Stuttgart 21 wird "abartig teuer"
Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann verlangt eine Prüfung der Mehrkosten für Stuttgart 21. Die Deutsche Bahn und Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hätten jahrelang die Fragen nach aktualisierten Kosten nicht beantwortet.
Jan-Christoph Kitzler: Braucht es noch einen Beweis dafür, dass dieser Bahnhof ein Milliardengrab ist? Als im Jahr 1995 – lang ist’s her – ein neuer Bahnhof für Stuttgart geplant wurde, sollte der fast 4,9 Milliarden kosten. D-Mark! Heute, 17 Jahre später, nennt sich das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 und heute soll es mindestens 5,6 Milliarden kosten. Wohlgemerkt: Euro! Allein die Bahn hat gestern ihre Kosten um 1,1 Milliarden höher veranschlagt, und dann gibt es da noch die weiteren Risiken von bis zu 1,2 Milliarden Euro, die dazukommen könnten und die Bahn nach ihrer Lesart nicht zu verantworten hat. Sie nennt das externe Risiken. Um Stuttgart wurde heftig gestritten, auch in der grün-roten Landesregierung. Dann gab es einen Volksentscheid für den Bahnhof.
Aber gilt jetzt, angesichts der explodierenden Kosten das Motto "Augen zu und weiter bauen"? Das will ich mit Winfried Hermann besprechen, dem Grünen-Politiker und Verkehrsminister von Baden-Württemberg. Schönen guten Morgen nach Stuttgart.
Winfried Hermann: Guten Morgen.
Kitzler: Nachdem ja gestern die Bahn ihre Rechnung vorgelegt hat, mit wie viel Mehrkosten rechnen Sie denn jetzt für die öffentliche Hand?
Hermann: Also, wir müssen jetzt zunächst mal die Zahlen, die die Bahn gestern vorgelegt hat, natürlich prüfen. Wir haben ja übrigens nur die Information aus den Medien, ein paar Powerpoint-Charts und sonst nichts. Also, wir brauchen da schon noch bisschen mehr Informationen, um das dann genau prüfen zu können. Aber eines ist für das Land schon klar: Wir haben in einer Finanzierungsvereinbarung zugesagt, die alte Regierung noch, dass sie bis zu 930 Millionen Euro übernimmt, gewissermaßen als Zuschuss, damit sich das Projekt für die Bahn rechnet, so war damals die Kalkulation, und mehr zahlen wir nicht. Die neue Landesregierung hat es mehrfach beschlossen, dass wir auf jeden Fall an diesem Kostendeckel für uns festhalten, und wenn die Bahn vom Land mehr Geld haben will, muss sie gegen das Land klagen.
Kitzler: Gestern war ja schon die Rede davon, 1,2 Milliarden. Warum haben wir denn nicht da gleich den lauten Ruf aus der baden-württembergischen Regierung gehört: "Jetzt reicht's"?
Hermann: Ja, erstens haben wir diesen Ruf schon öfters ausgerufen und wir haben schon immer gesagt, es reicht, wir zahlen nicht mehr. Aber es ist halt schon so, das muss man vielleicht auch Ihren Zuhörerinnen und Zuhörern erklären: Nicht das Land Baden-Württemberg ist Bauherr, sondern die Deutsche Bahn ist Bauherr. Und das Land Baden-Württemberg hat dazu Gelder gegeben, wir können auch sagen Fördergelder, wie auch die Stadt Stuttgart und die Region. Und wir bleiben deswegen trotzdem eben nur die Förderer und nicht die, wir sind nicht die Entscheidungsgeber, wir sind nicht diejenigen, die die Verantwortung beim Bauen haben. Die Verantwortung liegt eindeutig und alleine bei der Bahn.
Natürlich ist für mich jetzt als Verkehrsminister, der dieses Projekt jetzt seit 20 Jahren begleitet und seit vielen, vielen Jahren durchs Land gezogen ist und gesagt hat, dieses Projekt wird viel, viel teurer, die Rechnungen der Bahn stimmen nicht, die Rechnungen der damaligen CDU-Regierung stimmen nicht, und der das immer wieder gesagt hat, der fühlt sich jetzt auf der einen Seite bestätigt in seinen Prognosen. Das waren ja übrigens auch Prognosen vom Bundesrechnungshof, von unabhängigen Gutachtern, die alle in dieser Größenordnung lagen. Und wir mussten ja feststellen, dass trotz dieser Informationen die Bevölkerungsmehrheit sich entschieden hat vor einem Jahr, nicht auszusteigen. Und das ist natürlich jetzt für die Regierung bindend. Insofern können wir als Landesregierung nicht einen Ausstieg in Angriff nehmen, wir sind gebunden erst mal an diese Volksentscheidung.
