Studie über Zuwanderung

"Nicht überraschend, dass die Kriminalität steigt"

Jugendliche Flüchtlinge sitzen in einer zentralen Inobhutnahme für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.
Jugendliche Flüchtlinge sitzen in einer zentralen Inobhutnahme für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. © dpa-Bildfunk / Carsten Rehder
Albert Scherr im Gespräch mit Dieter Kassel · 03.01.2018
Durch mehr Zuwanderer gibt es mehr Gewaltkriminalität: Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie für das Bundesfamilienministerium. Aus Sicht des Soziologen Albert Scherr ist das wenig verwunderlich.
Eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Familie und Jugend hat die Gewaltkriminalität von Flüchtlingen anhand des Fallbeispiels Niedersachsen untersucht. Das Ergebnis der Untersuchung, die an diesem Mittwoch vorgestellt wird: Fast jede achte Gewalttat in dem Land rechnet die Polizei einem Flüchtling zu.
Dabei unterscheiden sich allerdings die Zahlen stark nach den Herkunftsländern. Außerdem werden Flüchtlinge schneller einer Gewalttat verdächtigt oder angezeigt, so die Autoren der Studie.

Tradierte Vorstellungen von Männlichkeit

Die Studie verweist zudem darauf, dass im Zuge der Flüchtlingskrise besonders viele Jugendliche und junge Männer nach Deutschland kamen. Auch der Direktor des Instituts für Soziologie der Pädagogischen Hochschule Freiburg, Albert Scherr, betont, dass generell in dieser Altersgruppe die Gewaltbereitschaft hoch sei.
"Bei allen jungen Männern - das gilt, glaube ich, weltweit und in Deutschland allemal - ist es eben so, dass die Praxis, Konflikte mit Gewalt auszutragen, eine männliche Praxis ist, die von jungen Männer überproportional begangen wird."
Das habe zu tun mit tradierten Ideen, was es heißt, sich männlich in Konflikten zu behaupten, so der Soziologe, der zudem Mitglied im Rat für Migration ist.
"Von daher ist es nicht überraschend, dass nun die Flüchtlingszuwanderung, die überwiegend bei den unbegleiteten Minderjährigen eine Zuwanderung junger Männer ist, dass damit auch die Kriminalität und die Gewaltdelikte steigen."

Prävention durch adequate Betreuung

Die aktuelle Diskussion um eine obligatorische medizinische Altersfeststellung bei vermeintlich jugendlichen Flüchtlingen hält Scherr für kontraproduktiv. Die Maßnahme sei nicht geeignet, um kriminalpräventiv tätig zu werden. Denn nicht allein das Alter sei entscheidend, sondern ob "realer Unterstützungsbedarf" bestehe.
"Das ist die Frage nach sinnvollen Präventionsmaßnahmen."
Der überwiegende Teil der minderjährigen Flüchtlinge bleibe strafrechtlich unauffällig und die bestehenden Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe seien durchaus geeignet, mit dem überwiegenden Teil erfolgreich zu arbeiten, betont Scherr.
"Jetzt muss man genauer darüber nachdenken, wo sind denn die Fälle, in denen es nicht gelingt, eine hinreichende Betreuung der Einzelfälle zu gewährleisten."
Das müsse auch die entscheidende Frage im Sinne der Opfer sein, um zukünftig weitere Taten zu verhindern.
(uz)
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