Strom aus Getreide und Gülle

    Von Katja Siebert · 23.04.2011
    56 Bioenergiedörfer gibt es in Deutschland. Sie erzeugen ihren eigenen Strom aus Mais, Getreide und Gülle. Die ersten Nutzer dieser Idee leben in Jühnde, einem 800-Seelen-Ort in der Nähe von Göttingen.
    Edeltraut Schulz aus Jühnde war von Anfang an mit dabei. Sie war überzeugt von der Idee: Ein Ort, der seine Energie selbst herstellt – mit Hilfe von Biomasse. Viele in Jühnde dachten so wie sie:

    "Es war schon 'ne Gemeinschaft. Und ich würde mal sagen, der Großteil war schon von Anfang an positiv eingestellt und war eigentlich dabei."

    Ohne die Dorfgemeinschaft hätte es nicht funktioniert. Das war auch Eckhard Fangmeier klar, der heute im Vorstand arbeitet und ebenfalls zu den ersten Begeisterten im Ort gehörte:

    "Das ganze Projekt war darauf ausgelegt, das gesamte Dorf auch mitzunehmen, denn ein Kern unseres Projektes ist ja auch das Nahwärmenetz, das in Jühnde verlegt ist."

    Und dafür brauchte man zuverlässige Abnehmer. Aber bevor die Wärme überhaupt entstehen kann, muss in der Bioenergieanlage, die heute am Ortsrand von Jühnde steht, erst einmal Strom erzeugt werden. Und auch das geht nicht ohne die Dorfbewohner: Die Landwirte im Ort bauen auf ihren Feldern Mais und Getreide für die Stromerzeugung an. Die gehäckselte Ernte lagert in großen Siloboxen. Eckhard Fangmeier zeigt mir die Anlage.

    Reporterin: "Hier riecht es jetzt schon richtig nach Bio, oder?"
    Fangmeier: "Mmmh ja, super finde ich das. Das riecht optimal hier. Nämlich, das ist einfach die Biomasse, ne, also hier sehen wir jetzt die Silage, also fein gehäckselt. Das ist jetzt Getreide, also das ist Triticale, aus der Ernte aus dem letzten Jahr, also was jetzt in der Silobox dann liegt."

    Nur wenige Meter entfernt steht der Fermenter – ein großer runder Behälter, in dem Bakterien die Biomasse zersetzten. Außer Getreide und Mais kommt auch Gülle in den Fermenter. Mit dem entstandenen Biogas wird dann in einem Blockheizkraftwerk Strom hergestellt. Sogar doppelt so viel, wie in Jühnde verbraucht wird. Und als Abfallprodukt entsteht auch noch Wärme – mit der in Jühnde geheizt wird. Rund 70 Prozent der Haushalte sind an das Nahwärmenetz angeschlossen. Auch Edeltraut Schulz heizt in ihrem Haus mit der Wärme vom Dorfrand.

    "Das kommt also durch das Rohr im Keller an, dann haben wir 'nen Warmwasserspeicher und man kann jeden Tag runtergehen, kann gucken, was man verbraucht hat, also das läuft problemlos."

    Problemlos sollte auch der Preis für die Nahwärme sein. Er wurde beim Start vor fünf Jahren dem Heizölpreis angeglichen. 35 Cent kostet die Menge Nahwärme – die vergleichbar mit einem Liter Öl produziert werden könnte. Edeltraut Schulz:

    "Wir sind damals, als wir angeschlossen haben, lag der Heizölpreis … – wir haben das letzte Mal für 38 Cent pro Liter getankt. Das ist ja heute wohl nicht mehr möglich."

    Heute kostet der Liter Heizöl um die 80 Cent und die Jühnder freuen sich über ihre günstigen Energiepreise. Und noch etwas hat sich gesteigert in den vergangenen fünf Jahren. Jühnde hat Nachahmer gefunden. Mittlerweile gibt es in Deutschland 56 Bioenergiedörfer. Doch die Jühnder wollen sich nicht auf ihrem Erfolg ausruhen.

    Eckhard Fangmeier, der von Anfang an dabei war und mittlerweile im Vorstand der Genossenschaft ist, hat eine Zukunftsvision. Noch wird der in Jühnde produzierte Biostrom in das allgemeine Stromnetz eingespeist. Aber was ist, wenn nach 20 Jahren die Verträge auslaufen?

    "Müssen wir uns dann so aufstellen, dass wir unseren Strom auch selber verkaufen? Wird es dann so sein, dass wir mit unseren Elektroautos fahren, die den Strom von der Anlage auch tanken? Das sind Visionen, die aber gar nicht so weit weg sind und wo wir uns heute schon gedanklich mit befassen um diese Zukunft aktiv mitzugestalten."