Studierende

So schwierig war die Wohnungssuche noch nie

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Gesuch mit Aufschrift "Ich suche ein Zimmer in einer WG" eines Studierenden an einem Laternenpfahl in der Theatinerstraße in München
Mehr Studierende, ein Pandemie bedingter Rückstau, Konkurrenz mit anderen knappen Budgets – es gibt viele Gründe, warum die Wohnungssuche während des Studiums gerade so schwer ist. © imago / Ralph Peters
Von Magdalena Neubig · 20.09.2022
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Wintersemesterbeginn – Zeit der Wohnungssuche für viele Studierende. So schwierig wie dieses Jahr war es noch nie. Die Kosten für WG-Zimmer sind enorm gestiegen. Der angespannte Markt führt auch zu unseriösen Angeboten.
Clara Schmidt studiert seit zwei Semestern Biochemie in Berlin und sucht eine neue Bleibe. Die aktuelle WG muss sie verlassen, und nach mehreren Jahren WG-Leben wünscht sie sich eine erste eigene kleine Wohnung. Bislang läuft ihre Suche aber gar nicht gut, erzählt sie bei einem Treffen im Café.
„Es schreibt einer von 40 Angefragten zurück. Ich suche jetzt auch trotzdem nach WGs, einfach um was zu haben. Auf Wohnungen hat noch keiner geantwortet. Ich hab natürlich beschlossen, in Berlin zu wohnen. Und wenn man sich das aussucht, dann muss man auch damit rechnen, aber es geht einem auf den Zeiger. Vor allem wenn man bei jeder Anzeige immer so viel Herzblut in das Anschreiben steckt, und dann kommt nichts zurück.“

Wohnungsnachfrage nimmt deutlich zu

Dieses Beispiel steht für einen Trend. Während die Mietpreise zu Beginn der Pandemie mancherorts sogar sanken, weil viele Studierende bei ihren Eltern wohnen blieben, nimmt die Nachfrage seit knapp einem Jahr wieder deutlich zu. Schon im August – also zu einem Zeitpunkt, an dem die meisten Studierenden noch gar keine Zulassung hatten – war der Wohnungsmarkt angespannt, sagt Stefan Brauckmann, geschäftsführender Direktor des Moses-Mendelssohn-Instituts für Immobilienforschung und Wohnungswirtschaft in Hamburg.
„Und das ist ein Effekt, der dazu führen kann, dass die Studierenden, die erst relativ spät ihre Zulassung bekommen, dann auf einen völlig leer gefegten Markt stoßen könnten.“
Für die hohe Nachfrage gibt es gleich mehrere Gründe. Ganz offensichtlich: mehr Studierende, erklärt Reiner Braun. Er ist Vorstandsvorsitzender der Empirica AG – ein unabhängiges wirtschafts- und sozialwissenschaftliches Forschungs- und Beratungsinstitut.
„Es ist ja auch gewollt, dass immer mehr junge Menschen Abitur machen. Von denen studiert auch ein immer größerer Anteil anschließend, sodass es einfach mehr Menschen gibt, die an Uni-Standorte wechseln und dort entsprechende Nachfrage nach WG-Mieten erzeugen.“

Rückstau auf dem Wohnungsmarkt

Dazu kommt sozusagen ein Rückstau: Pandemiebedingt haben Studierende zum Teil das Studium verlängert. Sie bleiben deshalb in ihren WGs statt, wie gewohnt, Platz für Neuankömmlinge zu machen. Und es gibt auch immer mehr ausländische Studierende in Deutschland, die ebenfalls ein Zimmer brauchen. Die hohe Nachfrage wirkt sich auf die Preise aus. Insbesondere in großen Städten mit ohnehin angespannten Wohnungsmärkten.
Dort konkurrieren Studierende und Azubis zusätzlich mit anderen Menschen mit knappen Budgets: Menschen, die Sozialleistungen beziehen, Berufseinsteiger, aber auch junge Familien, die in kleinen Wohnungen leben, weil sie sich keine größeren leisten können. Studentin Clara Schmidt wird bei der Miete finanziell von ihrem Vater unterstützt und will sich außerdem einen Nebenjob suchen.
„Ich hab mein Budget erhöht, aufs Doppelte, auf 600 Euro.“
Am liebsten würde sie in ihrem jetzigen Stadtteil im Berliner Süden wohnen bleiben. Idealerweise in einer Wohnung mit Balkon oder Terrasse. Sie ist allerdings nicht mehr so optimistisch, dass das klappt.
„Ich glaub, in Berlin darf man keine Ansprüche haben, sondern muss das Erstbeste nehmen.“

