Ströbele: Schreiber soll volle Wahrheit auf den Tisch legen

Hans-Christian Ströbele im Gespräch mit Hanns Ostermann |
Der stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Hans-Christian Ströbele, schließt einen erneuten Untersuchungsausschuss zur CDU-Parteispendenaffäre der 90er-Jahre nicht aus. Das hänge davon ab, "was Herr Schreiber bringt".
Hanns Ostermann: Korruption und Steuerhinterziehung, das wirft die Staatsanwaltschaft in Augsburg dem Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber vor. Jetzt kann der Fall auch endlich vor einem deutschen Gericht verhandelt werden. Seit gestern ist der 75-Jährige wieder zurück, zehn Jahre nach seiner Flucht nach Kanada. Manches steht fest: Etwa, dass Schreiber dem früheren CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep 1991 in der Schweiz eine Million D-Mark überreichte. 100.000 Mark erhielt der heutige Innenminister Wolfgang Schäuble, er leitete sie an seine Partei weiter.

Zahlreiche Fragen aber blieben bislang unbeantwortet. Am Telefon von Deutschlandradio Kultur begrüße ich Hans-Christian Ströbele von den Bündnisgrünen, er war seinerzeit Obmann im CDU-Parteispenden-Untersuchungsausschuss. Guten Morgen, Herr Ströbele!

Hans-Christian Ströbele: Guten Morgen!

Ostermann: Gesetzt den Fall, Sie säßen Schreiber gegenüber, was würden Sie gern aus ihm herausholen und von ihm wissen?

Ströbele: Na, ich würde gerne von ihm wissen, wofür er eigentlich dem Herrn Dr. Schäuble damals 100.000 Mark gegeben hat – weil dass er das gegeben hat, das steht fest –, hatte das irgendeine Beziehung zu dem Barrhead-Projekt in Kanada? Da ging’s darum, dass Thyssen in Kanada eine Waffenschmiede, eine Waffenfabrik aufbauen wollte, in der Panzer hergestellt werden, um ein Milliardenprojekt, und Schreiber war der große Lobbyist von Thyssen, dem fast unbeschränkt Gelder zur Verfügung standen, um dieses Projekt zu fördern. Und möglicherweise hat er die 100.000 D-Mark, die er damals Herrn Dr. Schäuble hier gegeben hat, auch deshalb gegeben, weil Herr Schäuble ihm helfen sollte, die Bundesregierung in Richtung Kanada in Marsch zu setzen, dass sie ihm bei diesem Projekt unterstützt.

Ostermann: Herr Ströbele, ist das für Sie die entscheidende Frage derzeit?

Ströbele: Das ist eine ganz wichtige Frage, weil wenn da was dran ist an der Vermutung, die durch Indizien gestützt ist, dass er damals bei Herrn Dr. Schäuble, noch wenige Tage, bevor damals Herr Kohl, damaliger Bundeskanzler, nach Kanada gereist ist, dass er vorher bei Herrn Schäuble war und Herrn Schäuble gesagt hat, geh doch mal zur Bundesregierung, geh doch mal zum Kanzler und sag, der soll uns da unterstützen, der soll dieses Projekt fördern. Wenn das so gewesen ist, dann wäre das ein dicker Hund und möglicherweise sogar eine strafbare Handlung gewesen.

Ostermann: Aber wie lässt sich ein Zusammenhang zwischen Geldzahlungen Schreibers und politischem Handeln überhaupt nachweisen? Anhand seiner Kalender?

Ströbele: Anhand von Kalendern reicht das nicht. Im Kalender stehen ja immer nur Indizien. Da steht zum Beispiel "Brief an Kohl" oder "bei Schäuble zur Besprechung gewesen" oder Ähnliches, was sie da besprochen haben, steht da in der Regel nicht. Aber Herr Schreiber hat ja schon mal eine Aussage dazu gemacht, dass er zu einem solchen Gespräch bei Herrn Schäuble war, und wenige Tage später findet sich dann bei Herrn Kohl eine Visitenkarte von Herrn Schreiber, am 12. Juni 1995, auf der Herr Kohl handschriftlich vermerkt hat, wer ist das. Also möglicherweise hat man ihm diese Visitenkarte übergeben – Wer war’s? War es Herr Dr. Schäuble? – und möglicherweise ist er dann daraufhin tätig geworden.

Ostermann: Karlheinz Schreiber hatte in Kanada der deutschen Politik immer wieder mit Enthüllungen gedroht. Rechnen Sie denn jetzt wirklich damit? Helmut Kohl jedenfalls hält sich ja an sein Ehrenwort.

Ströbele: Herr Schreiber ist die Schlüsselfigur der CDU-Spendenaffäre, das steht fest. Er weiß unendlich viel. Ob er nun wahr macht, was er immer wieder angedroht hat, dass wenn er nach Deutschland kommt und hier in Untersuchungshaft genommen wird, dass er dann umfassend auspackt, das kann man nur hoffen, auch in seinem eigenen Interesse. Ich finde, der soll jetzt mal die volle Wahrheit auf den Tisch legen und einer Überprüfung durch das Gericht, durch die Staatsanwaltschaft und möglicherweise auch durch ein parlamentarisches Gremium zuführen.

Ostermann: Das ist die Frage, die ich habe: Ist denn jetzt neben der Arbeit des Gerichtes in Augsburg auch noch einmal ein Bundestagsuntersuchungsausschuss nötig?

Ströbele: Ob es jetzt gleich ein Untersuchungsausschuss sein wird oder muss, das hängt ganz davon ab, was Herr Schreiber bringt, ob wir zusätzliche Akten bekommen. Ich weiß inzwischen, dass die Kanadier offenbar bei einer Hausdurchsuchung bei ihm in Kanada umfangreiche Unterlagen sichergestellt haben, die wir nicht hatten damals, unter anderem auch zusätzliche Terminkalender von ihm, die wir damals nicht hatten. Und auf dieser Grundlage müsste dann die Aussage überprüft werden, und da muss man sehen, ist dazu ein Untersuchungsausschuss notwendig.

Ich kann nur darauf hinweisen, dass wir damals im Abschlussbericht des Parteispendenuntersuchungsausschusses ausdrücklich reingeschrieben haben, dass wir leider nicht alles rauskriegen konnten, weil viele Zeugen nicht zur Verfügung standen, unter anderem Herr Schreiber nur ganz kurz, und weil sie von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht haben und dass wir deshalb möglicherweise später diese Untersuchung fortsetzen müssen.

Ostermann: Man muss doch oder man kann davon ausgehen, dass dieses Thema für den Bundestagswahlkampf keine Rolle mehr spielen wird?

Ströbele: Ich kann nur hoffen, dass er vielleicht heute schon, wenn er dem Haftrichter vorgeführt wird, anfängt auszusagen. Der Haftrichter wird ihm Gelegenheit geben, sich umfassend auch zur Sache zu äußern, das steht so im Gesetz. Und dann kann er Aussagen machen, er muss keine Aussagen machen. Ob er das tut, das werden wir sehen. Wenn er jetzt so frühzeitig anfangen würde zu plaudern, dann könnte das schon bis zur Bundestagswahl auch eine gewisse Rolle spielen.

Ostermann: Der Bündnisgrüne-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele. Ich danke Ihnen für das Gespräch heute früh!

Ströbele: Auf Wiedersehen!