Strom aus Wasserpflanzen

Von Annegret Faber |
Die Wasserpest wächst extrem schnell und verbreitet sich seit den 1950er Jahren in Deutschland. In mehreren Bundesländern bewuchert die Pflanze Seen - sie muss gemäht und entsorgt werden. Aus Sachsen kommt nun die Idee, die Wasserpest zu verstromen.
Der Umweltwissenschaftler Andreas Zehnsdorf steht am Rand des großen Goitzschesees südöstlich von Bitterfeld und schaut nachdenklich ins Wasser. Wo früher ein Braunkohletagebau war, wächst etwas, das er seit Langem beobachtet - die Schmalblättrige Wasserpest, Elodea nuttallii:

"Also am liebsten breitet sie sich in Seen aus, wo noch kein etablierter Pflanzenbestand vorherrscht, weil sie dann Areale besiedeln kann, die pflanzenfrei sind. Dort bildet sie ziemlich ausgedehnte Pflanzenbestände."

Das zarte, hellgrüne Pflänzchen kann bis zu fünf Meter hoch wachsen. In Fachkreisen wird vermutet, dass sie ein Botaniker nach Deutschland brachte, um sie zu Versuchszwecken hier auszusetzen. Da sie in ihrer Heimat unauffällig ist, ahnte er nicht, wie schnell sie sich hier in schwach bewachsenen Gewässern vermehren kann. Tagebauseen bieten optimale Bedingungen – so wie auch die Goitzsche. Mit einer Fläche von 13,3 Quadratkilometern gehört der See zu den größten deutschen Gewässern. Das gesamte Tourismuskonzept der Region ist um ihn gestrickt. Eine wahre Goldgrube, wäre da nicht die Wasserpest. Denn Geld kommt nur rein, wenn die Leute an und in der Goitzsche ihre Freizeit verbringen. Die Elodea stört die Freizeitler, sie lässt das Wasser grün aussehen und wuchert den Uferbereich zu.

Verantwortlich für den See ist die Entwicklungs-, Betreiber- und Verwertungsgesellschaft Goitzsche. Der Vorsitzende Lutz Bernhardt beugt sich über eine Landkarte und zeigt, wo die unbeliebte Pflanze wächst:

"Die Elodea ist vor allen Dingen an dieser Stelle, das ist die Halbinsel Poch hier rum, hier ist sie ganz stark, hier hinten ist sie ganz stark. Hier an diesen Stellen ist sie überall vertreten."

Auf 100 Hektar des Sees wächst die Elodea, schätzt Lutz Bernhardt. Der Einsatz von Herbiziden zur Bekämpfung der Pflanze ist in deutschen Gewässern jedoch verboten. Auf natürliche Fressfeinde, wie Fische, Krebse und Wasservögel kann Bernhard auch nicht zählen. Bleibt also nur, die Pflanze zu ernten. Maschinen dafür gibt es. Aber sie sind teuer und mähen schlecht, behauptet er:

"Sie müssen sich vorstellen, es gibt für alles jemanden, der etwas tut. Da gibt es also jemanden, die haben sich so ein Mähboot gekauft und verpachten das das ganze Jahr und wir nehmen das für 14 Tage drei Wochen - kostet im Schnitt das ganze Jahr über zwischen 6 und 10.000 Euro."

Geld, das er nicht hat. Deshalb beteiligt er sich an der Entwicklung eines neuen Bootes. Die Technischen Universität Dresden und das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig konzipierten es. Das neue Boot schneidet die Elodea bis in fünf Meter Tiefe – die doppelte Tiefe der herkömmlichen Ernteboote. Ein Sensor am Mäharm tastet den Seegrund ab und passt sich dem Boden an – eine effektive Mähmethode.

Eine weitere Idee der Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums: Die Wasserpest soll in Zukunft nicht mehr auf dem Müll landen, sondern in der Biogasanlage. Als Biomasse sei sie zur Verstromung gut geeignet. Das ergaben Untersuchungen und Praxistests, die am UFZ in Leipzig durchgeführt wurden. Dr. Carsten Herbes von der Nawaro Bio Energie AG, einer Firma die Biogasanlagen konzipiert, findet das Elodea-Konzept interessant:

"Zurzeit kommt in der Biogasindustrie hauptsächlich Maissilage, Grassilage, Getreide, Korn zur Anwendung, das sind die großen Stoffe neben der Gülle. Aber wir schauen auch immer wieder, ob wir einen Stoff bekommen, mit dem wir nicht in Konkurrenz zu Ackerfrüchten stehen. Insofern ist die Elodea für uns interessant."

Mit einer Tonne erntefrischer Elodea kann man 18 Kubikmeter Methan gewinnen und daraus wiederum 70 Kilowattstunden Strom – der wöchentliche Durchschnittsverbrauch eines Drei-Personen-Haushaltes in Deutschland. Aufgrund der hohen Feuchtigkeit ist die Wasserpflanze jedoch nur in Verbindung mit anderen organischen Stoffen, wie zum Beispiel Mais, einsetzbar, sagt Andreas Zehnsdorf. Maximal 50 Prozent Elodea dürfen in die Anlage. Würde es mehr werden, sinkt die Methanausbeute. Dadurch ist die Wasserpest für den Bauern nur interessant, wenn er für den Transport geringe Kosten hat, also kurze Wege. Kein Problem, sagt Umweltwissenschaftler Andreas Zehnsdorf:

"In Deutschland gibt es circa 4900 Biogasanlagen, heißt, die Anlagen stehen beinahe überall, sodass die Wege vom See zur Anlage kurz sind und der Bauer nur wissen muss, wo er die Biomasse abholen kann. Massenvorkommen der Elodea-Biomasse, und somit auch Probleme bei der Bewirtschaftung der Seen, gab es bisher in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. In diesen Bundesländern gibt es erfreulicherweise auch viele Biogasanlagen."

Das neue Konzept wirkt vielversprechend. Der Seenbetreiber ist die Pflanze los, der Bauer bekommt kostenlose Biomasse und diese steht tatsächlich nicht mit Nahrungsmitteln in Konkurrenz. Es sei denn, auch die Lebensmittelindustrie entdeckt die Pflanze für sich und bringt vegetarische Elodea-Schnitzel auf den Markt.