Studentenansturm bringt Unistädte an ihr Limit

Ute Welty im Gespräch mit Christian van Bebber · 05.09.2013
Kaum Wohnheimplätze und hohe Mieten: Für Studenten in Münster wird es immer schwerer, eine Bleibe zu finden. Die Politik sei sehenden Auges in die Situation gelaufen, sagt Studentenvertreter Christian van Bebber. Denn der doppelte Abitur-Jahrgang sei ja nicht überraschend gekommen.
Ute Welty: Abgelegen, unrenoviert, überteuert – wer als Student auf Wohnungssuche in Münster ist, der kann sich auf einiges gefasst machen, nur nicht, dass er der Einzige ist, der ansteht. Etwa 5500 junge Menschen kommen in diesem Jahr nach Münster, und früher oder später werden sie auch ihm begegnen: Christian van Bebber, Vorsitzender des AStA in Münster, das ist der Allgemeine Studentenausschuss. Guten Morgen!

Christian van Bebber: Guten Morgen!

Welty: Wie sehr brennt das Thema Wohnungssuche im Vergleich zu den vergangenen Jahren?

van Bebber: Na ja, durch den doppelten Abiturjahrgang ja noch mal schlimmer geworden, die Universitäten nehmen natürlich mehr Studierende auf. Allein die Uni Münster selber nimmt 700 auf, die FH nimmt wahrscheinlich die gleiche Summe noch mal mehr auf. Das heißt natürlich, die Wohnungen werden noch … sind noch knapper, und die Studierenden müssen sich noch mehr um die Wohnungen bemühen.

Welty: Heute trifft sich ja ein runder Tisch in Münster, da sitzen dann Vertreter der Stadt, der Uni, der Fachhochschule und eben der Studenten. Die werden aber auch bis zum Wintersemester keine einzige Wohnung mehr bauen können. Was also soll diese Veranstaltung bringen?

van Bebber: Also wichtig ist natürlich auch die Abstimmung und dass man eben schaut, was man selber zusammen hinbekommt. Auch die aktuellen Stände der Studentenwerke, die oft noch jetzt durch das Konjunkturpaket noch Renovierungen haben, von den Wohnheimen, die erst dann später an den Markt kommen wie hier auch in Münster. Das ist natürlich wichtig, auch den Zwischenstand da zu erfahren. Wenn es denn schneller fertig ist, ist das für uns auch wichtig eben zu wissen.

Welty: Was bekommt man denn zusammen hin?

van Bebber: Man bekommt zumindest sehr kreative Aktionen hin wie zum Beispiel die Schaufensteraktion. Wir haben jetzt am vergangenen Wochenende einen Studenten im Schaufenster schlafen lassen für drei, vier Stunden hier bei uns im Kaufhaus, hier vor Ort, und das ist schon sehr gut bei den Münsteranern angekommen und hat dazu geführt, dass wir alleine jetzt dadurch – also, man kann ungefähr schätzen, dass da allein hundert Wohnungsangebote von Münsteranern für Studierende eben bereitgestellt worden sind.

Welty: Wissen Sie, ob dieser Mensch vermittelt wurde?

van Bebber: Herr Sauer hatte schon eine Wohnung, er ist auch …

Welty: Ach, er hatte schon eine Wohnung!

van Bebber: Er ist auch ein ganz guter Freund von mir, wusste aber über das Problem Bescheid und hat sich deswegen auch dazu bereit erklärt, das eben, bei der Aktion mitzumachen.

Welty: Ist das nicht auch ein – ja, ein Stück weit menschenverachtend, sich so zur Schau zu stellen, und dann auch noch mit so einem Fake im Hintergrund? Die Leute haben doch geglaubt, dass er tatsächlich eine Wohnung braucht?

van Bebber: Definitiv. Es kamen auch sehr viele Leute an, auch ein Studierender kam mit dem Fahrrad direkt vorgefahren und hat gesagt, bist du Fabian? Wir hätten da noch eine Wohnung für dich. Also das war schon sehr heiß, auf jeden Fall. Aber wir wollen natürlich auch ein bisschen provozieren, weil das genau der Weg ist, wie man halt noch eine Wohnung bekommt. In den Städten muss man halt enger dann zusammenrücken, vor allem in den Uni-Städten, weil, man hat einfach gar keine andere Möglichkeit.

Welty: Noch mal zurück zum runden Tisch. Einen solchen runden Tisch gab es bereits bei Bundesbauminister Peter Ramsauer, der hatte versprochen, das Thema von allen Seiten anzupacken. Ist das aus Ihrer Sicht geschehen?

van Bebber: Leider ist das verpufft, muss man ganz ehrlich sagen. Es ging ja da vor allem um Kredite, die eben zur Verfügung gestellt worden sind. Und bei der aktuellen Lage oder Finanzlage ist es natürlich so, dass die Kredite, selbst wenn sie zinsfrei sind, man sich die fast auch in der freien Wirtschaft holen kann und die Studentenwerke damit oft mit großen Risiken belastet wurden, weil natürlich in zehn Jahren, wie dann die Kredite aussehen, wenn die Zinsgarantie wegfällt vom Bund, dann ist natürlich genau die Frage, wie viel Schulden die Studentenwerke dadurch dann bekommen.

Welty: Wenn Peter Ramsauer Sie anruft und sagt, Christian, ich weiß gar nicht, was ich machen soll, sag du mal! Was sagen Sie ihm?

van Bebber: Also ich muss ganz ehrlich sagen, leider hat man, wie man immer so schön sagt, man ist sehenden Auges da reingelaufen. Der doppelte Abiturjahrgang kommt mir immer so vor, als wenn das eine ganz, ganz überraschende Sache ist, die jetzt auf einmal kommt. Dabei wissen wir das seit Jahren schon, und man hätte da frühzeitig drauf reagieren müssen auf jeden Fall.

