischen, und sein Soundystem gegebenenfalls kurz und klein zu schlagen…"
Und diese raue Rudeboy-Culture trugen vor über 60-Jahren jamaikanische Einwanderer nach England. Die heutigen Rudeboys sind manierlicher, ihr Look ist vielschichtiger geworden. Dean Chalkley zeigt ein Bild aus einem Fotoband, den er zusammen mit Harris Elliott zusammengestellt hat. Titel: Return of the Rudeboy.
Elliott: "Das sind Macharia und Bevan. Bevan trägt einen nachtschwarzen Doppelreiher, und eine lange weiße Kurta, dazu braune Schlüpfschuhe. Macharia wadenlange Königshosen mit Paisleymuster, eine klassisch geschneiderte Manteljacke, eine afrikanische Halskette. Das sind zwei ikonische Typen, die keine Labels tragen und sich auch nicht als Celebrities vermarkten oder von einem Designer stylen lassen."
Berüchtigter Treffpunkt Southend-on-Sea
Dean Chalkley ist in Southend-on-Sea aufgewachsen. Das war in den 80er-Jahren ein berüchtigter Treffpunkt für randalierende Skinheads. Dean identifizierte sich damals allerdings mit den Mods – weiße Arbeiterjugendlichen, die sich wiederum am Stil und an der Musik der Rude Boys orientierten: Rhythm and Blues, Soul, Reggae und Ska.
Dean Chalkey: "Auch die frühen Skinheads haben sich übrigens leidenschaftlich für schwarze Musik interessiert. Entgegen dem Bild, das in den Medien gezeichnet wird gabs unter den Skins durchaus auch linke Fraktionen: sie brachten das schwarz weiße Karomuster in Mode – das stand für ihre antirassistische Einstellung. Gemischte Bands wie die Special AKA waren für die Rassenbeziehungen unglaublich wichtig."
All diese Jugendkulturen, von Rudeboy über Mod bis hin zum Skinhead, hatten eins gemeinsam: Stil war enorm wichtig. Hosenlängen, Bügelfalten, Haarschnitte, Schuhe – jedes Detail musste sitzen: Wer dazugehören wollte, musste richtig aussehen. Heute geht es dem Rudeboy vor allem um Individualität. Die Mode ist freier. Die Musik greift auch Punk und Hip Hop auf. Was zählt sind Auftreten. Lebensstil. Und eben Attitude.
Chalkey: "Ein Rudeboy mag noch so extravagant gekleidet sein, aber man darf ihn niemals mit einem Dandy verwechseln. Oder mit einem Schwächling. Wenn ein Rudeboy durch die Straßen geht, sagen die Leute nicht, so ein Idiot."