Sturz der Colston-Statue in Bristol

Start einer längst überfälligen Debatte

07:22 Minuten
Demonstranten schieben die Statur von Edward Colston richtung Wasser.
Vom Sockel geholt und im Meer versenkt: die Statue des Sklavenhändlers Edward Colston in Bristol. © Giulia Spadafora/NurPhoto/Getty Images
Andreas Eckert im Gespräch mit Britta Bürger · 08.06.2020
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Die Kolonial- und Sklavengeschichte in Großbritannien sei bisher nicht ordentlich aufgearbeitet worden, sagt Historiker Andreas Eckert. Durch den Sturz der Sklavenhändler-Statue in Bristol durch Akivisten könne das endlich nachgeholt werden.
Die Bilder haben eine enorme Wucht: Demonstrierende in Bristol haben der Statue des Sklavenhändlers Edward Colston Schlingen um Hals und Füße gezogen, sie zu Fall gebracht und anschließend zum Hafenbecken gerollt und versenkt.
Edward Colston (1636-1721) machte mit Sklavenhandel viel Geld und investierte und spendete viel in seiner Heimatstadt Bristol. "Er hat Schulen, Kirchen, Kranken- und Armenhäuser errichtet und deshalb gilt er immer noch als ein berühmter Sohn der Stadt, der viel Gutes getan hat", erklärt Historiker und Afrika-Forscher Andreas Eckert, Professor an der Berliner Humboldt-Universität.
Obwohl es um die Colston-Statue schon länger Streit gab, gab es bisher noch nicht mal eine Tafel, die Informationen zu Colston als Sklavenhändler auswies. Die Statue nun von ihrem Sockel zu holen, sei ein symbolischer Akt gewesen, der "sehr machtvoll" war und er "hat auch noch mal darauf hingewiesen, dass in Großbritannien die lange Geschichte von Sklaverei nicht besonders stark im Bewusstsein der Öffentlichkeit und der Politik vorhanden ist", so Eckert. "Dadurch kann nun die Debatte losgehen, die längst überfällig ist."

Sklavenhalter bekamen Entschädigung

Großbritannien habe sich lange als die Nation gesehen, die den Sklavenhandel abgeschafft habe. "Dafür haben sie sich gefeiert", sagt Eckert. Das Leid der Versklavten und Unterdrückten sei dabei jedoch "unter den Tisch gefallen".
Als 1833 die Briten die Sklaverei abschafften, gab es Entschädigungen. "Aber ironischerweise nicht, wie man erwarten würde, für die Versklavten, sondern für die Sklavenbesitzer", erklärt der Historiker. Dabei handelte es sich um üppige Summen. "Ironischerweise haben viele damals in koloniale Unternehmen investiert, das heißt den Kolonialismus noch mal richtig in Schwung gebracht mit dem Geld", so Eckert.
40 Prozent des damaligen Staatshaushaltes sei als Entschädigung an die ehemaligen Sklavenbesitzer gezahlt worden. Die Kredite dafür wurden bis vor Kurzem noch abbezahlt. "Die britischen Steuerzahler haben noch bis vor fünf Jahren an die Familien der Sklavenbesitzer und an deren Nachkommen Geld gezahlt", sagt Eckert.
Rausgekommen war das durch ein Statement der zuständigen Behörde. "Und da haben sich doch viele verwundert die Augen gerieben, dass sie bis heute die Sklavenbesitzer und ihre Familien unterstütz haben", so Eckert.
Nicht nur die Kolonial- und Sklavengeschichte sei in Großbritannien nicht ordentlich aufgearbeitet, bis heute seien "Fragen von Einwanderung lange Zeit von der Politik und der Öffentlichkeit ignoriert worden", so Eckert. Nun könnte eine Welle beginnen, die diesen Fragen "endlich den Platz einräumen, die sie verdienen", sagt der Historiker.
(nho)
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