Struck: NATO soll politischer werden
Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD) hat ein größeres politisches Mitspracherecht der Verteidigungsminister bei Auslandseinsätzen der NATO gefordert. Es könne nicht sein, dass auf dem Rücken der Soldaten ungelöste politische Konflikte ausgetragen würden, sagte Struck im Deutschlandradio Kultur.
Ostermann: Herr Struck, nicht zuletzt war es ja Bundeskanzler Schröder, der sich bei der Sicherheitskonferenz in München für verstärkte politische Diskussionen in der NATO ausgesprochen hatte. Wo konkret könnten die Verteidigungsminister mehr als bisher mitsprechen und mitentscheiden.
Struck: Nehmen wir das Beispiel des Kosovo, in dem wir ja als NATO stark engagiert sind mit fast 20.000 Soldaten. Wir als Verteidigungsminister und unsere Soldatinnen und Soldaten nehmen dort Stabilisierungsfunktionen wahr. Allerdings ist das ungelöste Problem des Kosovo eine politische Frage, nämlich die Frage des Status, und das ist ein Thema, dem sich nicht nur die Außenminister widmen sollten, sondern auch die Verteidigungsminister. Es kann ja nicht sein, dass auf dem Rücken der Soldaten, die dort sind, diese ungelöste Frage nach wie vor zu Konflikten in dieser Region führen kann. Ein anderes Beispiel ist das Thema Afghanistan. Auch hier müssen wir uns intensiv damit beschäftigen, wie es nach den Wahlen in Afghanistan weitergeht, die auch am kommenden Sonntag dort stattfinden, welche politischen Vorgaben gibt es von der Regierung Karzai und in welchem Umfang muss eine internationale militärische Präsenz noch aufrechterhalten bleiben.
Ostermann: Das würde ja insgesamt bedeuten, dass die Außenminister ein Stück Verantwortung abtreten. Wie mehrheitsfähig ist eine solche Position überhaupt in der NATO?
Struck: Das ist in der NATO unumstritten. Also die Initiative von Bundeskanzler Schröder hat natürlich schon gewirkt. Auch in einer Außenministerkonferenz in Wilna vor einiger Zeit ist klar erkannt worden, dass die NATO und auch die Verteidigungsminister sich nicht nur mit technischen Fragen beschäftigen sollten, wie viel Hubschrauber, wie viel Truppen, wie viel Kompanien werden irgendwo hin entsandt, sondern auch mit den politischen Fragen, die gelöst werden müssen. Ich sehe dort kein Konfliktpotential, erst recht nicht mit dem Außenminister Joschka Fischer.
Ostermann: Wenn der im Amt bleibt.
Struck: Ja, er bleibt im Amt, ich auch, Herr Ostermann.
Ostermann: Darüber reden wir später. Sie haben sich, was Afghanistan betrifft, gegen eine engere Verzahnung von NATO-Einsätzen und amerikanischem Antiterrorkampf ausgesprochen. Das Klima würde sich verschlechtern, das Gefährdungspotential auch für deutsche Soldaten erhöhen. Gibt es nicht auch gute Gründe dafür, mehr Effizienz zum Beispiel?
Struck: Ja, alle sind schon geregelt, auch durch eine fast einheitliche Kommandostruktur. Es gibt sozusagen ein einheitliches Dach für beide Operationen, für die ISAF-Mission und für die OEF-Mission. Es gibt Synergieeffekte, aber es ist immer nach wie vor auch wichtig, auch in den Augen der afghanischen Bevölkerung, dass das Schutzmandat und Hilfsmandat, in dem wir massiv beteiligt worden sind, im Vordergrund stehen bleibt. Es ist natürlich auch so, dass wir im Kampf gegen internationalen Terrorismus auch nicht tatenlos sind. Wir haben zum Beispiel über einen Bundestagsbeschluss die Möglichkeit, auch Spezialkräfte in Afghanistan einzusetzen.
Ostermann: Sie liefern das Stichwort. Der Bundestag muss demnächst über die Verlängerung des Mandats am Hindukush entscheiden. Reicht das deutsche Kontingent eigentlich aus oder planen Sie eine Aufstockung des Einsatzes?
Struck: Ich plane eine Aufstockung auf circa 3000 Soldaten von jetzt 2250, einfach um mehr Flexibilität zu haben. Ich möchte auch dann die räumliche Begrenzung, die der Bundestag auch auf Vorschlag von mir damals beschlossen hat, etwas auflockern. Wir wollen im Rahmen der Fortschritte, die es bei der NATO-Stationierungsplanung von so genannten "Wiederaufbauteams" gibt, auch die Möglichkeit haben, in anderen Regionen des Landes helfen zu können, im Westen und im Süden. Diese Vorstellungen werden auch von den übrigen Fraktionen im Deutschen Bundestag mitgetragen, was ich ja vorhatte, dass wir dort ein einheitliches Votum bekommen.