Wenn jemand Verantwortung hat, dann ist es eben die Bahn-Führung, der Bahn-Vorstand, der Aufsichtsrat und übrigens auch der Eigentümer, der sich ja irgendwie in der ganzen Debatte einen ziemlich schlanken Fuß macht und so tut, als hätte er damit nichts zu tun. Dabei war es natürlich auch das Bundesverkehrsministerium, was über Jahre weg nicht gegengerechnet hat. Und es ärgert mich natürlich auch schon, dass die Deutsche Bahn seit Monaten, um nicht zu sagen seit Jahren, unsere Fragen nie beantwortet hat nach den aktualisierten Kosten, nach den neuen Risiken, die man da kennt, und was es denn für die Gesamtrechnung bedeutet. Oft sind die Termine verschoben worden, oft ist der Lenkungskreis verschoben worden, und wie jetzt bekannt geworden ist, hat die Bahn ihre eigenen Bedenken aufgeschoben. Denn noch vor gut einem Jahr, also vor der Volksabstimmung, hatte man im Konzern offenbar schon Bedenken. Das ist gestern ja auch dargelegt worden.
Kitzler: Herr Hermann, es geht ja nicht um die Steuergelder, die da ausgegeben werden. Die mindestens 1,1 Milliarden Euro, die die Bahn ja schon angekündigt hat zu bezahlen, die werden ja dann auch bei anderen Infrastrukturprojekten fehlen und im Zweifelsfall werden diese Kosten dann wieder auf die Bahnpreise umgelegt. Müssen Sie nicht als Verkehrspolitiker sagen, verkehrspolitisch ist das alles völlig sinnlos?
Hermann: Ja, das dürfen Sie gerne sagen, das habe ich auch über Jahre gesagt, dass das schlecht investiertes Geld ist. Das ist mit Sicherheit ein … Ich meine, viele haben gesagt, das ist ein Milliardengrab, tatsächlich kostet es ein unglaubliches Geld und wir haben einen funktionierenden Kopfbahnhof, der dadurch ersetzt wird und, seit diese Baustelle eröffnet worden ist, in seiner Funktionstüchtigkeit beeinträchtigt wird und eingeschränkt ist. Wir haben ja dauernd auch Verspätung. Es ist wahr, es ist nicht besonders sinnvoll, aber es tut mir leid: Ich habe diese Macht nicht, das anders zu entscheiden. Und ich kann nur an die anderen Verantwortlichen appellieren, noch mal in sich zu gehen und zu prüfen.
Es geht tatsächlich um Steuergelder und, wie Sie angesprochen haben, das ist ja ein Projekt, was dann anschließend nicht sozusagen sich direkt auf die Fahrpreise niederschlägt, aber das läuft ja über den Umweg: Die Bahn-Infrastrukturunternehmen können für ihre Infrastrukturprojekte anschließend Trassen- und Stationspreise nehmen und es ist natürlich doch klar, dass, wenn dieses Projekt so abartig teuer ist, dass das über kurz oder lang sich auf die Trassen- und Stationspreise durchschlagen wird. Ich meine, das ist … Alles andere wäre naiv.
Kitzler: Das heißt, auch wenn Sie sagen, Sie haben es nicht in der Hand: Wären Sie dafür, das Projekt noch mal aufzuschnüren und vielleicht günstigere Optionen zu prüfen? Zum Beispiel oben den Kopfbahnhof zu lassen, unten weniger unterirdische Gleise zu bauen?
Hermann: Also, der Kopfbahnhof war und ist immer die günstigere Lösung. Man könnte ihn gut modernisieren, auch sicherlich mit weniger Geld. Aber wie gesagt, die Entscheidung ist durch den Volksentscheid gefallen, deswegen kann die Landesregierung diese Gedanken nicht mehr ins Spiel bringen. Die sind in der Welt, das müssen andere Entscheider aufgreifen oder liegen lassen. Sie müssen auch mal sehen, was sie für eine Verantwortung haben, auch die Bahn-Führung, die ja über all die Jahre, wie gesagt, diese Risiken dementiert hat, kategorisch dementiert hat.
