Studie über die Generation Y

12 Millionen stille Weltverbesserer

Junge Leute entspannen in Berlin auf dem Tempelhofer Feld, Aufnahme vom Mai 2013
Junge Leute entspannen in Berlin auf dem Tempelhofer Feld. © picture alliance / dpa
Von Vera Linß  · 27.08.2014
Sie wollen sich nicht einfach abrackern. Sie wollen, dass es ihnen gut geht – seelisch und körperlich. Damit setzt die Generation der heute 15- bis 30-Jährigen in der Arbeitswelt Impulse, von denen alle profitieren, meinen die Autoren Klaus Hurrelmann und Erik Albrecht.
Diese argwöhnische Frage hat Tradition: Was sind das wohl für Menschen, die dabei sind, unsere Gesellschaft dauerhaft zu prägen? Aktuell dreht sich genau diese Debatte um die heute 15- bis 30-Jährigen, um jene Generation also, die jetzt nach und nach ins Berufsleben eintritt.
Klischees über sie kursieren jede Menge: Verwöhnt, selbstverliebt, unstet und nur mäßig leistungsfähig seien sie. Stimmt nicht, sagen der Soziologe Klaus Hurrelmann und der Journalist Erik Albrecht. Mit ihrem Psychogramm der "heimlichen Revolutionäre" wollen sie Entwarnung geben und zeigen, wie die junge Generation das Land umkrempelt.
Rund zwölf Millionen von ihnen gibt es in Deutschland. Wie schon bei vorherigen Generationen, die jede für sich etwa einen Zeitraum von fünfzehn Jahren umfasst, lassen sich auch für die Jahrgänge 1985 bis 2000 „kollektive Gemeinsamkeiten“ beschreiben. Die wichtigste: Jugendliche von heute suchen mehr als ihre Eltern oder Großeltern nach dem Sinn des Lebens.
Y steht für "Why"
"Generation Y" werden sie deshalb genannt. Y steht – englisch ausgesprochen – für "Why", zu deutsch: warum. Den Grund für diese Sinnsuche finden die Autoren in den Kindheitserlebnissen der Ypsiloner. Ölkrise, Deutscher Herbst, aber auch 9/11, Fukushima, die weltweite Finanzkrise und Reformen der Rentengesetze haben Gewissheiten außer Kraft gesetzt, die für ältere Generationen noch ein Orientierungsrahmen waren.
Deshalb schaffen sich die jungen Krisengeschüttelten ihr Wertesystem neu. Was von außen befremdlich wirkt, ist für die Mehrheit durchaus ein tragendes Lebenskonzept, wie Hurrelmann und Albrecht überzeugend darlegen. Gestützt auf Befragungen, Interviews und empirische Studien zeigen sie, wie die meisten der Generation Y ticken: Ob in Bildung, Beruf, Familie, Freizeit oder Politik – ihre Strategie lautet: Flexibel bleiben und Optionen so lange wie möglich offen halten. Oberste Prämissen sind der richtige, möglichst hohe Bildungsabschluss, die enge Bindung zu Eltern und Freundeskreis sowie der Blick auf das eigene körperliche und seelische Wohlbefinden. Dem ordnet sich alles unter. Sich zügig festlegen auf einen Job? Sich abrackern für die Karriere? Familienplanung? Konventionelle Rollenbilder? Politische Visionen? Fehlanzeige.
Nicht egoistischer als andere Generationen
Das klingt schlicht nach Eigennutz, erweist sich letztlich aber als kluge Antwort auf die Zumutungen der modernen Arbeitswelt, die ja Flexibilität und Individualität zunehmend fordert und immer weniger Sicherheiten bietet. Dass sich die Ypsiloner dabei ganz passabel schlagen und nicht egoistischer sind als die Generation vor ihnen, zeigen Hurrelmann und Albrecht auch.
Etwa am Beispiel der Initiative "Velocity", die – um in Aachen einen Verkehrskollaps zu verhindern – ab Herbst dieses Jahres in der Stadt ein Verleihsystem von E-Bikes installieren will. 1000 Elektrofahrräder sollen am Ende an 100 Stationen ausgeliehen werden können. Hier verbinden sich Eigeninteresse und gesellschaftlicher Nutzen auf eine für die Ypsiloner typische Weise.
Das Bild dieser Generation gerade gerückt zu haben, das ist das Verdienst dieses Buches. Dass die jungen Leute aber, wie die Autoren nahe legen, tatsächlich in ihrem Denken revolutionär sind, bleibt noch zu beweisen.

Klaus Hurrelmann/ Erik Albrecht: Die heimlichen Revolutionäre. Wie die Generation Y unsere Welt verändert
Beltz, Weinheim 2014
256 Seiten, 18,99 Euro

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