WG-Zimmer kostet im Schnitt 435 bis 572 Euro

Das Moses-Mendelssohn-Institut für Immobilienforschung und Wohnungswirtschaft gibt die Kosten für WG-Zimmer bundesweit im Schnitt zurzeit mit 435 Euro an, in den Millionenstädten sogar mit 572 Euro. Damit zahlen Studierende in diesem Herbst im Schnitt 44 Euro mehr für ihr Zimmer als noch vor einem Jahr. Auch aufgrund der steigenden Energiekosten werden die Warmmieten voraussichtlich weiter anziehen.
Die aktuelle Preisentwicklung macht Institutsdirektor Stefan Brauckmann ein bisschen unruhig. „Das ist natürlich eine deutliche Belastung für die für die Wohnkostenbudgets der jungen Menschen.“
Zur Einordnung: Nur knapp 500.000 der 3 Millionen Studierenden in Deutschland erhalten finanzielle Unterstützung per BAföG. Dieses sieht, seit es im Juli erhöht wurde, 360 Euro als Wohnpauschale vor. Wie gesagt: Ein WG-Zimmer in Deutschland kostet inzwischen im bundesweiten Schnitt 435 Euro.
Im Studi-Wohnheim reichen zumeist zwar noch 260 Euro für die Warmmiete. Bundesweit gibt es dem Deutschen Studentenwerk zufolge aber nur knapp 200.000 Wohnheimplätze. Die Wartezeit dafür beträgt oft mehrere Semester. Und: Auch in den Wohnheimen werden die Kosten ordentlich steigen. In Berlin zum Beispiel um 60 Euro.

Unseriöse Angebote

Der angespannte Markt führt zu weiteren Problemen, wie Studentin Clara Schmidt gemerkt hat. „Was auch sehr oft ist: Fake-Angebote mit ultraschönen Bildern. Und dann soll man erst mal 500 Euro Kaution zahlen für den Schlüssel, darf man natürlich nicht machen.“
Darüber hinaus hat die junge Frau sexuelle Belästigung während der Zimmersuche erlebt – und da ist sie kein Einzelfall. „Wenn man auf Ebay-Kleinanzeigen fragt, dann kommen so Angebote wie ‚Du kannst mit mir in meiner 1-Zimmer-Wohnung wohnen, wir müssen uns dann ein Bett teilen, aber das ist schon okay.' Ja, so läufts.“
Wie viele unseriöse Angebote es gibt, untersuchen die Wohnungsmarktanalysten nicht. Klar erkennbar ist für sie jedoch, dass insgesamt weniger Inserate auf Immobilienwebseiten eingestellt werden.
„Das heißt, die guten Wohnungen mit zuverlässigen, netten Vermietern, sage ich mal, die zu günstigen Preisen angeboten werden, die gehen unter der Hand weg. Und das heißt eben, wer keinen Bekannten hat in der Stadt, in der er eine Wohnung sucht, der wird halt auch die schlechteren Wohnungen nur finden“, sagt Reiner Braun, Empirica-Vorstandsvorsitzender.

Vor Ort auf die Suche gehen

Mit guten Ratschlägen für eine erfolgreiche Wohnungssuche sind die Wohnungsmarkt-Experten deshalb zurückhaltend. Immobilienforscher Stefan Brauckmann vom Moses-Mendelssohn-Institut empfiehlt lediglich, unmittelbar vor Ort auf die Suche zu gehen und nicht nur online. Im Notfall könne man versuchen, die ersten paar Monate im Wintersemester behelfsweise zu überbrücken, denn: „Die Erfahrung zeigt, dass viele auch ihr Studium dann wieder abbrechen oder im Dezember merken, dass sie doch lieber wieder bei den Eltern wohnen wollen. Also traditionell im Dezember-Januar entspannt sich dann der studentische Wohnungsmarkt wieder.“
Und Reiner Braun von Empirica schlägt angehenden Studierenden vor, sich auch mal die weniger nachgefragten Unistandorte anzuschauen, an denen die Mietpreise noch niedriger sind.
„Oft sind die qualitativ - die Universitäten in den kleinen Städten - nicht schlechter. Was das Betreuungsverhältnis Studierende zu Professoren betrifft, mit großer Sicherheit sogar besser. Aber klar ist, es gibt natürlich unterschiedliche Budgets, die da zur Verfügung stehen. Und das führt natürlich schon zu gewissen Gerechtigkeitsfragen.“

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