Studie zu Dokumentarfilmen im Fernsehen

Autoren als Erfüllungsgehilfen eines Konzepts

08:48 Minuten
Hans-Joachim Kulenkampf moderierte viele Jahre lang die Quizsendung ARD-"Einer wird gewinnen". Der Quizmaster ist Gegenstand des Dokumentarfilms "Kulenkampfs Schuhe" von Regina Schilling.
Hans-Joachim Kulenkampf als Moderator von "Einer wird gewinnen" - die Filmemacherin Regina Schilling nähert sich ihm in ihrem preisgekrönten Dokumentarfilm "Kulenkampfs Schuhe". © SWR
Fritz Wolf im Gespräch mit Gesa Ufer · 26.02.2019
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Gute Dokumentarfilme findet man bei den Öffentlich-Rechtlichen vorzugsweise nach Mitternacht im Programm. Der Journalist Fritz Wolf hat eine Studie dazu verfasst und sagt: Stabile Zuschauerzahlen seien den Sendern nach wie vor wichtiger.
Nachts, wenn keiner zuschaut, laufen die anspruchsvollen Dokumentarfilme. Diese Annahme hat der Bundesverband der Dokumentarfilmer, AG Dok, nun in einer Studie genauer untersucht und ist zu dem Ergebnis gekommen: Sie stimmt. Viel bedenklicher aber ist: Die meisten Dokumentationen, die die Öffentlich-Rechtlichen ausstrahlen, gehören zu vorformatierten Sendereihen – etwa "37 Grad", "Hautnah" oder Zooserien wie "Elefant, Tiger & Co.", die die künstlerische und journalistische Freiheit stark einschränkten.
Der Journalist Fritz Wolf hat die AG Dok-Studie verfasst und sagt, die Formate seien eng mit der Quote verknüpft – so würden etwa eine genau festgelegte Erzählweise und eine bestimmte Technik des Einstiegs in ein Thema gefordert, von der sich die Programmgestalter stabile Zuschauerzahlen erwarteten. "Oft sind die Autoren kaum mehr als Erfüllungsgehilfen eines Konzepts." Abendfüllende Dokumentarfilme dagegen wie etwa der von Kritikern wie Zuschauern gleichermaßen gelobte und jetzt mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete "Kulenkampfs Schuhe" höben sich durch eine ganz eigene Dramaturgie ab – und sollten deshalb mit den vorformatierten Sendereihen nicht in einen Topf geworfen werden.

Gefährlichste Waffe ist die Fernbedienung

Wolf räumte ein, dass die Öffentlich-Rechtlichen natürlich einem gewissen Druck ausgesetzt seien, den Fernsehzuschauern Vertrautes und Wiedererkennbares zu zeigen. Damit sie "nicht zur gefährlichsten Waffe greifen, die sie haben, nämlich der Fernbedienung".
Bieten Streamingdienste wie Netflix hier eine alternative Heimat für anspruchsvolle Dokumentarfilme? Netflix etwa steckt viel Geld in aufwendig produzierte und hochgelobte Serien wie "House of Cards" oder "Tote Mädchen lügen nicht". Fritz Wolf ist dennoch skeptisch: Es sei ein kommerzielles Unternehmen – "ob Netflix diese Neugier, die sie momentan auf dokumentarische Sendungen haben – auch auf hochwertige, teure Produktionen – ob sich das durchsetzen wird, wird man sehen. Netflix wird nur das verwenden, was sich monetarisieren lässt und kommerziell nutzbar ist". Er befürchte jedoch, dass Dokumentarfilmer, die sich eher regionalen Themen widmeten und weniger global arbeiteten, keine Chancen hätten, mit ihren Ideen bei dem Streamingdienst zu landen.
(mkn)
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