Ostermann: Aber ist die Bundeswehr nicht schon längst an der Grenze ihrer internationalen Einsatzfähigkeit angelangt?
Struck: Nein, das ist sie nicht. Die Bundeswehr ist jetzt im Augenblick gerader mit 6500 Soldatinnen und Soldaten im Auslandeinsatz in verschiedenen Missionen auf der Welt, und wir können durchaus, wenn entsprechende Anforderungen kommen, auch wenn entsprechende Beschlüsse in Regierung und Parlament erfolgen, dieses Kontingent aufstocken. Meine Transformationsvorstellungen, das heißt, die Reformvorstellungen, die ich jetzt durchgesetzt habe, in der Bundeswehr und im politischen Bereich, gehen davon aus, dass wir nachher im Jahre 2010 in der Lage sind, mit fast bis zu 70.000 Kräften Stabilisierungsmaßnahmen durchführen zu können. Insofern sind wir jetzt auf einem guten Weg, und wir können durchaus mehr tun, aber ich sehe im Augenblick nicht den Bedarf dafür.
Ostermann: Ein ganz besondere Rolle in der NATO spielt künftig natürlich auch die schnelle Eingreiftruppe. Wie effektiv arbeitet sie eigentlich schon derzeit?
Struck: Nun, es gibt verschiedene Stufen der so genannten "NRF", NATO Response Force. Wir werden im nächsten Jahr eine Übung durchführen. Deutschland wird sich an dieser Übung auch mit einem großen Kontingent beteiligen. Wir sind auf einem guten Wege, diese NATO Response Force, im Sommer 2006 voll einsatzbereit zu sein.
Ostermann: Sie haben eben schon gesagt, Joschka Fischer bleibt nach dem 18. September Außenminister, also Sie Verteidigungsminister.
Struck: Der Wähler muss das natürlich entscheiden. Ich will ja nicht überheblich sein, es sieht aber ganz gut aus für uns. Aber die Transformation, die ich jetzt begonnen habe, ist im Jahre 2010 beendet, und bis dahin würde ich gerne diese Aufgabe noch wahrnehmen.
Ostermann: Und für den Fall einer großen Koalition würden Sie dann als Vizekanzler zur Verfügung stehen?
Struck: Ich spekuliere nicht über andere Koalitionen.
Ostermann: Vielen Dank für das Gespräch.
Struck: Nehmen wir das Beispiel des Kosovo, in dem wir ja als NATO stark engagiert sind mit fast 20.000 Soldaten. Wir als Verteidigungsminister und unsere Soldatinnen und Soldaten nehmen dort Stabilisierungsfunktionen wahr. Allerdings ist das ungelöste Problem des Kosovo eine politische Frage, nämlich die Frage des Status, und das ist ein Thema, dem sich nicht nur die Außenminister widmen sollten, sondern auch die Verteidigungsminister. Es kann ja nicht sein, dass auf dem Rücken der Soldaten, die dort sind, diese ungelöste Frage nach wie vor zu Konflikten in dieser Region führen kann. Ein anderes Beispiel ist das Thema Afghanistan. Auch hier müssen wir uns intensiv damit beschäftigen, wie es nach den Wahlen in Afghanistan weitergeht, die auch am kommenden Sonntag dort stattfinden, welche politischen Vorgaben gibt es von der Regierung Karzai und in welchem Umfang muss eine internationale militärische Präsenz noch aufrechterhalten bleiben.
Ostermann: Das würde ja insgesamt bedeuten, dass die Außenminister ein Stück Verantwortung abtreten. Wie mehrheitsfähig ist eine solche Position überhaupt in der NATO?
Struck: Das ist in der NATO unumstritten. Also die Initiative von Bundeskanzler Schröder hat natürlich schon gewirkt. Auch in einer Außenministerkonferenz in Wilna vor einiger Zeit ist klar erkannt worden, dass die NATO und auch die Verteidigungsminister sich nicht nur mit technischen Fragen beschäftigen sollten, wie viel Hubschrauber, wie viel Truppen, wie viel Kompanien werden irgendwo hin entsandt, sondern auch mit den politischen Fragen, die gelöst werden müssen. Ich sehe dort kein Konfliktpotential, erst recht nicht mit dem Außenminister Joschka Fischer.
Ostermann: Wenn der im Amt bleibt.
