Studio 9 – der Tag mit Jan Kalbitzer

"Fake News sind kein Problem der Sozialen Medien"

Das Logo der Republica, das mit Doppelpunkt geschrieben wird und sich re:publica liest.
Die re:publica 2017 in Berlin findet parallel auf mehreren Bühnen statt. © Britta Pedersen / dpa-Zentralbild
Moderation: Korbinian Frenzel · 09.05.2017
Ehrenrettung für die Sozialen Medien: Deren Rolle bei der Verbreitung von Pegida & Co. werde überschätzt, kritisiert der Psychiater Jan Kalbitzer. Außerdem: Merkels Machtwort zur Todesstrafe und Überlegungen zu einer DNA-Datenbank der Deutschen.
Ob Fake News, AfD, Pegida oder Donald Trump - einen gehörigen Teil Verantwortung dafür scheinen die Sozialen Medien zu tragen, die solchen Positionen breite Entfaltungsmöglichkeiten bieten.
Der Publizist und Psychiater Jan Kalbitzer sieht das anders: Seiner Ansicht nach werde die Bedeutung der Sozialen Medien für die Erklärung von Phänomenen wie Pegida oder AfD überschätzt, sagte er im Deutschlandfunk Kultur. "Ich glaube, dass die Sozialen Medien da, wenn überhaupt, einen katalysierenden Effekt hatten. Aber die waren da nicht Auslöser oder verantwortlich dafür im Großen und Ganzen. Das war da, das Potenzial."

Frühe Fake News: "Equal goes it loose"

Auch hält Kalbitzer Fake News nicht für ein spezielles Problem der Sozialen Medien. "Es gibt ja das klassische Beispiel von unserem ehemaligen Bundespräsidenten Lübke, der für seine Versprecher bekannt war: Equal goes it loose und solche Sachen", so der Autor des Buches "Digitale Paranoia". Allerdings sei ein Teil dieser Bonmots von Redakteuren des "Spiegel" erfunden worden. "Das heißt, das waren ganz frühe Fake News, die man überhaupt nicht gut nachprüfen konnte. Und so was wurde ganz viel verwendet."
In der Fake-News-Debatte werde immer außer Acht gelassen, dass die Sozialen Medien es nicht nur erleichterten, Fake News zu verbreiten, sondern dass man durch sie auch viel schneller Transparenz schaffen könne. "Was mir viel mehr Sorgen macht, ist, dass die ganze Fake-News-Debatte einen Abstumpfungseffekt hat. Das heißt, wir lesen Sachen im Internet und nehmen es erstmal nicht mehr ernst."

"Die Sozialen Medien sind ein großartiger Ort"

Die Zivilgesellschaft müsse sich diesen wichtigen Raum der Sozialen Medien zurückerobern, forderte Kalbitzer. Dazu müsse man das Thema Soziale Medien "reframen", betonte er. "Wir müssen sagen: die sozialen Medien sind ein großartiger Ort, an dem Transparenz geschaffen werden kann, diskutiert werden kann, und wir haben da ein Problem, dass bestimmte Leute immer da reingehen in die Diskussion."
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Korbinian Frenzel (links) und Jan Kalbitzer© Deutschlandradio / Margarete Hucht
Er finde es großartig, was diesbezüglich gerade auf der Republica passiere: "Auch diese Initiative 'Ich bin hier – geht ihr auch in die Richtung?', die es auf Facebook gibt, wo man sagt: Wenn irgendwo so was entsteht, gehen da viele Leute hin und kümmern sich da drum. So was wird getan und das ist wunderbar. Und damit erkämpfen sie diesen wichtigen Platz in unserer Gesellschaft." (uko)

Jan Kalbitzer ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er forscht an der Charité Berlin und betreibt eine eigene Praxis als Psychotherapeut. Nebenher schreibt er als freier Autor Artikel und Bücher zu aktuellen gesellschaftlichen Themen, zuletzt: "Digitale Paranoia – online bleiben, ohne den Verstand zu verlieren".

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