Welty: Na, wie denn frühzeitig drauf reagieren?

van Bebber: Na ja, man hätte da natürlich vielleicht Mittel zur Verfügung stellen müssen, um eben Wohnheime zu bauen oder auch mal zu prüfen, wie sieht es in den Städten aus, können die Städte das verkraften, diesen Mehransturm an Studierenden. Zum Beispiel Städte wie Münster oder Aachen oder Köln, die sind da am Limit, was das angeht. Da entstehen nicht tausend Wohnungen einfach mal so, da muss man dann dementsprechend auch Anreize schaffen.

Welty: Die Werbung will uns ja Glauben machen, alles ist geritzt, wenn man nur einen Flatscreen, eine Espressomaschine oder vor allen Dingen eine Bahncard mitbringt. Was raten Sie Studenten, die in Münster eine Wohnung suchen?

van Bebber: Ich rate allen Studierenden, viel Geduld zu haben und aktiv selber zu werden. Das Entscheidende ist, es bringt nicht so besonders viel, wenn man eben in den einschlägigen Tageszeitungen oder wo auch immer nach einer Wohnung schaut. Dann ist es vielleicht auch mal sinnvoll, selber eine Anzeige zu schalten. Weil es gibt vor allem viele ältere Menschen auch in Städten wie Münster, die eben vielleicht ein Zimmer haben, aber natürlich selber nicht aktiv werden, sondern da muss man schon … die muss man dann bei der Haustür abholen und denen sagen, ja, das Zimmer hätten wir gerne.

Welty: Wo lassen sich noch Reserven heben?

van Bebber: Das wissen wir auch nicht. Wir hoffen, dass das bei der Bevölkerung, dass das weiterhin so gut läuft, wie es jetzt mit diesen Aktionen eben jetzt der Fall ist, hoffen natürlich auch in anderen Städten, gar keine Frage. Und wir müssen schauen, wie viel da noch an Reserve da ist und – na ja, Patentlösungen gibt es da im Moment auch nicht einfach.

Welty: Könnte man auch über neue Modelle des Zusammenlebens nachdenken? Sie haben eben das Verhältnis von Jung und Alt beispielsweise angesprochen, also nicht nur Wohnen, sondern vielleicht auch miteinander wohnen?

van Bebber: Also, da haben wir auch eine Initiative zu gestartet, das nennt sich "Wohnen für Hilfe", das richtet sich gezielt auch an ältere Münsteraner, die eben vielleicht Hilfe brauchen. Und da kann sich – das wird durch ein Ehepaar betreut –, da können sich eben dann Studierende und auch alte Menschen melden, die sagen, ja, wir haben da ein Zimmer, und ich hätte ganz gerne einen jungen Studierenden bei mir wohnen, der mir eventuell auch im Haushalt mal helfen kann oder für mich einkaufen gehen kann. Das wird, soweit ich weiß, auch ganz gut angenommen hier in Münster.

Welty: Wenn man denn mal eine Wohnung hat oder ein Zimmer, dann bedeutet das ja nicht, dass damit alle Probleme erledigt sind. Im Gegenteil, häufig fangen die Schwierigkeiten erst an, wenn die Nebenkosten oder die Mieten selbst steigen. Was bleibt da zu tun?

van Bebber: Also das merken wir jetzt auch immer mehr. Man kennt ja den tollen Satz "Angebot und Nachfrage regulieren den Preis". Das ist inzwischen bei den Wohnungen auch ganz genau der Fall, dass eben oft Vermieter kommen und sagen, die Wohnung ist jetzt 70 Euro teurer geworden. Vor allem auch, wenn dann die Studierenden ausziehen – die Fluktuation ist ja eher hoch bei Studierenden, weil, wenn man mit seinem Studium fertig ist, ziehen die meisten aus. Und dann sagt der Vermieter, oh ja, jetzt haben wir gerade eine Wohnungssituation, die sehr, sehr knapp ist, da kann ich ruhig 70 Euro mehr nehmen für die Wohnung als Beispiel. Und natürlich muss man dann eben schauen, inwieweit das überhaupt noch bezahlbar bleibt für Studierende. Wenn ich dann Wohnungen habe, wo ich für 20 Quadratmeter 500 Euro warm zahle, dann ist das schon genau die Frage, ob sich das ein Studierender überhaupt noch leisten kann.

Welty: Würden Sie sich wünschen, dass das Thema mehr im Wahlkampf aufgegriffen wird? Verpufft auch diese Chance?

van Bebber: Ich muss ganz ehrlich sagen, ich hoffe, dass es noch mal Thema wird, das muss ich ganz ehrlich sagen.

Welty: Na, die Uhr tickt. Da ist jetzt nicht mehr allzu viel Zeit bis zum 22. September.

van Bebber: Ich glaube, dass wir da generell ein Problem haben mit der Wohnraumversorgung, also generell in dem Niedrigpreissektor. Man hat ja auch – die Studien kamen jetzt auch raus –, leider ist das auch nicht so richtig angekommen. Der soziale Wohnungsbau, da sind ja viele Mittel auch eben nicht reingesteckt worden, die hätten reingesteckt werden müssen. Und das merken wir jetzt, ja.

Welty: Christian van Bebber vom AStA in Münster hilft Studenten bei der Wohnungssuche und uns mit diesem Interview. Ich danke Ihnen!

van Bebber: Herzlichen Dank, einen wunderschönen Morgen noch!

Welty: Den wünsche ich Ihnen auch!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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