Streit um Westerplatte-Museum in Danzig

Polens Regierung will ihr Geschichtsbild durchdrücken

04:59 Minuten
Das Museum des Zweiten Weltkriegs Danzig, ein vierseitiger Kubus, der schräg aus dem Boden ragt. Das Bauwerk wurde vom Architekturbüro Kwadrat entworfen.
Von der PiS-Regierung übernommen: In dem Weltkriegsmuseum in Danzig wird vor allem über polnischen Heroismus berichtet. © Picture Alliance / dpa / Helge Margarete Heinrich
Florian Kellermann im Gespräch mit Julius Stucke · 18.07.2019
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In Danzig streiten die Stadt und die rechtskonservative Regierung über das Museum auf der Westerplatte – Ort der ersten Kämpfe des Zweiten Weltkriegs. Es geht darum, wie daran erinnert wird – und wie viel Patriotismus die Gesellschaft verträgt.
Wieder gibt es in Polen Streit um die Geschichte, und wieder in der Stadt Danzig. Diesmal geht es um die Westerplatte. Auf dieser Halbinsel fanden der deutsche Überfall auf Polen und damit die ersten Kampfhandlungen des Zweiten Weltkriegs statt. Am 1. September jähren sich diese Ereignisse zum 80. Mal. Und wie schon beim Weltkriegsmuseum im Zentrum von Danzig haben Stadt und Regierung andere Vorstellungen vom Umgang mit der Geschichte.
Die polnische Regierung, die von der rechtskonservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) gestellt wird, wolle die alleinige Hoheit über das Museum, und bestimmen, wie die Feierlichkeiten aussehen sollen, wie Deutschlandfunk-Kultur-Korrespondent Florian Kellermann im Gespräch einordnet. Doch noch sei nicht ganz klar, wie die Vorstellungen der PiS genau aussehen.

Sondergesetz für Museum verabschiedet

Es sei bereits ein Sondergesetz verabschiedet worden, so als würde ein großes Infrastrukturprojekt geplant. Dadurch sei der Stadt Danzig die Kontrolle über den Teil der Halbinsel entzogen worden, der eigentlich unter ihrer Kontrolle stehe. Das Pikante daran: Es sei der historisch relevante Teil. De facto handele es sich um eine Enteignung, beschreibt Florian Kellermann den Vorgang.
Die Danziger Bürgermeisterin protestierte und habe der Regierung vorgeworfen, die PiS würde die Gesellschaft spalten. Doch die Erfolgsaussichten solcher Äußerungen seien sehr gering, urteilt Kellermann. Denn die PiS verfolge eine Geschichtspolitik mit einem ganz bestimmten Auftrag. Diese solle nicht aufklären, sondern den Patriotismus fördern. "So steht es wörtlich im Lehrplan für den Geschichtsunterricht", sagt Kellermann.

Opferrolle Polens wird herausgestellt

Dazu gehöre, die Opferrolle Polens zu unterstreichen. Die dunklen Kapitel, wie die Kollaboration, werden dafür unter den Tisch fallen gelassen. "Die Westerplatte eignet sich dafür, polnisches Heldentum darzustellen", meint Kellermann, weil dort wenig mehr als 200 polnische Soldaten gegen die Wehrmacht, die in Überzahl war, ausgehalten hatten.
Wie ein PiS-gerechtes Geschichtsbild aussehen könnte, ist im Weltkriegsmuseum in Danzig zu sehen. Dort sollte eigentlich das Leiden der Zivilbevölkerung, und zwar in ganz Europa, in den Vordergrund gerückt werden. Diese Botschaft wurde abgeschwächt durch neue Elemente, die die Einzigartigkeit des polnischen Leidens hervorheben würden, meint Kellermann. Als besonders drastisch würden Museumsbesucher den Propagandafilm empfinden, der am Ende der Ausstellung gezeigt werde. Bei dem gewinne man den Eindruck, nur Polen hätte gelitten und zudem fast im Alleingang Hitler-Deutschland und 40 Jahre später auch noch den Kommunismus besiegt, berichtet Florian Kellermann.
(rzr)
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