Studenten besetzen Universitätspräsidium

Von Elke Drewes |
In Göttingen haben Studierende das Universitätspräsidium besetzt. Hintergrund der Protestaktion sind die jüngsten Kürzungspläne. Die Universität will die Studiengänge Politik, Pädagogik und Sportwissenschaften zum Wintersemester 2006 drastisch beschneiden oder schließen.
"Für eine kritische Wissenschaft selbstbestimmt leben und lernen" - das steht auf einem Banner, das die Studierenden an die Fassade des Göttinger Universitätspräsidiums gehängt haben. Sie wollen das Gebäude Tag und Nacht besetzt halten, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.

"Wir fordern, die Rücknahme aller Kürzungspläne, insbesondere der Fächerschließungen in Pädagogik, Sport und Politik und den Rücktritt von Universitätspräsident von Figura aufgrund von Äußerungen, dass Menschen ausgemerzt werden sollen und die Fakultät biologisch nicht überlebensfähig ist."

Das Fach Politologie soll künftig nicht mehr an der Universität Göttingen gelehrt werden, sondern sich an der Uni Hannover konzentrieren. Im Gegenzug soll in Göttingen die Soziologie gestärkt werden, so Präsident der Universität Göttingen von Figura.

Für Göttingen heißt dass, auch die Professuren der bundesweit und international renommierten Parteienforscher Peter Lösche und Franz Walter sind gefährdet. Denn die Wissenschaftliche Kommission in Niedersachsen habe der Göttinger Parteienforschung zwar gute Noten in der Lehre bescheinigt, nicht aber in der Forschung, so Unipräsident von Figura.

"Wir brauchen keine Wirtshausschilder, sondern Ausstrahlung, die Wissenschaftler und Studierende erreicht. Es ist nicht unser Ziel, andere mit plakativen Aktionen zu gewinnen, offensichtlich ist das Urteil in der Fachwelt nicht so positiv."

Allerdings haben genau solche Persönlichkeiten wie die Parteienforscher Lösche und Walter Studierende nach Göttingen gezogen. Studentenmeinungen zur beabsichtigten Schließung:

"Ich finde es skandalös: Parteienforschung, das war einer der Studiengänge, warum ich überhaupt nach Göttingen gekommen bin, und nun soll es geschlossen werden, ein Skandal. Das sieht man aktuell nach dem was in Paris passiert, wie wichtig sie Sozialwissenschaften sind."
Von den Sozialwissenschaften sollen in Göttingen nur noch die Fächer Soziologie und Ethnologie übrig bleiben. Das Fach Pädagogik soll sich auf Schulforschung und Gymnasiallehrerausbildung beschränken; auch Sportwissenschaften stehen vor dem Aus. Gleichzeitig werden die Molekularen Biowissenschaften an der Göttinger Uni ausgebaut. Der Göttinger Parteienforscher Franz Walter wagt eine Prognose:

"In diesem Land spürt man Konjunktur der Naturwissenschaftler. Die Kanzlerin ist Naturwissenschaftlerin, der Chef der Opposition ist Ingenieur. Das ist Trend, weil Naturwissenschaften sind wichtig für ökonomisches Wachstum während Geisteswissenschaften, Orchideen sind, Dinge deuten, Kultur bringen. Das ist im Moment Trend aber in 10 Jahren auch wieder vorbei. Dann sieht man, welche ungeheuren Löcher man geschlagen hat in diese Kultur. Aber im Moment sieht es schlecht für uns aus."

Für morgen Mittwoch um 13 Uhr ist an der Universität Göttingen eine Univollversammlung geplant zum Thema Bildungsklau.


Das Gespräch zum Thema "Wie wissenschaftliche Expertiesen interpretiert werden ... " mit Prof. Dr. Jürgen Mlynek, Vorsitzender der Wissenschaftlichen Kommission Niedersachsen und Präsident der Helmholtz-Gesellschaft, finden Sie als Audio in der rechten Spalte.
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