Struck: Ja, er bleibt im Amt, ich auch, Herr Ostermann.
Ostermann: Darüber reden wir später. Sie haben sich, was Afghanistan betrifft, gegen eine engere Verzahnung von NATO-Einsätzen und amerikanischem Antiterrorkampf ausgesprochen. Das Klima würde sich verschlechtern, das Gefährdungspotential auch für deutsche Soldaten erhöhen. Gibt es nicht auch gute Gründe dafür, mehr Effizienz zum Beispiel?
Struck: Ja, alle sind schon geregelt, auch durch eine fast einheitliche Kommandostruktur. Es gibt sozusagen ein einheitliches Dach für beide Operationen, für die ISAF-Mission und für die OEF-Mission. Es gibt Synergieeffekte, aber es ist immer nach wie vor auch wichtig, auch in den Augen der afghanischen Bevölkerung, dass das Schutzmandat und Hilfsmandat, in dem wir massiv beteiligt worden sind, im Vordergrund stehen bleibt. Es ist natürlich auch so, dass wir im Kampf gegen internationalen Terrorismus auch nicht tatenlos sind. Wir haben zum Beispiel über einen Bundestagsbeschluss die Möglichkeit, auch Spezialkräfte in Afghanistan einzusetzen.
Ostermann: Sie liefern das Stichwort. Der Bundestag muss demnächst über die Verlängerung des Mandats am Hindukush entscheiden. Reicht das deutsche Kontingent eigentlich aus oder planen Sie eine Aufstockung des Einsatzes?
Struck: Ich plane eine Aufstockung auf circa 3000 Soldaten von jetzt 2250, einfach um mehr Flexibilität zu haben. Ich möchte auch dann die räumliche Begrenzung, die der Bundestag auch auf Vorschlag von mir damals beschlossen hat, etwas auflockern. Wir wollen im Rahmen der Fortschritte, die es bei der NATO-Stationierungsplanung von so genannten "Wiederaufbauteams" gibt, auch die Möglichkeit haben, in anderen Regionen des Landes helfen zu können, im Westen und im Süden. Diese Vorstellungen werden auch von den übrigen Fraktionen im Deutschen Bundestag mitgetragen, was ich ja vorhatte, dass wir dort ein einheitliches Votum bekommen.
Ostermann: Aber ist die Bundeswehr nicht schon längst an der Grenze ihrer internationalen Einsatzfähigkeit angelangt?
Struck: Nein, das ist sie nicht. Die Bundeswehr ist jetzt im Augenblick gerader mit 6500 Soldatinnen und Soldaten im Auslandeinsatz in verschiedenen Missionen auf der Welt, und wir können durchaus, wenn entsprechende Anforderungen kommen, auch wenn entsprechende Beschlüsse in Regierung und Parlament erfolgen, dieses Kontingent aufstocken. Meine Transformationsvorstellungen, das heißt, die Reformvorstellungen, die ich jetzt durchgesetzt habe, in der Bundeswehr und im politischen Bereich, gehen davon aus, dass wir nachher im Jahre 2010 in der Lage sind, mit fast bis zu 70.000 Kräften Stabilisierungsmaßnahmen durchführen zu können. Insofern sind wir jetzt auf einem guten Weg, und wir können durchaus mehr tun, aber ich sehe im Augenblick nicht den Bedarf dafür.
Ostermann: Ein ganz besondere Rolle in der NATO spielt künftig natürlich auch die schnelle Eingreiftruppe. Wie effektiv arbeitet sie eigentlich schon derzeit?
Struck: Nun, es gibt verschiedene Stufen der so genannten "NRF", NATO Response Force. Wir werden im nächsten Jahr eine Übung durchführen. Deutschland wird sich an dieser Übung auch mit einem großen Kontingent beteiligen. Wir sind auf einem guten Wege, diese NATO Response Force, im Sommer 2006 voll einsatzbereit zu sein.
Ostermann: Sie haben eben schon gesagt, Joschka Fischer bleibt nach dem 18. September Außenminister, also Sie Verteidigungsminister.
Struck: Der Wähler muss das natürlich entscheiden. Ich will ja nicht überheblich sein, es sieht aber ganz gut aus für uns. Aber die Transformation, die ich jetzt begonnen habe, ist im Jahre 2010 beendet, und bis dahin würde ich gerne diese Aufgabe noch wahrnehmen.
Ostermann: Und für den Fall einer großen Koalition würden Sie dann als Vizekanzler zur Verfügung stehen?
Struck: Ich spekuliere nicht über andere Koalitionen.
Ostermann: Vielen Dank für das Gespräch.