Sturm auf der unbewohnten Insel

Stella Doufexis in der Kantate "Arianna a Naxos" von Joseph Haydn.
Stella Doufexis in der Kantate "Arianna a Naxos" von Joseph Haydn. © Innsbrucker Festwochen
Von Jörn Florian Fuchs · 12.08.2009
Zum Auftakt der 33. Innsbrucker Festwochen der Alten Musik wurden zwei Werke von Joseph Haydn aufgeführt: die Oper "L'isola disabitata" und die Kantate "Arianna a Naxos". Im Haydn-Jahr widmet sich das Festival dem Komponisten mit zwei Opern und zahlreichen Konzerten.
Vielleicht lag's einfach am Wetter. Recht schwül war es nämlich in Innsbruck. Solche heißtrüben Dünste tun alten Instrumenten bekanntlich nicht allzu gut. Im Tiroler Landestheater gab man Joseph Haydns Opera semiseria "L'isola disabitata" – nebst der (vorangestellten) Kantate "Arianna a Naxos". Doch was da aus dem Graben tönte, erinnerte bisweilen arg an ein mittelprächtiges Schulorchester. Die Academia Montis Regalis unter ihrem Chef (und designiertem Festwochenleiter) Alessandro De Marchi frustrierte durch etliche Patzer und reichlich ungenaue Intonation. 2008 spielten die Musiker ein hinreißendes Oratorium von Bernardo Pasquini, mitreißend und überaus präzise. Vielleicht, hoffentlich, lag es heuer tatsächlich nur am Wetter.

Immerhin war bei der knapp halbstündigen Kantate recht viel Schönes zu hören. Für Ariannas Klage um den untreuen Theseus erfand Haydn zarteste Lyrismen, die Stella Doufexis glänzend und mühelos organisch interpretierte. Das Orchester begleitete sicher, mit teils markanten Tutti-Einsätzen, teils geradezu schwebenden Figuren.

Regisseur Christoph von Bernuth schafft eine intensive Atmosphäre, die schwarz gekleidete Arianna agiert in minimalistischen Verzweiflungsgesten vor einer goldbraunen Wand, die wie ein abstraktes Gemälde von Tapies wirkt. Aus der zunächst autistisch Schmachtenden wird allmählich fast eine emanzipierte Frau von heute, die sich vom demütigen Häuflein Mensch zu einer aggressiven Furie entwickelt. Ihr finaler Wutschrei führt stracks auf die unbewohnte Insel, Doufexis brilliert nun als Costanza, ihr Hasssubjekt heißt Gernando. Mit selbigem ging sie auf Hochzeitsreise, als ein Sturm das Bötchen auf die verlassene Insel verschlug. Während Costanza ein Nickerchen macht, entführen Seeräuber den Gatten, die Erwachende vermutet eine Eheflucht und zieht in den kommenden 13 (!) Jahren ihre mitgereiste kleine Schwester groß. Erzogen wird nach dem Motto: alle Männer sind böse und gemein. Natürlich verschlägt es irgendwann den Verschollenen wieder auf die Insel und auch fürs mittlerweile recht erwachsene Schwesterchen findet sich ein geeigneter Liebes- und Lebenspartner.

Haydn wagte bei seiner Inseloper Neuland und löste erstmals den strengen Secco-Rezitativblock (Cello, Cembalo) durch einen fülligen Orchestersatz ab. Das klingt in Innsbruck, wie gesagt, öfters unfreiwillig schräg, immerhin kommt gerade dadurch ein wenig Power in die eher matte Stimmung auf der Bühne. Das Inselpersonal nämlich versandet leider zunehmend und delektiert sich an Allerweltsgesten, wobei ein junger Tänzer als herumzappelndes Reh (weil dieses Tier im Libretto immer kosenamenmäßig auftaucht) für sehr naive szenische Zoten sorgt. Ferner kommt der etwas doof wirkende Mann für Costanzas nicht minder naives Schwesterchen vom Bühnenhimmel herab, und die Hauptheldin selbst schlägt beständig (mal im Spaß, mal ernsthaft) auf eine Gatten-Puppe aus Stoff ein.

Das alles war dann doch recht wenig für einen würdigen Festwochenauftakt, zumal Jeffrey Francis Costanzas Gatten mit dünnem Timbre ausstattete. Raffaella Milanesi, das besagte Schwesterlein, erfreute indes durch hübschen Wohlklang, Furio Zanasi konnte ihr mit schönem Schmelz Paroli bieten. Für Stella Doufexis aber lohnten sich alle szenischen und musikalischen Malaisen, sie dürfte momentan eine der spannendsten Sängerpersönlichkeiten nicht nur fürs barocke Repertoire sein. Zumindest in diesem Punkt siegt im Festspielsommer 2009 Innsbruck über Salzburg, wo sich etwa Annette Dasch derzeit wieder an Haydns "Armida" versucht.