Streitfall Kernenergie

Von Behrooz Bayat · 31.01.2012
Die Islamische Republik Iran ist eine religiöse Diktatur mit totalitären Zügen. Zur Sicherung ihrer Herrschaft begeht sie brutale Menschenrechtsverletzungen. Sie hat spätestens seit dem Wahlbetrug vom 2009 jegliche Legitimität eingebüßt.
Die Wurzel des Atomkonflikts liegt im ideologisch verbrämten, antiwestlichen Wahn des Regimes und dessen Weigerung, die weltpolitischen Realitäten und Spielregeln anzuerkennen.

Gewiss, Iran wurde das Opfer eines von der Welt geduldeten irakischen Giftgaskrieges. Aus dieser Not heraus wurde das Atomprogramm als ein Mittel der Abschreckung konzipiert. Es wurde entdeckt und somit der Konflikt losgetreten. Die Islamische Republik deklamiert Friedfertigkeit und der Westen reklamiert die Atombombe.

Gegen wen richtet sich das Atomprogramm? Zuerst gegen die eigenen Bürger im doppelten Sinne: erstens durch die Vergeudung von Abermilliarden Dollars als Direktinvestitionen und Sanktionskosten. Und zweitens: Mit dieser Abschreckung gewappnet würde das Regime jegliches Aufbegehren der Bürger niedermetzeln können, ohne eine Einmischung der Welt befürchten zu müssen. Ferner könnte es zur Stärkung der hegemonialen Ansprüche der Islamischen Republik in der Region beitragen.

Hat das Programm offensiven Charakter? Nein, es ist zwar jede Atombombe in der Welt eine zu viel, insbesondere in der Hand der Diktaturen. Aber schon vom Umfang her ist eine eventuelle oder potenzielle Bombe des Regimes als Abschreckung gedacht. Und ein Angriff gegen den Westen oder Israel käme einem Suizid gleich. Die Funktionäre des Regimes bilden jedoch keine apokalyptischen Horden. Sie sind weit profaner als der Anschein suggeriert. Nicht für das Jenseits rauben sie dem Land astronomische Summen.

Was bezweckt das Regime? Seine ideologische Säule ist die Feindschaft mit dem Westen, die Spannung ihr Lebenselixier. Das Atomprogramm ist die letzte, eine gewisse Unterstützung der Bürger verheißende Bastion. Ein Rückzieher würde den Westen ermuntern, womöglich Menschenrechte einzufordern - absolut lethal für das Regime.

Ist Gefahr im Verzug? Nein, weil die Uranreserven des Regimes unter der strikten Beobachtung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) stehen. Ein Abzweigen des Kernmaterials erfordert die Ausweisung der Inspektoren. Dann hätte die Welt bis zu einem möglichen Bau der Bombe genug Zeit, adäquat zu reagieren.

Die paralysierenden Sanktionen wie der Boykott des Öls und der Zentralbank, müssen nicht zwangsläufig zielführend sein. Ein denkbares Szenario könnte sein, dass das Regime nicht nachgibt und die Sanktionen sich in die Länge ziehen. Die Konsequenz würde menschliches Leid für die Bürger, die Zerstörung der Zivilgesellschaft und das Ende der Demokratiebewegung bedeuten.

Und, wenn die Islamische Republik weiterhin nicht einlenkt, wird es entweder zu einer kopflosen Rebellion der Bürger kommen oder die Logik des Krieges obsiegen. So oder so kommt für die Bürger Irans nichts Positives heraus.

Und der Westen? Er könnte geduldig mit den intelligenten Sanktionen wie bisher fortfahren und mit der Betonung der Menschenrechte der Demokratiebewegung in Iran den Rücken stärken. Denn nur ihr Sieg kann eine nachhaltige Lösung des Atomkonflikts herbeiführen.


Dr. Behrooz Bayat, Physiker, geboren in Iran, studierte er Physik an den Universitäten von Teheran, Frankfurt am Main und Marburg. Nach Promotion und Forschungstätigkeit arbeitete er als Qualitätsmanager in der Industrie. Heute ist er freiberuflicher Berater, beispielsweise der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien. In seinen Publikationen setzt er sich u.a. mit der Nuklearpolitik der Iranischen Republik auseinander. Er engagiert sich politisch als Mitglied des Exekutivkomitees " der Vereinigten Republikaner Irans, für eine säkulare und demokratische Republik" sowie der iranischen Menschenrechtsgruppe in Wien.
Der iranische Physiker Behrooz Bayat
Der iranische Physiker Behrooz Bayat© privat