Übrigens die Bahn alleine natürlich nicht, sondern vor drei Jahren hat der Deutsche Bundestag im Haushaltsausschuss und im Verkehrsausschuss dieses Projekt besprochen, ich war damals selber noch Mitglied des Bundestages, habe auf diese Kritik und auf diese Risiken hingewiesen, und mir ist praktisch das Wort abgeschnitten worden nach dem Motto: Der sagt das nur, weil der das Projekt verhindern will, und im Übrigen ist es das bestgeplante Projekt und die Kosten sind alle gut gerechnet und wir wollen das machen.
Kitzler: Also, es bleibt eine Dauerbaustelle mit steigenden Kosten. Das war Winfried Hermann, der Grünen-Politiker und Verkehrsminister von Baden-Württemberg, über Stuttgart 21. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch.
Hermann: Danke schön.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Aber gilt jetzt, angesichts der explodierenden Kosten das Motto "Augen zu und weiter bauen"? Das will ich mit Winfried Hermann besprechen, dem Grünen-Politiker und Verkehrsminister von Baden-Württemberg. Schönen guten Morgen nach Stuttgart.
Winfried Hermann: Guten Morgen.
Kitzler: Nachdem ja gestern die Bahn ihre Rechnung vorgelegt hat, mit wie viel Mehrkosten rechnen Sie denn jetzt für die öffentliche Hand?
Hermann: Also, wir müssen jetzt zunächst mal die Zahlen, die die Bahn gestern vorgelegt hat, natürlich prüfen. Wir haben ja übrigens nur die Information aus den Medien, ein paar Powerpoint-Charts und sonst nichts. Also, wir brauchen da schon noch bisschen mehr Informationen, um das dann genau prüfen zu können. Aber eines ist für das Land schon klar: Wir haben in einer Finanzierungsvereinbarung zugesagt, die alte Regierung noch, dass sie bis zu 930 Millionen Euro übernimmt, gewissermaßen als Zuschuss, damit sich das Projekt für die Bahn rechnet, so war damals die Kalkulation, und mehr zahlen wir nicht. Die neue Landesregierung hat es mehrfach beschlossen, dass wir auf jeden Fall an diesem Kostendeckel für uns festhalten, und wenn die Bahn vom Land mehr Geld haben will, muss sie gegen das Land klagen.
Kitzler: Gestern war ja schon die Rede davon, 1,2 Milliarden. Warum haben wir denn nicht da gleich den lauten Ruf aus der baden-württembergischen Regierung gehört: "Jetzt reicht's"?
Hermann: Ja, erstens haben wir diesen Ruf schon öfters ausgerufen und wir haben schon immer gesagt, es reicht, wir zahlen nicht mehr. Aber es ist halt schon so, das muss man vielleicht auch Ihren Zuhörerinnen und Zuhörern erklären: Nicht das Land Baden-Württemberg ist Bauherr, sondern die Deutsche Bahn ist Bauherr. Und das Land Baden-Württemberg hat dazu Gelder gegeben, wir können auch sagen Fördergelder, wie auch die Stadt Stuttgart und die Region. Und wir bleiben deswegen trotzdem eben nur die Förderer und nicht die, wir sind nicht die Entscheidungsgeber, wir sind nicht diejenigen, die die Verantwortung beim Bauen haben. Die Verantwortung liegt eindeutig und alleine bei der Bahn.
Natürlich ist für mich jetzt als Verkehrsminister, der dieses Projekt jetzt seit 20 Jahren begleitet und seit vielen, vielen Jahren durchs Land gezogen ist und gesagt hat, dieses Projekt wird viel, viel teurer, die Rechnungen der Bahn stimmen nicht, die Rechnungen der damaligen CDU-Regierung stimmen nicht, und der das immer wieder gesagt hat, der fühlt sich jetzt auf der einen Seite bestätigt in seinen Prognosen. Das waren ja übrigens auch Prognosen vom Bundesrechnungshof, von unabhängigen Gutachtern, die alle in dieser Größenordnung lagen. Und wir mussten ja feststellen, dass trotz dieser Informationen die Bevölkerungsmehrheit sich entschieden hat vor einem Jahr, nicht auszusteigen. Und das ist natürlich jetzt für die Regierung bindend. Insofern können wir als Landesregierung nicht einen Ausstieg in Angriff nehmen, wir sind gebunden erst mal an diese Volksentscheidung.
