Studie der Amadeu-Antonio-Stiftung

Demokratiefeinde setzen auf neue Themen

09:15 Minuten
Blick auf den Reichstag, vor dem Hunderte Demonstrierende  gegen den Corona-Maasnahmen stehen. Dabei stürmen einige die Treppen des Reichstages. Eine Vielzahl von Flaggen ist zu sehen. Unter anderen die Regenbogenflagge, die Flagge der USA, die russische und die deutsche.
Am 29. August 2020 eskalierte eine Demonstration gegen die Coronamaßnahmen der Bundesregierung. Teilnehmende rannten die Treppen zum Reichstag hoch. © imago images / Achille Abboud
Timo Reinfrank im Gespräch mit Britta Bürger · 26.08.2022
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Ein breites Protestbündnis von rechts bis links macht angesichts steigender Energiekosten für den Herbst mobil. Wie es dazu kommen konnte, dass bisher getrennte Milieus gemeinsam demonstrieren, erklärt Timo Reinfrank von der Amadeu-Antonio-Stiftung.
Eine klassische demokratische Mitte und ein Kern am Rand - das gab es nach Beobachtung von Timo Reinfrank in Deutschland eigentlich noch nie. "Wir hatten immer einen Austausch zwischen diesen beiden Szenen. Aber in der Tat beobachten wir, dass diese Mischszene größer wird und sich nicht mehr so wie in der Vergangenheit abgrenzt“, erklärt der Geschäftsführer der Amadeu-Antonio-Stiftung. Die Stiftung hat in größerem Umfang antidemokratische Kampagnen verschiedener Protestmilieus untersucht.
Reinfrank zeichnet die Entwicklung dieses antidemokratischen Protestmilieus nach: von den sogenannten Friedensmahnwachen, die bereits 2014 im Kontext der Eroberung der Krim durch Russland entstanden sind, über die sogenannten Pegida-Proteste und die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen bis hin zu den jetzigen Mobilisierungsaufrufen im Hinblick auf die Energiekrise und die Preiserhöhungen.

Breites antidemokratisches Bündnis

Die zu erwartenden steigenden Energiekosten würden das zentrale Thema im Herbst werden. Und dazu mobilisierten auch Rechtsextreme, so Reinfrank.
Zu den klassisch rechtsextremen, verschwörungsideologischen oder antisemitischen Akteurinnen und Akteuren sei in den letzten Jahren eine alternative esoterische und gesundheitsbewusste Szene dazu gekommen, berichtet Reinfrank, „aber auch Teile der Linkspartei, die jetzt versuchen, sich die Sozialproteste nicht wegnehmen zu lassen." Und die möglicherweise auch bewusst das Risiko eingingen, "dass sie im Zweifelsfall mit Antidemokraten und Rechtsextremen auf der Straße sind.“

Viele junge Familien dabei

Das Neue an diesem antidemokratischen Protestmilieu sei einerseits die Vermischung der bisher getrennten Milieus und andererseits seine generationenübergreifende Breite. Es seien jetzt viele junge Familien mit dabei, aber auch klassisch demokratische Protestmilieus aus Ostdeutschland, die sich vor allem gegen das SED-Regime positioniert hätten.
Die stellten sich jetzt bei den Protesten gegen die Coronamaßnahmen mit auf die Straße "und sagen, da kehrt die DDR wieder – was ich für völlig falsch halte", erklärt Reinfrank. "Aber da gibt es jetzt überhaupt keine Berührungsängste mehr“.

Widerstand gegen das System

Das alle Milieus verbindende Thema sei die Opposition gegen das System, "das uns das alles zumutet“, so Reinfrank. Um ein so breites Milieu auf die Straße bringen zu können, gebe es außerdem seit den Protesten gegen die Coronamaßnahmen sogenannte „Milieumanager“, so Reinfrank, „die immer wieder unterschiedliche Themen genutzt haben, um ein breites Milieu auf die Straßen zu bringen. Und das gab es in der Vergangenheit auch nicht".
Für den Herbst werde jedenfalls von rechts bereits zum Aufstand, zum Widerstand und zum Umsturz aufgerufen, so Reinfrank, unter anderem von so bekannten Akteuren wie Götz Kubitschek vom Institut für Staatspolitik, einem klassischen neurechten Thinktank.

Plädoyer für konsequentere Strafverfolgung

Diese Aufrufe würden „dann breit und vielfach von Putin-Versteherinnen bis hin ins alternative esoterische Milieu geteilt“ – und würden über den Messangerdienst „Telegram“ Hunderttausende erreichen.
Gegen die zu erwartenden antidemokratischen Proteste helfe nur eine konsequente Strafverfolgung, meint Reinfrank. Seit den Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen sei diese Szene es gewohnt, dass viele Straftaten kaum verfolgt würden. „Und das sind unglaubliche Erfolgsmomente. Es geht ja eben immer darum, sich auch zu inszenieren.“

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