Streitbar, spöttisch, liberal
Sie war eine Kultfigur der Westberliner Nachkriegszeit. Streitbar, spöttisch, liberal und weltoffen schrieb sie über Filme und Theaterstücke, die die Berliner nicht verpassen sollten. Sie porträtierte berühmte Zeitgenossen und durchreisende Künstler, wie es das Fernsehen nicht vermochte: mit Mutterwitz und Sinn für den enthüllenden Augenblick. Marlene Dietrich, Billy Wilder, Klaus Kinski und vielen anderen widmete sie ihre biografischen Miniaturen.
Karena Niehoff war eine Ausnahmeerscheinung unter den deutschen Feuilletonisten. Im Berliner Tagesspiegel, der Süddeutschen Zeitung und anderen großen Zeitungen der BRD und der Schweiz galt die Kritikerin und Reporterin 40 Jahre bis zu ihrem Tod 1992 als journalistische Institution, als unbestechliche Chronistin der zur Hochstapelei neigenden Westberliner Kultur.
Sie schaffte, was Kritikern selten vergönnt ist: Man las Artikel über die neuesten Filme, die jüngsten Theaterpremieren, peinlichsten Pressekonferenzen und Festivals, weil sie in ihrem unverwechselbarem Stil mit schräger Beobachtungsgabe und arabesken Nebeneinfällen darüber schrieb. Jahrelang waren ihre überschäumenden Reportagen zur Berlinale-Eröffnung ein gefürchtetes Feuilleton-Highlight. Zum Pathos war sie nicht aufgelegt, aber die Liebe zur Kunst prägte ihr kritisches Urteilsvermögen. Sie nahm sich heraus, über große Gefühle zu schreiben, die die kleinliche Ordnung der Wirklichkeit sprengen – und das in Zeiten, in denen Filme leicht unter Kitsch- und Ideologieverdacht gerieten. Sie schrieb gegen Heuchelei und autoritäres Gehabe an, war eine Herausforderung für die Ewiggestrigen wie für die Kalten Krieger auf beiden Seiten der Berliner Mauer.
Ein Lesebuch mit Reportagen, Porträts und Filmkritiken von Karena Niehoff macht nun die wieder mit dieser außergewöhnlichen Journalistin und Zeitzeugin bekannt. Was nur wenige wussten, schildert der Historiker Jörg Becker in einem großen biografischen Essay: Karena Niehoffs Schreiben war auch eine hart erkämpfte Überlebenshilfe. Sie mischte sich in die Gegenwart ein, um ihr Jugendtrauma zu bewältigen.
Die 1920 geborene Berlinerin überlebte als Jüdin die Verfolgung durch die Nazis in der Illegalität. Mehrmals wurde sie verhaftet und in KZ-Lager eingewiesen. Zeitweise Assistentin des Drehbuchautors Ludwig Metzger, der an Veit Harlans Propagandafilm "Jud Süß" mitgeschrieben hatte, sagte Karena Niehoff 1950 im Prozess gegen den Regisseur aus und war danach massiven nazistischen Anfeindungen ausgesetzt.
Die Wiederentdeckung von Karena Niehoffs brillanten Miniaturen in Verbindung mit ihrer bewegenden Lebensgeschichte macht dieses von den Rolf Aurich und Wolfgang Jacobsen herausgegebene Buch zu einer spannenden Lektüre über die Westberliner Nachkriegsszene und eine ihrer zu Unrecht vergessenen großen Journalistinnen.
Rezensiert von Claudia Lenssen
Rolf Aurich und Wolfgang Jacobsen (Hrsg.): Karena Niehoff - Feuilletonistin und Kritikerin
Verlag edition text + kritik/ München 2007
242 Seiten mit DVD, 19,80 Euro
Sie schaffte, was Kritikern selten vergönnt ist: Man las Artikel über die neuesten Filme, die jüngsten Theaterpremieren, peinlichsten Pressekonferenzen und Festivals, weil sie in ihrem unverwechselbarem Stil mit schräger Beobachtungsgabe und arabesken Nebeneinfällen darüber schrieb. Jahrelang waren ihre überschäumenden Reportagen zur Berlinale-Eröffnung ein gefürchtetes Feuilleton-Highlight. Zum Pathos war sie nicht aufgelegt, aber die Liebe zur Kunst prägte ihr kritisches Urteilsvermögen. Sie nahm sich heraus, über große Gefühle zu schreiben, die die kleinliche Ordnung der Wirklichkeit sprengen – und das in Zeiten, in denen Filme leicht unter Kitsch- und Ideologieverdacht gerieten. Sie schrieb gegen Heuchelei und autoritäres Gehabe an, war eine Herausforderung für die Ewiggestrigen wie für die Kalten Krieger auf beiden Seiten der Berliner Mauer.
Ein Lesebuch mit Reportagen, Porträts und Filmkritiken von Karena Niehoff macht nun die wieder mit dieser außergewöhnlichen Journalistin und Zeitzeugin bekannt. Was nur wenige wussten, schildert der Historiker Jörg Becker in einem großen biografischen Essay: Karena Niehoffs Schreiben war auch eine hart erkämpfte Überlebenshilfe. Sie mischte sich in die Gegenwart ein, um ihr Jugendtrauma zu bewältigen.
Die 1920 geborene Berlinerin überlebte als Jüdin die Verfolgung durch die Nazis in der Illegalität. Mehrmals wurde sie verhaftet und in KZ-Lager eingewiesen. Zeitweise Assistentin des Drehbuchautors Ludwig Metzger, der an Veit Harlans Propagandafilm "Jud Süß" mitgeschrieben hatte, sagte Karena Niehoff 1950 im Prozess gegen den Regisseur aus und war danach massiven nazistischen Anfeindungen ausgesetzt.
Die Wiederentdeckung von Karena Niehoffs brillanten Miniaturen in Verbindung mit ihrer bewegenden Lebensgeschichte macht dieses von den Rolf Aurich und Wolfgang Jacobsen herausgegebene Buch zu einer spannenden Lektüre über die Westberliner Nachkriegsszene und eine ihrer zu Unrecht vergessenen großen Journalistinnen.
Rezensiert von Claudia Lenssen
Rolf Aurich und Wolfgang Jacobsen (Hrsg.): Karena Niehoff - Feuilletonistin und Kritikerin
Verlag edition text + kritik/ München 2007
242 Seiten mit DVD, 19,80 Euro