Wenn jemand Verantwortung hat, dann ist es eben die Bahn-Führung, der Bahn-Vorstand, der Aufsichtsrat und übrigens auch der Eigentümer, der sich ja irgendwie in der ganzen Debatte einen ziemlich schlanken Fuß macht und so tut, als hätte er damit nichts zu tun. Dabei war es natürlich auch das Bundesverkehrsministerium, was über Jahre weg nicht gegengerechnet hat. Und es ärgert mich natürlich auch schon, dass die Deutsche Bahn seit Monaten, um nicht zu sagen seit Jahren, unsere Fragen nie beantwortet hat nach den aktualisierten Kosten, nach den neuen Risiken, die man da kennt, und was es denn für die Gesamtrechnung bedeutet. Oft sind die Termine verschoben worden, oft ist der Lenkungskreis verschoben worden, und wie jetzt bekannt geworden ist, hat die Bahn ihre eigenen Bedenken aufgeschoben. Denn noch vor gut einem Jahr, also vor der Volksabstimmung, hatte man im Konzern offenbar schon Bedenken. Das ist gestern ja auch dargelegt worden.
Kitzler: Herr Hermann, es geht ja nicht um die Steuergelder, die da ausgegeben werden. Die mindestens 1,1 Milliarden Euro, die die Bahn ja schon angekündigt hat zu bezahlen, die werden ja dann auch bei anderen Infrastrukturprojekten fehlen und im Zweifelsfall werden diese Kosten dann wieder auf die Bahnpreise umgelegt. Müssen Sie nicht als Verkehrspolitiker sagen, verkehrspolitisch ist das alles völlig sinnlos?
Hermann: Ja, das dürfen Sie gerne sagen, das habe ich auch über Jahre gesagt, dass das schlecht investiertes Geld ist. Das ist mit Sicherheit ein … Ich meine, viele haben gesagt, das ist ein Milliardengrab, tatsächlich kostet es ein unglaubliches Geld und wir haben einen funktionierenden Kopfbahnhof, der dadurch ersetzt wird und, seit diese Baustelle eröffnet worden ist, in seiner Funktionstüchtigkeit beeinträchtigt wird und eingeschränkt ist. Wir haben ja dauernd auch Verspätung. Es ist wahr, es ist nicht besonders sinnvoll, aber es tut mir leid: Ich habe diese Macht nicht, das anders zu entscheiden. Und ich kann nur an die anderen Verantwortlichen appellieren, noch mal in sich zu gehen und zu prüfen.
Es geht tatsächlich um Steuergelder und, wie Sie angesprochen haben, das ist ja ein Projekt, was dann anschließend nicht sozusagen sich direkt auf die Fahrpreise niederschlägt, aber das läuft ja über den Umweg: Die Bahn-Infrastrukturunternehmen können für ihre Infrastrukturprojekte anschließend Trassen- und Stationspreise nehmen und es ist natürlich doch klar, dass, wenn dieses Projekt so abartig teuer ist, dass das über kurz oder lang sich auf die Trassen- und Stationspreise durchschlagen wird. Ich meine, das ist … Alles andere wäre naiv.
Kitzler: Das heißt, auch wenn Sie sagen, Sie haben es nicht in der Hand: Wären Sie dafür, das Projekt noch mal aufzuschnüren und vielleicht günstigere Optionen zu prüfen? Zum Beispiel oben den Kopfbahnhof zu lassen, unten weniger unterirdische Gleise zu bauen?
Hermann: Also, der Kopfbahnhof war und ist immer die günstigere Lösung. Man könnte ihn gut modernisieren, auch sicherlich mit weniger Geld. Aber wie gesagt, die Entscheidung ist durch den Volksentscheid gefallen, deswegen kann die Landesregierung diese Gedanken nicht mehr ins Spiel bringen. Die sind in der Welt, das müssen andere Entscheider aufgreifen oder liegen lassen. Sie müssen auch mal sehen, was sie für eine Verantwortung haben, auch die Bahn-Führung, die ja über all die Jahre, wie gesagt, diese Risiken dementiert hat, kategorisch dementiert hat.
Übrigens die Bahn alleine natürlich nicht, sondern vor drei Jahren hat der Deutsche Bundestag im Haushaltsausschuss und im Verkehrsausschuss dieses Projekt besprochen, ich war damals selber noch Mitglied des Bundestages, habe auf diese Kritik und auf diese Risiken hingewiesen, und mir ist praktisch das Wort abgeschnitten worden nach dem Motto: Der sagt das nur, weil der das Projekt verhindern will, und im Übrigen ist es das bestgeplante Projekt und die Kosten sind alle gut gerechnet und wir wollen das machen.
Kitzler: Also, es bleibt eine Dauerbaustelle mit steigenden Kosten. Das war Winfried Hermann, der Grünen-Politiker und Verkehrsminister von Baden-Württemberg, über Stuttgart 21. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch.
Hermann: Danke schön.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.