Studie zu Multitasking

Frauen können es auch nicht besser

06:09 Minuten
Multitasking, eine Frau macht einen Yoga-Handstand während sie am Computer arbeitet
Am Computer schreiben, telefonieren - und eine Yogaübung gleichzeitig: Weder Frauen- noch Männergehirne seien für Multitasking ausgelegt, sagt Neuropsychologe Lutz Jäncke. © Imago / Ikon Images / Harry Haysom
Lutz Jäncke im Gespräch mit Ute Welty · 15.08.2019
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Mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen - das können dem Klischee zufolge Frauen, Männer aber nicht. Eine neue Studie zeigt: Es gibt keinen Geschlechtsunterschied beim Multitasking. Insgesamt eigne sich das Gehirn dafür nicht, sagt Neuropsychologe Lutz Jäncke.
Eine E-Mail schreiben, mit der besten Freundin telefonieren und nebenbei noch Netflix gucken: Das alles sollen Frauen angeblich gleichzeitig können - im Gegensatz zu Männern. Mit diesem Klischee räumt eine Studie der RWTH Aachen jetzt auf. Die Forscher ließen ihre Versuchspersonen zum Beispiel auf einem Bildschirm erscheinende Buchstaben als Vokale oder Konsonanten identifizieren. Gleichzeitig sollten sie Zahlen als gerade oder ungerade bestimmen. Das Ergebnis: Beide Geschlechter bewältigen diese Aufgaben gleich gut - oder schlecht.
Den Neuropsychologen Lutz Jäncke von der Universität Zürich überrascht das keineswegs. Die Studie bestätige nur, was auch seine eigene Forschung bereits vielfach nachgewiesen habe: "Dass Männer und Frauen sich in vielen kognitiven Funktionen gar nicht unterscheiden – auch in jenen Funktionen, wo die Frauen schlechter sein sollen als Männer."

"Wir leben in einer Zeit, die uns überfordert"

Grundsätzlich seien aber weder Frauen- noch Männerhirne für Multitasking besonders geeignet: "Unser Gehirn ist im Grunde genommen für die Konzentration und Fokussierung auf wesentliche Aspekte spezialisiert", betont Jäncke. "Pro Sekunde prasseln auf unser Gehirn 11 Millionen Bit ein, also eine Unmenge an Information. Und davon können wir 11 – 60 Bit bewusst wahrnehmen."
Deshalb müsse das Gehirn lernen zu filtern und störende von wichtigen Reizen zu unterscheiden. Ansonsten schalte das Gehirn in einen ungünstigen Modus um, warnt der Neuropsychologe. "Das heißt, wir werden stimulusgetrieben, reizgetrieben. Wir sind dann nicht mehr die Agenten für die Auswahl der Reize."
Zu erleben beispielsweise, wenn man im Internet eine Google-Suche nach einem bestimmten Begriff startet, sich treiben lässt und sich dann drei Stunden später irgendwo an einem völlig anderen Punkt im Netz wiederfindet.
"Das ist im Grunde genommen für unser Denken und Handeln schädlich", sagt Jäncke. "Ich würde sogar behaupten, dass wir in einer Zeit leben, die uns überfordert gewissermaßen."

Junge Gehirne sind besonders anfällig

Vor allem junge Menschen sind gefährdet, warnt der Neuropsychologe: Denn das Steuern und Blockieren unerwünschter Reize funktioniere über den Frontalkortex im Hirn. "Der reift bis zum 18., 20. Lebensjahr", so Jäncke. Kinder in der Pubertät hätten der Reizüberflutung also noch nichts entgegenzusetzen. "Die sind diesem ganzen Zeug ausgesetzt und sind in großer Gefahr, gewissermaßen Junkies zu werden der vielen fantatstischen Reize, die sich in unserer heutigen Welt da so anbieten."
(uko)
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